Kommentar zum BundestrainerEin Kandidat hat die allerbesten Karten – aber keine Eile
Köln – Wenig ist in diesem Land ungewöhnlicher als die Suche nach einem Fußball-Bundestrainer. Erst neun Männer hatten diesen Job seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges inne, und es wären noch weniger, wenn der DFB gegen Ende des letzten Jahrtausends nicht ein wenig von seinem Weg der Kontinuität abgekommen wäre. Das hat er dann mit Joachim Löw nachgeholt, der seinen Langzeitversuch auf dem deutschen Bundestrainerposten nach 15 Jahren im Sommer abbricht. Und die Nation braucht einen Neuen.
Da ist das Geschrei erst mal groß, denn es ist wie meist im Leben: Was man haben kann, erweckt Skepsis. Wovon man träumt, ist schwer zu haben. Und jeder verfolgt sehr konsequent seine eigenen Interessen. Das muss aber nicht schlimm sein. Gut ist, dass alle ein wenig Zeit haben. Anders als im Jahr 2000, als nach dem gescheiterten Versuch mit Erich Ribbeck ein Kampf um den damaligen Leverkusener Trainer Christoph Daum entbrannte, der damit endete, dass plötzlich Rudi Völler Teamchef war und länger als alle dachten blieb, weil Daum in den Tumult einer Kokain-Affäre geriet. Im Nachhinein kann man sagen, dass dies die Vorstufe einer Entwicklung war, die im Zug der WM 2006 zum Aufschwung der Nationalmannschaft führte und zur Ära Löw, die mit dem WM-Titel 2014 ihren Höhepunkt fand.
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Dass jetzt Namen dekliniert werden, ihre Befähigungen diskutiert und ihre Vereinbarkeit mit einem schwer zu bewegenden Verbandskoloss wie dem DFB, ist ganz normal. Gewisse Dinge kann man mit großer Sicherheit vorhersagen: Dass Hansi Flick Bundestrainer wird zum Beispiel. Nur weiß niemand, wann. Der ehemalige Löw-Assistent gilt dank Profil und Hintergrund zurecht als Wunschkandidat, aber er muss es als Bayern-Trainer im Alter von 56 Jahren nicht eilig haben. Die EM im eigenen Land findet 2024 statt. Bis dahin passiert noch viel.
Ralf Rangnick ist frei, steht aber im Ruf, ein Besserwisser in allen Dingen zu sein. Lothar Matthäus ist der Talkshow-Kandidat. Stefan Kuntz wäre der kleinste gemeinsame Nenner und zur Not, wie einst Rudi Völler, gedachter Platzhalter für eine größere Lösung. Insgesamt kann dem deutschen Fußball Schlechteres passieren. Die besten Dinge sind ihm sowieso meist widerfahren, wenn er eine Lösung finden musste, an die zuvor keiner gedacht hatte.