- Hansi Flick hat den FC Bayern zur Meisterschaft und zum DFB-Pokal geführt, er ist der Architekt des Doubles.
- Als der 55-Jährige Cheftrainer in München wurde, übernahm er eine zerrüttete Mannschaft.
- Innerhalb weniger Monate machte er sie zu einem absolut dominanten Team, das nun das Triple anpeilt.
München/Köln – Welch ein glücklicher Tag der 26. Februar 2018 rückblickend für den FC Bayern gewesen ist. Nicht wegen des müden 0:0 in der Bundesliga gegen Hertha BSC zwei Tage zuvor. Sondern, weil an diesem Montag Hans-Dieter Flick sein auf fünf Jahre ausgelegtes Engagement als Sport-Geschäftsführer bei 1899 Hoffenheim nach acht unglücklichen Monaten vorzeitig mit einer Vertragsauflösung beendete. Der ewige zweite Mann hinter Bundestrainer Joachim Löw hatte als Funktionär nicht zur TSG gepasst, die ihn zum Gesicht des Klubs machen wollte. Ob Flick nach diesem Missverständnis noch einmal bei einem ambitionierten Verein würde Fuß fassen können?
Etwa zweieinhalb Jahre später ist die Antwort darauf den meisten fußballinteressierten Menschen des Planeten bekannt. Am Montag lieferte Flick die Meisterschale und den DFB-Pokal im Klubmuseum des FC Bayern ab, sie wurden in große gläserne Vitrinen zu den dutzenden anderen Trophäen gestellt. Und auch wenn Flick es als entschiedener Gegner markiger Worte und großspuriger Ankündigungen niemals selbst so formulieren würde – der 55 Jahre alte Heidelberger ist der Architekt des Bayern-Doubles 2020 aus 30. Meistertitel und 20. DFB-Pokal. In einer Saison, in der die Münchener nach vielen Jahren erstmals auch auf nationaler Ebene bezwingbar schienen, formte Flick trotz der Corona-Zwangspause in der Rückrunde eines der dominantesten Bayern-Teams der Klubhistorie.
FC Bayern war nach dem 14. Spieltag Siebter
Nach seinem Intermezzo in Hoffenheim hatte Flick eine Pause eingelegt und im Sommer 2019 in München als neuer Co-Trainer von Niko Kovac angeheuert. Flick, von 2006 bis zum WM-Titel 2014 Assistent von Bundestrainer Löw und anschließend zweieinhalb Jahre DFB-Sportdirektor, erlebte in seinen ersten Monaten hautnah den Untergang seines Vorgesetzten. Die Vereinsführung traute dem Trainer nicht, der Trainer einigen seiner Profis nicht. Nach einem desolaten 1:5 gegen Eintracht Frankfurt Anfang November musste Kovac gehen, Flick sprang als Interimslösung ein. Als die große Lösung für den gewaltigen Weltklub war er anfangs nicht eingeplant, immerhin beschränkten sich seine Cheftrainer-Erfahrungen auf vier Jahre FC Bammental und fünf Jahre Hoffenheim – zwischen 1996 und 2005.
Besserer Punkteschnitt als Heynckes und Guardiola
Flick benötigte einige Wochen, um der Unruhe im Team Herr zu werden. In der Liga folgten Pleiten gegen Bayer 04 und Mönchengladbach. Nach dem 14. Spieltag war der FC Bayern Tabellensiebter. Doch irgendwann hatte Flick die Profis mit seiner empathischen und fürsorglichen Art erreicht und ein neues Mannschaftsgefüge errichtet. Seit dem 1:2 in Gladbach am 7. Dezember 2019 hat München unter Flick wettbewerbsübergreifend 26 von 27 Spielen gewonnen, bei einem 0:0 gegen RB Leipzig. Aus der Interims- war längst die Königslösung geworden. Auf Flicks Punkteschnitt (2,75) kommen selbst Jupp Heynckes (2,43) und Pep Guardiola (2.41) nicht. Die Bundesliga und der DFB-Pokal wurden dominiert. In der Champions League steht der Viertelfinal-Einzug nach einem 3:0 im Hinspiel gegen Chelsea praktisch fest.
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Geschickt verbindet Flick seine soziale Kompetenz und seine sportliche Expertise. So wurden Thomas Müller und Jérôme Boateng, zuvor von Trainer Kovac oder Klubführung öffentlich ausgemustert, wieder zu Eckpfeilern des Teams. Mit Auftritten, wie Flick sie auch als Co-Trainer der Weltmeistermannschaft von Brasilien kannte. Müller deutete wieder Räume, die niemand anders erkannte und stellte den Bundesliga-Rekord von 21 Torvorlagen auf. Boateng schlug plötzlich wieder millimetergenaue Flugbälle in Richtung der Außenbahnen, zuletzt auch beim 4:2 im Pokalfinale gegen Leverkusen.
Die Rückkehr von Müller und Boateng
Auch wenn Müller und Boateng nicht mehr dazu gehören – Flick bastelt für seinen alten Vorgesetzten, Bundestrainer Löw, an der nächsten Auflage des „FC Bayern Deutschland“. Die aktuelle Achse Manuel Neuer, Niklas Süle, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry wird ab der kommenden Saison noch von Leroy Sané verstärkt. Ein Jahr später, ausgeschlossen ist es nicht, könnte Kai Havertz hinzustoßen. Spannung wird in den nationalen Wettbewerben dadurch nicht aufkommen. Vor allem, wenn Flick seine Wunschspieler David Alaba und Thiago vom Bleiben überzeugen kann – was dem Trainer durchaus zuzutrauen ist. Doch für Spannung zu sorgen, fällt nicht ins Aufgabengebiet des FC Bayern, das erklärte der Klub immer wieder.
Nächstes Ziel des FC Bayern: Champions League
Auf internationaler Ebene ist die Konkurrenzsituation eine andere, zumindest war sie es bis zur Corona-Pause. Ob sich die Kraftverhältnisse verschoben haben, wird sich beim Final-Turnier in Portugal (8. bis 23. August) zeigen. Das Triple haben die Bayern um Trainer Flick jedenfalls fest im Blick. „Ich freue mich schon wieder, mich nach dem Urlaub mit der Mannschaft auf das nächste Ziel vorbereiten zu können – das ist natürlich das Finale der Champions League“, sagte Flick am Montag. Knapp zwei Wochen Urlaub haben die Bayern, ehe die Vorbereitung auf die Königsklasse startet. In dieser Zeit müssen in England noch fünf Liga-Spieltag sowie Halbfinale und Endspiel des FA Cups absolviert werden. In Spanien sind es noch vier Meisterschafts-Runden – in Italien gar acht.
Während die Konkurrenz also nach massenhaft englischen Wochen in Portugal antritt, wird hinter dem FC Bayern eine Schaffenspause und eine reguläre Vorbereitung liegen, wie sie Trainer Flick in seiner Zeit beim DFB viele vor dann erfolgreichen Turnieren absolviert hat.
Gute Vorzeichen für den FC Bayern, dass bald eine weitere Vitrine im Vereinsmuseum befüllt werden kann.