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„Der Rassismus hat gewonnen“Antonio Rüdigers verheerende Diagnose

Lesezeit 4 Minuten
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Antonio Rüdiger, Verteidiger des FC Chelsea

  1. Im Achtelfinale der Champions League trifft der FC Bayern auf den FC Chelsea.
  2. Bei den Londonern hat sich der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger mittlerweile zur Führungsfigur entwickelt.
  3. Der Verteidiger wurde in England immer wieder mit Rassismus konfrontiert. Nach wiederholten Vorfällen zieht Rüdiger eine verheerende Diagnose: „Der Rassismus hat gewonnen.“

London – Dass Fans die Fußballer der gegnerischen Mannschaft ausbuhen, ist im eigentlich so höflichen England genau so üblich wie in anderen Teilen der Welt. Und normalerweise hat Antonio Rüdiger, der deutsche Nationalverteidiger in Diensten des FC Chelsea, damit auch kein Problem. Die Abneigung allerdings, die ihm am Wochenende beim 2:1-Heimsieg von Bayern Münchens Champions-League-Gegner gegen Tottenham Hotspur aus dem Gästeblock entgegen schlug, war für ihn nicht mit den typischen Ritualen des Sports zu erklären. Stattdessen deutete der Berliner mit einer Mutter aus Sierra Leone die Buhrufe gegen ihn als Zeichen dafür, „dass wir ein sehr großes Problem haben“. Und zwar dieses: „Der Rassismus hat gewonnen.“

Spurs-Fans beleidigen Rüdiger rassistisch

Um diese erschütternde Bestandsaufnahme zu verstehen, muss man zurück schauen auf das Hinspiel der beiden Londoner Rivalen kurz vor Weihnachten (2:0 für Chelsea). Nach einer Tätlichkeit gegen Rüdiger sah Tottenhams Offensivmann Heung-min Son die Rote Karte. Einige Spurs-Fans nahmen das zum Anlass, den Chelsea-Verteidiger rassistisch zu verhöhnen, das jedenfalls war Rüdigers Wahrnehmung. Gastgeber Tottenham und die Londoner Polizei dagegen konnten hinterher keine Beweise dafür finden, trotz aller Bemühungen, wie der Klub angab. Die Buhrufe, die Rüdiger im Rückspiel am Wochenende ertragen musste, deutete er als Vergeltung der Tottenham-Fans für seine Vorwürfe. „Vielleicht liegt es daran, dass ich die Stimme gegen Rassismus erhoben habe“, lautete sein Erklärungsversuch: „Aber wenn man mich deshalb ausbuht, sind das einfach arme Leute.“

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Der 26 Jahre Innenverteidiger, der im Sommer 2017 vom AS Rom in den schicken Londoner Südwesten wechselte, gab nach der Partie gegen Tottenham einen offenen Einblick in das Seelenleben dunkelhäutiger Fußballer, die sich mit Rassismus konfrontiert sehen. In einem Gespräch mit ausschließlich weißen Journalisten, wie der „Guardian“ notierte, sagte Rüdiger, der am Donnerstag zum ersten Mal Vater wurde: „Ich möchte niemanden beleidigen, aber ihr werdet nie verstehen, was mir oder anderen schwarzen Spielern in diesem Moment durch den Kopf geht. Ich bin allein. Ich bin total allein.“

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Chelsea-Coach Frank Lampard

Weil seine Vorwürfe nach dem Hinspiel nicht verifiziert werden konnten, ist der Fall kompliziert. Trotzdem zeigen Rüdigers Aussagen, dass noch viel getan werden muss, damit Fußballer ihrer Arbeit nachgehen können, ohne Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe fürchten zu müssen. Dabei sind Vereine und die Öffentlichkeit in England seit einer Weile besonders sensibel für das Thema. Ausgangspunkt dafür war der Rassismus gegen Raheem Sterling von Manchester City im Dezember 2018 während eines Spiels bei Chelsea, worauf hin der englische Nationalstürmer ein bemerkenswertes Statement in den Sozialen Medien zu Rassismus im Fußball und in der Gesellschaft verfasste. Nach den Länderspielen der Engländer in Montenegro und Bulgarien, bei denen es zum Teil massive Anfeindungen gegen die dunkelhäutigen Mitglieder des Teams gab, stand die englische Fußball-Nation geschlossen hinter der Mannschaft und lobte die neue Spieler-Generation dafür, sich Rassismus im Stadion nicht mehr bieten zu lassen, sondern sich zur Wehr zu setzen.

Rüdiger bei Chelsea mittlerweile Führungsfigur

Im Alltag in der Premier League wird zunehmend konsequent gehandelt, wenn es zu diskriminierenden Beleidigungen von den Rängen kommt. So geschehen unter anderem beim Manchester-Derby im Dezember, als ein City-Fan nach Affen-Gesten umgehend festgenommen wurde. Dass Rüdiger mit seiner verheerenden Diagnose zum Kampf gegen Rassismus an die Öffentlichkeit tritt, belegt auch seinen persönlichen Status beim FC Chelsea. Er ist zur Führungsfigur geworden, auf und neben dem Platz. In der Mannschaft von Trainer-Neuling Frank Lampard bildet er eine verlässliche Konstante, und das, obwohl er nach sieben Monaten Verletzungspause erst Mitte Dezember in den Spielbetrieb zurückkehrte. „Er bringt Aggressivität und Präsenz in allem, was er tut“, sagte Lampard neulich über Rüdiger.

Transfer-Sperre gegen Chelsea

Dabei hat Chelseas Abwehrchef keinen einfachen Job. Wegen einer Transfer-Sperre der Fifa ist der Kader des aktuellen Premier-League-Vierten mit vielen jungen Spielern besetzt, die sich noch im Reifeprozess befinden. Der nach vorn gewandte Spielstil des Teams macht die Mannschaft anfällig für Gegenstöße. Das Mittelfeld bietet oft nur unzureichend Schutz für Rüdiger und seine Nebenmänner in der Verteidigung. Hinter der Abwehr hat Lampard gerade Torwart Kepa Arrizabalaga, den teuersten Vertreter seines Fachs, wegen dauerhaft mäßiger Leistungen gegen den 38 Jahre alten Willy Caballero ausgetauscht, der ebenfalls ein Unsicherheitsfaktor ist. Das sind keine idealen Arbeitsbedingungen für einen Verteidiger, aber solche Widrigkeiten gehören zum Fußball.

Für rassistische Beleidigungen von den Rängen sollte das dagegen nicht gelten.