Nicht immer war das Derby zwischen den beiden größten Vereinen im Ruhrgebiet so brisant wie heutzutage. Unser Autor war am Samstag vor Ort und hat genau hingeschaut.
Schalke gegen Dortmund hautnah„Vorm Spiel is inne Kirche“
Bereits auf der Anreise sind um die Mittagszeit im Kölner Hauptbahnhof die ersten Schalke-Fans zu entdecken. Die Anfrage zu einem Gespräch lehnt ein junger Mann mit blau-weißem Schal höflich, aber bestimmt ab. Er sei zu nervös, bittet er um Verständnis.
In Gelsenkirchen bietet sich ein anderes Bild. Laut grölen die Anhänger der Königsblauen im dortigen Bahnhof Verwünschungen in Richtung des Erzrivalen. Polizisten in Schutzausrüstung lenken die Menschenmengen, um ein Aufeinandertreffen der verfeindeten Fan-Gruppen zu verhindern. Zudem sind die Wege durch blickdichte Zäune voneinander getrennt.
Eintrag ins Goldene Buch
Heute nur schwer vorstellbar wurde die Mannschaft des FC Schalke 04 nach dem Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft 1934 in Dortmund begeistert empfangen und trug sich sogar ins Goldene Buch der Stadt ein.
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Von den 1920er Jahren bis zur Einführung der Oberliga West in der Nachkriegszeit waren die „Knappen“, wie die Schalker auch genannt werden, sportlich der Platzhirsch im Ruhrgebiet. Vereinsidol Ernst Kuzorra, Teil des legendären Schalker Kreisel, trainierte gar in den dreißiger Jahren den BVB.
Erst nachdem Borussia Dortmund sportlich auf Augenhöhe mit den Revier-Nachbarn angelangt war, begann sich die intensive Rivalität zwischen Anhängern und Vereinen gleichermaßen zu etablieren.
Auswüchse der Rivalität
Mittlerweile wird diese Feindschaft zwischen den Fan-Lagern sogar außerhalb der Derby-Spieltage ausgetragen. Mitte Februar wurde eine Gruppierung der Schalker, die sich auf den Weg zum Auswärtsspiel in Berlin machen wollten, mutmaßlich von Fans aus Dortmund angegriffen.
Als Konsequenz dieses Angriffs durchsuchte die Polizei im Vorfeld des Revierderbys 27 Objekte in mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei stellte nach eigenen Angaben umfangreiches Beweismaterial sicher. Festnahmen soll es allerdings keine gegeben haben.
Unverständnis über das Alkoholverbot
Auf dem Weg vom Bahnhof zum Stadion in der Straßenbahnlinie 302 diskutiert eine Gruppe nicht mehr ganz nüchterner Fans über das von der Polizei verhängte Alkoholverbot in der Veltins-Arena. „Was soll das bringen?“, ereifert sich einer. „Dann haue ich mir halt vorher einen rein.“ Ein anderer merkt den wirtschaftlichen Schaden für den Verein an, der durch die weniger verkauften Getränke entstünde.
Weniger krakelig geht es gegenüber der Bahnhaltestelle „Grillostraße“ zu. Dort steht an der Kurt-Schumacher-Straße die Kirche St. Joseph. Die großen Betonklötze, die den Fußweg von der Straße trennen, sind mit gestrickten Überziehern mit Schalke-Motiven verschönert. „Tooor zum Himmel“ steht auf einem.
Links und rechts des Kirchenportals sind Fahnen des FC Schalke 04 gehisst. Dazwischen hängt ein Transparent, das zur Einkehr einlädt: „Vorm Spiel is inne Kirche“. Tatsächlich verschwinden nicht wenige Fans für ein paar Momente zu einem kurzen Gebet in dem Sakralgebäude. Ob Gott dem Anliegen der Fußball-Fans bei all den anderen Problemen in der Welt derzeit wirklich Gehör schenken kann?
Weiter geht es, die Kurt-Schumacher-Straße entlang in Richtung Stadion. Auf der Berliner Brücke bietet sich ein tolles Ruhrgebiets-Panorama. Geradeaus sieht man am Horizont die Veltins-Arena, daneben den letzten verbliebenen Flutlichtmast des Parkstadions. Rechter Hand bietet sich die in der Region typische Industrieromantik, wie beispielsweise der Förderturm der Zeche Consolidation.
Die Schalker Meile
Hinter der Brücke beginnt die sogenannte Schalker Meile. Sie ist der Anlaufpunkt der Schalke-Fans. Kurz vor der Brücke der Autobahn 42 ist die historische Spielstätte des Vereins, die Kampfbahn Glückauf. „FC Gelsenkirchen-Schalke 04“ steht in großen Buchstaben über dem Eingangsbereich. Daneben befindet sich das Vereinslokal „Bosch“, in dem schon Ernst Kuzorra gerne ein Bierchen trank.
Auf der anderen Straßenseite betreibt die berüchtigte Hooligan-Gruppierung „Gelsen-Szene“ ihre eigene kleine Bar. Eine größere Anzahl Polizisten verfolgt das Treiben auf der Schalker-Meile, das bislang zum frühen Nachmittag allerdings keinerlei Anlass zur Sorge bereitet.
Von der Bahnhaltestelle ist es nur noch ein kurzer Fußweg zum Stadion. Gregor, ein Hüne aus Essen, ist mit seinen Freunden auf dem Weg dorthin. Sie sind verhalten optimistisch, dass ihr FC Schalke gegen den derzeit erfolgreicheren Rivalen punkten wird. Es fällt auf, dass weit und breit keine Fans in den Farben des BVB zu sehen sind. Die Fan-Trennung scheint zu funktionieren.
100. Bundesliga-Derby
Mit Beginn des 100. Revierderbys in der Bundesliga – es ist übrigens das insgesamt 160. Pflichtspiel der beiden Vereine gegeneinander – ist es schnell vorbei mit dem Frieden. Beide Fan-Lager verbrennen Pyrotechnik, dazu gibt es von Schalker Seite ein martialisches Spruchband: „Unsere Kurve ist euer Verderben“. Man beschimpft sich leidenschaftlich und ausdauernd.
Um 19.08 Uhr verstummt die Arena kurzzeitig, lediglich die Gästefans sind ohrenbetäubend laut. Dortmund führt und hat in der Folge die besseren Chancen. Die BVB-Fans singen vom drohenden Abstieg der Schalker und dem eigenen Gewinn der Meisterschaft.
Schiedlich, friedlich Unentschieden
Genau eine halbe Stunde später, die zweite Hälfte läuft bereits, wird es noch einmal lauter. Ausgleich für Königsblau. Das Spiel tobt hin und her, wobei Dortmund weiterhin gute Gelegenheiten auslässt. Am Ende steht es 2:2. Ein Unentschieden, das beiden nicht wirklich hilft. Immerhin, es scheint zu keinen größeren Auseinandersetzungen zwischen den Fans gekommen zu sein. Ein intensiver Derby-Spieltag klingt in den Kneipen entlang der Schalker Meile aus. Bis zum nächsten Aufeinandertreffen.