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„Skandalöse Entscheidung“Schiedsrichter Zwayer gerät nach umstrittenem Pfiff ins Kreuzfeuer

Lesezeit 3 Minuten
Virgil Van Dijk (l.) mit Schiedsrichter Felix Zwayer

Virgil Van Dijk (l.) war mit der Schiedsrichterleistung von Felix Zwayer sichtlich unzufrieden.

Für Schiedsrichter Zwayer war es ein besonderes Spiel. Trotz einer durchaus soliden Leistung sorgte eine Szene für Diskussionen.

Es lief die 14. Minute im EM-Halbfinale zwischen England und der Niederlande, als Bayern Münchens Stürmer-Star Harry Kane mit einem wuchtigen Abschluss nur knapp das niederländische Tor und den Ausgleich verpasste. Der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer entschied zunächst auf Abstoß.

Wenige Minuten später hatte die Szene allerdings eine 180-Grad-Wende genommen. Nach einem Signal von Videoassistent Bastian Dankert und einem Blick auf den VAR-Monitor entscheidet Zwayer auf Foulelfmeter für England. Eine Entscheidung, die bei vielen Experten Entsetzen auslöst. Doch was war genau passiert?

England steht nach spätem Treffer im EM-Finale

Nach dem frühen Oranje-Führungstreffer durch Xavi Simons (7.) hatte der niederländische Verteidiger Denzel Dumfries einen Schuss von Kane im Strafraum blocken wollen, den Stürmer dabei aber kurz nachdem der Ball den Fuß des Engländers verlassen hatte, hart getroffen. Der Bayer-Angreifer sank sofort mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden und einige Akteure der Three Lions forderten vehement einen Strafstoß.

Auf der Anzeigetafel im Dortmunder Stadion wird die VAR-Entscheidung begründet.

Auf der Anzeigetafel im Dortmunder Stadion wird die VAR-Entscheidung begründet.

Den sollte es kurze Zeit später nach einem Eingriff des VAR auch geben. Zwayer bewertete das Einsteigen des Niederländers als strafbares und „rücksichtsloses“ Foulspiel. Auch die Erklärung auf der Anzeigetafel im Dortmunder Stadion fand genau diesen Wortlaut. Dass der Ball in der Entstehung des Treffers an die Hand von Englands Bukayo Saka sprang, blieb von Zwayer ungeahndet.

Kane verwandelte den fälligen Elfmeter sicher. Kurz vor Schluss gelang dem eingewechselten Ollie Watkins schließlich der Siegtreffer für England, das am Sonntag im Finale gegen Spanien nach dem ersten EM-Titel ihrer Historie greifen darf.

Gary Neville nennt Elfmeterpfiff eine „Schande“

Obwohl die Entscheidung ihrer Herzensmannschaft zugutekam, haderten insbesondere britische Experten mit dem VAR-Eingriff. Der ehemalige Nationalspieler Gary Neville nannte den Pfiff eine „Schande“ und fügte an: „Eine skandalöse Entscheidung. Dass so ein Elfmeter verhängt wird, egal wann, und schon gar nicht in einem so wichtigen Spiel. Er geht natürlich rein und versucht, den Schuss zu blocken. Das ist niemals ein Elfmeter.“ Auch der frühere Nationalverteidiger Jamie Carragher schloss sich an. Bei X schrieb er: „Niemals ein Elfmeter.“

Bondscoach Ronald Koeman schätzte die Szene ähnlich ein. „Was kann man tun als Verteidiger? Ich bin der Meinung, dass es keinen Elfmeter hätte geben sollen“, sagte Koeman. „Es bricht einfach den Fußball“, fügte der 61-Jährige hinzu.

Der betroffene Dumfries zeigte hingegen Verständnis für Zwayers Entscheidung. „Es gibt den Kontakt mit Kane, also weiß man auch, dass der Schiedsrichter den Elfmeter geben kann. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Man tut alles, um ein Tor zu verhindern, aber dann passiert so etwas. Das ist wirklich scheiße“, kommentierte der Spieler von Inter Mailand.

EM 2024: Manuel Gräfe kritisiert Ansetzung von Felix Zwayer

Der niederländische Abwehrchef Virgil van Dijk kritisierte neben der umstrittenen Elfmeter-Entscheidung auch Zwayers Spielleitung in den Schlussminuten. „Die Tatsache, dass er direkt in die Kabine rennt, sagt alles“, wütete der Kapitän nach Abpfiff am Mikrofon bei MagentaTV.

Auch der ehemalige deutsche Top-Schiedsrichter Manuel Gräfe sah sich nach der Partie in seiner Kritik an der Ansetzung Zwayers bestätigt. Die Schiedsrichter-Kommission der Europäischen Fußball-Union UEFA habe das bekommen, „was nicht sein musste, aber sehenden Auges passieren musste: Eine Schiedsrichter-Diskussion! Als ob es in ganz Europa keinen anderen gegeben hätte“, schrieb er auf der Plattform X.

Die Ansetzung Zwayers war auch in England vor dem Spiel skeptisch bewertet worden. Vor zweieinhalb Jahren hatte Jude Bellingham, damals noch im BVB-Trikot, nach einer Niederlage gegen die Bayern die Verstrickung Zwayers in den Manipulationsskandal um Robert Hoyzer thematisiert. Wochenlang kochte das Thema damals hoch, aufgrund der heftigen Debatte stand Zwayer kurz davor, seine aktive Karriere zu beenden. (nis mit dpa/sid)