„Viel Unruhe und Chaos“Podolski über den FC, Joachim Löw und seine sportliche Zukunft
- Weltmeister Lukas Podolski zum angekündigten Rücktritt des Bundestrainers Joachim Löw.
Herr Podolski, 128 Ihrer 130 Länderspiele haben Sie in der Trainer-Ära von Joachim Löw bestritten. Ihr Verhältnis zu ihm gilt als eng. Sind Sie von seinem Rückzug überrascht?
Lukas Podolski: Ja, das kam auch für mich überraschend. Als Trainer ist es natürlich normal, dass man ständig in der Diskussion steht. Jogi hat vielleicht in sich hineingehorcht, dass dieser Schritt jetzt der richtige für ihn ist. Das ändert aber alles nichts an der Bewertung seiner Nationalmannschafts-Karriere. Jogi ist für mich einer der größten deutschen Trainer überhaupt. Er hat die Verantwortung übernommen, als der deutsche Fußball am Boden lag. Wer 17 Jahre bei der Nationalmannschaft tätig war, muss schon sehr viel richtig gemacht haben.
Und wer Weltmeister wurde, erst recht. Deutschland kann stolz sein, dass die Nationalmannschaft solch einen Trainer hat. Und ich bin stolz, dass ich so lange mit ihm zusammenarbeiten konnte. Was ich neben seiner Fachkompetenz besonders an ihm schätze, ist seine Art. Bei ihm stimmt es auch menschlich immer. Jogi ist aber nicht nur zu den Spielern korrekt, sondern zum gesamten Stab, den Leuten da draußen oder den Journalisten. Diese Charakter-Eigenschaften hat nicht jeder Trainer. Zudem hatte er fast immer Erfolg. In den letzten Jahren vielleicht nicht mehr so, das lag aber auch einfach daran, dass Poldi in seiner Mannschaft fehlte (lacht). Für mich ist Jogi ein Aushängeschild und eine Legende des deutschen Fußballs.
Sie sind seit einigen Jahren per Du mit Löw. Wie kam das?
Als Bastian Schweinsteiger und ich 2004 nach der EM zum festen Bestandteil der Nationalmannschaft wurden, hat uns Jogi gleich unter seine Fittiche genommen. Wir waren damals blutjung. Man konnte von ihm sehr viel lernen: Nicht nur das Fachliche, sondern auch Disziplin und wie wichtig Ehrlichkeit und Menschlichkeit sind. Das vergisst man nicht. Ich habe ihm viel zu verdanken. Ich meine, es muss um die EM 2012 gewesen sein, als er mir dann das Du angeboten hat. Er meinte, wir würden uns schließlich schon so lange kennen, da fühle sich das richtig an.
Welche Eigenschaften müsste sein Nachfolger haben? Haben Sie einen im Sinn?
Die heutige Mannschaft hat zwar nicht mehr so viel mit der meiner Generation zu tun. Damals hatten wir mehr echte Typen. Es ist nicht leicht, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Und das liegt nicht nur daran, dass nicht so viele geeignete Kandidaten auf dem Markt und zu haben sind. Jogi und Oliver Bierhoff haben in den vergangenen 17 Jahren sehr viel beim DFB aufgebaut. Nicht nur bei der Mannschaft, sondern im gesamten Umfeld. Es herrscht ein bestimmtes Klima. Der DFB hat sicherlich an Beliebtheit eingebüßt, der jahrelange Hype um die Nationalmannschaft ist verflogen.
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Dennoch glaube ich nicht, dass es funktionieren würde, wenn ein neuer Bundestrainer plötzlich alles grundlegend anders machen wollte. Ich habe zwei persönliche Favoriten, die wieder für Aufbruchsstimmung sorgen könnten: Hansi Flick, der beim DFB alles und jeden kennt und der mit seiner Art perfekt zur Mannschaft passen würde. Er bräuchte keine Eingewöhnungszeit. Und natürlich Jürgen Klopp, der das Feuer, diese Emotionen und den Ehrgeiz hat. Aber ich weiß auch, dass beide bei ganz großen Klubs unter Vertrag stehen.
Ihr Vertrag bei Antalyaspor läuft in diesem Jahr am 30. Juni aus. Bleibt es dabei?
Ja, aktuell sieht es so aus. Im Januar ist unser jahrelanger Präsident Ali Safak Öztürk zurückgetreten. Er war derjenige, der mich damals geholt und die Vision hatte, hier etwas entstehen zu lassen. Die ist leider mit seinem Abgang etwas verflogen. Sportlich läuft es mit Platz zehn einigermaßen, dennoch denke ich, dass wir noch mehr Potenzial haben.
Und was folgt danach, etwa ein Rücktritt? Sie sind dann 36 Jahre alt.
Ich bin fit und fühle mich absolut in der Lage, noch weiter zu spielen. Ich hätte auch noch Lust. Doch das Paket muss stimmen. Es geht nicht nur um das Angebot, sondern auch um den Verein, die Liga und die Stadt. Meine Familie und ich müssen uns wohlfühlen, in Antalya ist das der Fall.
Ist eine Rückkehr nach Deutschland noch ein Thema?
Nein, nicht mehr. Nach dem 1. FC Köln kann es keinen anderen deutschen Klub mehr für mich geben. Der FC ist mein Verein. Ich habe zwei, drei Anfragen vorliegen. Meine Familie und ich werden uns die Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu treffen.
Sie werden immer mal wieder mit einem Wechsel zu Gornik Zabrze in Verbindung gebracht. Das ist Ihr Lieblingsklub unweit ihres Geburtsortes Gleiwitz, bei dem Sie sich viele Jahre engagieren.
Jeder kennt doch meinen Bezug zu diesem Verein. In den Medien wird immer viel über das Thema spekuliert. Fakt aber ist: Bis heute gab es von Vereinsseite kein ernsthaftes, offizielles Angebot. Deshalb stellt sich aktuell das Thema nicht.
Der 1. FC Köln kämpft erneut gegen den Abstieg. Wie beurteilen Sie die Lage?
An der hat sich in den vergangenen Jahren ja nicht wirklich etwas verändert. Es herrscht immer noch zu viel Unruhe und Chaos im Klub. Bei den Möglichkeiten, die dieser große Verein eigentlich hat, muss viel mehr herumkommen. Aber das sage ich ja nicht zum ersten Mal. Fast hat es den Anschein, als läge ein Fluch über dem FC und der Stadt.
Glauben Sie, dass sich in naher Zukunft mal grundlegend etwas an der Situation ändern kann? Sehen Sie den FC dafür richtig aufgestellt?
Das sehe ich nicht. Ich verfolge das von außen und vielleicht irre ich mich ja: Aber beim FC hat man weiter das Gefühl, dass im Klub mehr ein Gegeneinander denn ein Miteinander herrscht. So wird der Verein nicht vorankommen.