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KommentarDas Ausland lobt die Liga, doch Stolz wäre der falsche Ratgeber

Lesezeit 2 Minuten
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DFL-Geschäftsführer Christian Seifert

  1. Der Neustart des deutschen Fußballs macht vielen Hoffnung, aber er muss erst noch funktionieren.
  2. Nicht jedes Land verfügt über ein funktionierendes Gesundheitssystem wie Deutschland.
  3. Die Gegner wird das gepriesene Konzept alleine nicht milde stimmen.

Köln – Die Bundesliga, so viel steht fest, hat in der Corona-Krise einen besseren Job gemacht als alle anderen großen Ligen im europäischen Vergleich. Das Staunen des Auslands über ein Konzept, das ihr Alleinstellungsmerkmal ist, spricht Bände. Mit kaum verhohlener Bewunderung wird der politische Erfolg der DFL, die Zulassung des Spielbetriebs unter strengen Auflagen, kommentiert. In England, Spanien, Italien und sogar in Frankreich, wo Staatspräsident Macron die Saison beendet hat, hofft man auf einen positiven Effekt für die eigenen Ligen. Gelobt wird deutsches Organisationstalent und Gründlichkeit.

In normalen Zeiten schleicht sich beim Vernehmen solcher Einschätzungen ein Hauch von Stolz in die gemeinsame deutsche Rezeption. Die Zeit ist allerdings nicht normal, deshalb sollte man damit vorsichtig sein. Erstens ist noch nicht bewiesen, dass dieses Modell wirklich funktioniert. Zweitens: Die DFL nutzt ein öffentliches Gesundheitssystem, das anderen Ländern so nicht zur Verfügung steht. DFL-Chef Christian Seifert war klug genug, darauf hinzuweisen, dass seine Pläne auf der Qualität einer öffentlichen Infrastruktur beruhen, an der viele beteiligt sind.

Die Gesundheitsämter wachen über das Risiko

Gegner des Gedankens, dass von 16. Mai an fürstlich entlohnte Sportler in leeren Stadien dem Ball hinterher rennen, während der Rest des Landes um Normalität ringt, wird das eben so wenig milde stimmen wie die wohlwollende Beachtung des Auslandes. Menschen, denen das Überleben der Bundesligen in der bekannten Form am Herzen liegt, können das anders sehen. Für sie mag der Großversuch, an dem mehr als 1700 Menschen rund sechs Wochen lang teilnehmen, die Anstrengung wert sein. Das Entscheidende ist: Die Einschätzung der medizinischen Vertretbarkeit des Experiments obliegt alleine den Gesundheitsämtern. Wenn sich herausstellt, dass vom Fußball eine allgemeine Gefahr ausgeht, müsste die Sache abgebrochen werden.

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Die Frage, wer Recht hat, ist auch am Tag nach der grundsätzlichen Entscheidung nicht zu beantworten. Womöglich wird ein klares Urteil darüber nie gefällt werden können. Dabei hilft die Pandemie vielleicht: Akzeptieren zu lernen, dass es nicht eine Wahrheit gibt. Und dass man die Existenz anderer Meinungen in einem demokratischen System aushalten muss.