Löw-NachfolgeWarum Bayern-Trainer Hansi Flick Raum für Spekulationen lässt
Am Freitagmittag um 12 Uhr trat der Idealkandidat vor die Kameras und kannte jede einzelne Frage, die ihm gestellt werden würde. Und als er die Antworten gab, war es so, als hätte man auch jede einzelne Antwort schon gekannt. Nein, sagte Hansi Flick, er habe sich nicht mit dem Gedanken beschäftigt, ob er im Sommer der Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw werden wolle und verwies auf sein gültiges Arbeitspapier: „Ich habe Vertrag bis 2023 und möchte hier bei Bayern München noch sehr erfolgreich arbeiten.“ Sehr oft verwendete der 56-Jährige vor dem Spiel beim SV Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr) auch die Bezeichnung „Hier und Jetzt“. So bleibt ein Raum für Spekulationen, der nur mit einer Basta-Ansage zu beenden gewesen wäre, wie sie zwei Tage zuvor Jürgen Klopp („Ich stehe nicht zur Verfügung. Selbst wenn sie mich in Liverpool rauswerfen würden“) gemacht hatte.
Eine solche Botschaft läge allerdings nicht im Naturell des Bayern-Trainers, der mit der Nationalmannschaft 2014 Weltmeister geworden war. Flick ist ein großer Moderator, sein ausgleichendes Wesen und seine Vergangenheit als Löw-Assistent (2006 - 2014) machen ihn zu einem logischeren Kandidaten für den Bundestrainerjob als der exzellente Fachmann Ralf Rangnick (RB Leipzig, Hoffenheim, Schalke 04), der bereit stünde, aber mit dem Makel behaftet ist, ein schwieriger und dickköpfiger Trainer zu sein. Allerdings ist überhaupt nicht gewiss, ob ein erneuter Wechsel zum DFB in die Planungen von Hansi Flick passen würde, denn nach Jahren der Verbandstrainer-Arbeit und Direktoren-Tätigkeit war es der tägliche Umgang mit Weltklassespielern auf dem Trainingsplatz, in der er sich innerhalb kürzester Zeit in München neu erfunden hat. Ein Bundestrainer sieht seine Mannschaft selbst in Turnierjahren maximal vier Monate im Jahr. Der Rest ist Beobachtung, Reden und Nachdenken. Auch in der Bezahlung wird der DFB, selbst wenn er seine Schatulle ganz weit öffnet, nicht mit einem der erfolgreichsten Vereine der Welt mithalten können.
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Wie all diese Überlegungen in ihm arbeiten, wollte Flick am Freitag nicht mitteilen. Er blieb eisern bei seiner Stand-Jetzt-Diplomatie, die auch locker der Frage nach seinem Verhältnis zu Sport-Vorstand Hasan Salihamidzic standhielt. Hier sehen Beobachter die größte Sprengkraft im Verhältnis des Trainers zum Verein. Wenn es nach Flick ginge, würde David Alaba den Rekordmeister im Sommer nicht verlassen. Ein verdienter Spieler wie Jérôme Boateng wäre derzeit von Juli an nicht vertragslos. Auch die Personalie des hinter Manuel Neuer unglücklichen Ersatztorhüters Alexander Nübel, der auf Ausleihe und Spielpraxis drängt, wäre unter Flick von Beginn an anders behandelt worden. Denn der Plan, dem 24-Jährigen hin und wieder Spielpraxis zu geben, wie ihn Salihamidzic bei der umstrittenen Verpflichtung verfolgt hatte, ist mit Flick und auch Stammtorhüter Manuel Neuer nicht zu machen.
Flick verschweigt gar nicht erst, dass es hin und wieder Auseinandersetzungen mit dem Sport-Vorstand gibt. Aber er beschreibt sie als Normalität in der gemeinsamen Arbeit. „Auch in einer Partnerschaft kommt es mal zu Unstimmigkeiten“, sagt der Trainer, „wir sind beide bei Bayern München angestellt und treffen unsere Entscheidungen zum Wohl des FC Bayern. Es ist eine ganz normale Zusammenarbeit.“ Womöglich lässt Flick auch aus diesem Grund die Tür für Spekulationen einen Spalt offen, weil das seiner Stellung im Machtgefüge des FC Bayern nicht schaden kann.
Der Klub hatte aber durch seinen 2022 scheidenden Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge klar gemacht, dass er unter keinen Umständen gedenkt, seinen Erfolgstrainer an die Nationalmannschaft abzugeben. Man werde, sagte Rummenigge, nicht die Probleme des DFB lösen. Dem Vernehmen nach geht der Verband nicht in die Offensive, um seinen wichtigsten Spielerlieferanten nicht zu verärgern. Das muss er aber auch nicht. Am Ende liegt die Entscheidung alleine bei Flick.
Keinen Interpretationsspielraum lässt der Trainer zu, wenn er über seine aktuelles Team spricht, mit dem ihn die Erfahrung von sechs Titelgewinnen innerhalb weniger Monate verbindet: „Ich habe eine Mannschaft, die absolut top ist. Ich habe einen Staff, mit dem ich viel Spaß habe.“ Insgesamt sei alles vergleichbar mit seiner glücklichen Zeit beim DFB. Aber weder die Vergangenheit, noch die Zukunft seien von Interesse, nur das Jetzt, erklärte der Trainer wie ein buddhistischer Lehrer im Gespräch mit seinen Schülern.