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In München gegen ChelseaBayerns Rendezvous mit der traumatischen Vergangenheit

Lesezeit 4 Minuten
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Die Bayern-Profis nach der Final-Niederlage 2012

  1. Der FC Bayern empfängt am Samstag im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League den FC Chelsea.
  2. 2012 hatte der Rekordmeister schon einmal in der Allianz-Arena gegen die Londoner gespielt – und das „Finale dahoam“ verloren.
  3. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sieht sich dieses Spiel seit 2012 jedes Jahr im Urlaub an.

München – Vor einer Woche hat sich das Team des FC Bayern München nach zwölf Tagen Urlaub mal wieder in einem Wettkampf gemessen. Und dabei auf dem vereinseigenen Campus unter Ausschluss von Zuschauern mit 1:0 gegen Olympique Marseille gewonnen. Es war ein heißer Tag, nicht gerade leistungsfördernd, das betonte Karl-Heinz Rummenigge ein paar Stunden vor dem Anpfiff gegen die Franzosen in einem Konferenzraum an der Säbener Straße immer wieder, dem operativen Zentrum am anderen Ende der Stadt. Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des mit Superlativen dekorierten Rekordmeisters, fasste dabei mit sonorer Stimme und in entspanntem Gesprächstempo lapidar und sachlich die vergangene Saison zusammen: „Beim FC Bayern sind wir natürlich glücklich, das Double verteidigt zu haben.“ Meisterschaft und Pokal. Doch das sind nur zwei von drei Punkten auf der To-Do-Liste des Klubs, die Saison bietet ja noch die Möglichkeit eines Nachschlags. Also sagte Rummenigge: „ Jetzt schauen wir mal, was noch in der Champions League geht – wenn wir uns gegen Chelsea durchsetzen.“

Auf dem Weg nach Lissabon

Sich gegen Chelsea durchsetzen müssen sich die Bayern an diesem Samstag ab 21 Uhr in ihrer Allianz-Arena, auch dort sind nach wie vor keine Fans zugelassen. Im Achtelfinal-Hinspiel am 25. Februar konnten die Bayern mit 3:0 an der Stamford Bridge in London gewinnen. Sollten sie diesen Vorsprung verteidigen können, haben sie es ins Turnier der besten Acht nach Lissabon geschafft, wo ab dem 12. August in einem Spiel Viertel- und Halbfinale ausgetragen werden sowie das Finale am 23. August.

Chelsea zu Gast in der Allianz-Arena – für die Bayern ist das ein Rendezvous mit ihrer eigenen Vergangenheit. 2012 hatten sie schon einmal die Engländer zu Gast, an einem ebenfalls sehr warmen Tag im Mai, zum „Finale dahoam“, dem Endspiel der Champions League im eigenen Stadion. Dieses Spiel haben die Bayern im Elfmeterschießen verloren, der Bayer Bastian Schweinsteiger scheiterte als letzter Schütze und stürzte die Bayern in eine veritable Sinnkrise. Denn das verlorene Match gegen Chelsea war der negative Höhepunkt eines skurrilen Verfalls: Dreimal wurde der FC Bayern in jenem Jahr Zweiter – in Meisterschaft, Pokal und eben in der Königsklasse: „Da waren wir die Vize-Bayern“, sagt Rummenigge und schmunzelt dazu. Doch bei ihm selbst hat dieser Frühling Spuren hinterlassen, bis heute.

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Seit 2012 schaut sich Rummenigge jedes Jahr aufs Neue während seines Sylt-Urlaubs das verlorene „Finale dahoam“ an, „das habe ich auch dieses Jahr wieder gemacht“, sagt er. Dabei werde man „ein Stück weit demütig und erkennt stets neue Szenen: Dinge, die ich so bisher noch nicht wahrgenommen habe.“ Ein überraschender Satz schließt sich an: „Es ist gut zu sehen, dass es auch mal bittere Niederlagen gab beim FC Bayern, das erdet bei den durchaus vielen Erfolgen, die wir in den letzten Jahren feiern durften.“ 2012 habe er in Sylt bis zu drei Stunden täglich Transfergespräche mit dem damaligen Trainer Jupp Heynckes geführt, alle anderen Funktionsträgen hätten sich auch angepasst an das Diktum des „Jetzt erst recht“ – und so tatsächlich die Basis geschaffen, für das Triple im darauffolgenden Jahr: Meisterschaft, Pokal, Champions League – alles gewonnen nach einem Jahr der Tiefschläge.

Eine Trennung als Befreiung

Eine Parallele zu damals gibt es durchaus: In dieser Saison haben sich die Bayern zunächst sehr schwer getan, sie haben sich, als für sie kaum noch was ging, als der spielerische Rückschritt kaum noch auffangbar schien, von ihrem Trainer Niko Kovac getrennt. Und sind danach unter der Regie von Kovacs Nachfolger Hans Flick – mental befreit, spielerisch zunächst erholt und schließlich in Sachen hohem Pressing perfektioniert – nicht mehr zu stoppen gewesen. Alle neun Bundesligaspiele nach dem Lockdown haben die Bayern gewonnen, den Pokal auch und in der Champions League zählen sie ebenfalls zu den Favoriten.

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Karl-Heinz Rummenigge

Rummenigge hat aus seiner Zeit als aktiver Stürmer, als Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft sowie als Funktionär in München gelernt, dass eine Mannschaft vor allem auch bei intaktem mentalen Gerüst aufblühen kann. Das war so 2013, im Triple-Jahr – und „eine ähnliche Stimmung stelle ich jetzt wieder bei uns fest“. Hansi Flick mache auch in dieser Hinsicht „einen sehr guten Job“, das Teamgefüge, das Ambiente, der Umgang miteinander, das alles jedenfalls befinde sich in bester Ordnung. Rummenigge bilanziert: „Bei dieser Spieler-Generation ist es so: Fußball muss Spaß machen. Dafür musst du die richtigen Voraussetzungen in deinem Umfeld schaffen. Das ist Hansi Flick bisher à la bonne heure gelungen.“

Die Hürde Chelsea steht noch im Weg, doch sie ist nach allen Erfahrungswerten, die es gibt in diesem Spiel, nicht so hoch, als dass sie nicht irgendwie übersprungen werden könnte. Und dann reist die Entourage des FC Bayern nach Lissabon. Dem Triple entgegen.