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Vier Berater sprechen über Frauenfußball„Ich tue mich schwer mit Equal Pay“

Lesezeit 6 Minuten
Magull Finale

Die deutschen Fußballerinnen nach dem verlorenen EM-Finale

London – Vier Berater aus dem Frauenfußball zu vier Fragen: Was sie zu Gehältern und Ablösesummen sagen – und was Verbände und Vereine nach der EM in England tun sollten.

Halten Sie die Bezahlung im deutschen Frauenfußball insgesamt für angemessen?

Dietmar Ness: Grundsätzlich plädiere ich zuerst immer dafür, dass wir die gleichen Bedingungen vorfinden – egal ob eine Fußballerin beim FC Bayern oder SV Meppen spielt. Das sind Grundvoraussetzungen. Natürlich ist es wünschenswert, dass die Spielerinnen Top-Gehälter erhalten, wie das auch bereit in Lyon, Paris, Barcelona oder bei Chelsea der Fall ist. Aber es sollte bei diesen Diskussionen dafür gesorgt sein, dass die Bedingungen in den Vereinen auf dem gleichen Top-Niveua sind wie bei den Männern. Das muss der Standard sein.

Felix Seidel: Geld darf nie der Antrieb sein. …. Aber nach wie vor gibt es Spielerinnen, die in der Bundesliga auflaufen und von ihrem Gehalt nicht mal ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Da läuft in der Breite etwas schief, da ist Handlungsbedarf. Das tut dem sportlichen Wettbewerb nicht gut und teilt die Liga in eine Zweiklassengesellschaft.

Jörg Neblung: Das kann ich klar verneinen. Ich nehme mir beispielsweise seit vier Jahren kein Geld aus meiner Fem11 GmbH, sondern reinvestiere alles in Mitarbeiter, Performance Trainer, Office und alle weiteren Kosten. Das mache ich, weil ich an die Perspektive des Fußballs der Frauen glaube, an mein Start-Up. Aktuell kann mein Aufwand, den ich persönlich fahre, nur durch Einnahmen aus anderen Bereichen gedeckt werden.

Henner Janzen: Was ist schon angemessen? Wer bestimmt das eigentlich? Fragen Sie mal einen Bauarbeiter oder eine Pflegekraft. Und dennoch lieben sehr viele Fußball. Profi-Spielerinnen und Spieler sind wegen ihrer Gabe auf ihrem Gebiet unersetzlich, wie Top-Schauspielerinnen auch. Und ich darf mit meinem Hobby Geld verdienen und kann mir jeden Tag ein Steak leisten. Alles gut.

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Wie stehen Sie zur Equal-Pay-Debatte und der Forderung nach einem Mindestgehalt?

Dietmar Ness: Ein Mindestgehalt finde ich angemessen und sollte umgesetzt werden. Ich gebe Lina Magull vollkommen Recht. Während der EM erhielt ich einen Anruf eines Vaters, da seine Tochter bei einem Frauen-Bundesligisten nur unter größten Schwierigkeiten über die Runden kommt und auf Unterstützung ihrer Eltern angewiesen ist.

Felix Seidel: Mir steckt bei gewissen Äußerungen zu viel Populismus dahinter. Es bedarf schon genauer Kenntnisse, um eine fundierte und marktgerechte Forderung zu stellen. Ich kenne keine deutsche Spielerin, die nach gleicher Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen schreit. Giulia Gwinn hat es sehr treffend auf den Punkt gebracht: Es geht den Spielerinnen zunächst um Equal Play statt um Equal Pay. …Es kann nicht sein, dass eine Profi-Fußballerin nebenbei noch 40 Stunden arbeiten muss.

Jörg Neblung: Ich tue mich schwer mit Equal Pay: In meiner Welt wird man über Angebot und Nachfrage bezahlt. Wenn niemand mehr Ringen sehen möchte, wird dieser Sport eben wenig Sponsoren und Zuschauer anlocken und fliegt sogar irgendwann aus dem olympischen Programm. … Diesem Prinzip unterliegt jeder Sport - genderunabhängig. Aber wir brauchen dringend einen Mindestverdienst über die Einführung einer Profiliga in Deutschland, so wie es uns bereits andere Länder vorgemacht haben, zuletzt Italien.

Henner Janzen: Gleiches sollte generell gleich belohnt werden. Die Frage ist doch aber, was gleich ist. Ich kann es wirklich beurteilen, dass das Geschäft des Männerfußballs sehr viel härter ist. Wer hier nach oben kommt, der musste durch ein viel engeres Sieb. Auf der anderen Seite geht es um Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft, für die ich sehr bin. … Ein Anhänger von Mindestlöhnen in Vereinen bin ich ebenso nicht wie von Gehaltsobergrenzen.

Die Berater

Dietmar Ness (55) betreut derzeit 18 Spielerinnen. Deutsche EM-Spielerinnen: Linda Dallmann, Ann-Katrin Berger, Kathrin Hendrich.

Felix Seidel (40) managt 40 Profifußballerinnen. Deutsche EM-Spielerinnen: Giulia Gwinn und Sydney Lohmann.

Jörg Neblung (54) betreut 40 Klientinnen. Parallel weit verzweigt im Männerfußball tätig. Deutsche EM-Spielerinnen: Klara Bühl und Almuth Schult.

Henner Janzen (53) betreut rund 30 Spielerinnen, die bekannteste ist Melanie Leupolz, die wegen ihrer Schwangerschaft fehlte.

Bislang wechseln die Spielerinnen meist nur bei auslaufenden Vertragen? Wann ist die erste Millionen-Ablöse im Frauenfußball möglich?

Dietmar Ness: Ich denke in den nächsten fünf Jahren wird diese Schallmauer durchbrochen werden. Aber nicht in Deutschland.

Felix Seidel: In der Spitze nähern wir uns in allen Bereichen dem Männerfußball an. Die Vertragslaufzeiten werden länger, so dass in Zukunft Ablösesummen Regel statt Ausnahme sein werden. Noch sind wir von einem Millionentransfer weit entfernt. Ich halte ihn aber in einigen Jahren für möglich. Der internationale Wettbewerb um die Top-Stars der Branche wird immer intensiver.

Jörg Neblung: Ich bin der Meinung, dass wir bereits den ersten Millionentransfer hätten haben können, wenn die Spielerin es gewollt hätte. Es wird nicht mehr lange dauern, die Entwicklung spricht eine eindeutige Sprache. Und wir müssen dringend zu einer Ausbildungsentschädigung kommen, die den Ausbildungsvereinen eine Entlohnung ihrer Aufbauarbeit ermöglicht.

Henner Janzen: Der Trend geht in diese Richtung. Der erste Millionendeal wird meines Erachtens erheblich unter dem Gesichtspunkt der Vermarktung stehen. Er mag bald kommen, obwohl wir uns eigentlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten befinden.

Was muss getan werden, um in Deutschland den Rückenwind dieser EM zu nutzen?

Dietmar Ness: Es muss mehr Sichtbarkeit geben. Dafür sind auch die Medien mit in der Verantwortung. Er reicht nicht aus nur bei großen Turnieren in dieser Größenordnung und Vielfalt zu kommunizieren. Sichtbarkeit auch für den Bundesliga-Alltag ist da A und O, um den Frauenfußball in Deutschland weiter nach vorne zu bringen.

Felix Seidel: Wir können jetzt schnell nach mehr TV-Präsenz und mehr medialer Berichterstattung rufen. Natürlich würde das helfen. Ich sehe aber vor allem auch den DFB in der Verantwortung. Es muss gelingen, die Basis zu stärken und mit frischen Ideen wieder mehr Mädchen zum Fußballspielen zu animieren. …Das Feuer extern nur auszurufen und intern nicht zu entfachen, reicht nicht aus. Das gilt für die Vereine gleichermaßen.

Jörg Neblung: Ich denke der DFB hat gemerkt, dass man einiges verschlafen hat. Professionelle Strukturen kosten Geld, auch in der 2. Frauen-Bundesliga muss ein Verein quer durch Deutschland nach München oder Potsdam reisen, aber der Verband hilft da nicht. Woher soll dann das Geld für eine Flutlichtanlage oder eine hauptamtliche Physiotherapeutin kommen?! Die Triebfeder in Deutschland sind eindeutig die Profivereine der Männer, die sich nun verstärkt dem Thema annehmen. … Nur so kriegen wir in drei, vier Jahren eine Profiliga, die den Namen auch verdient.

Henner Janzen: Generell ist die Frauen-Bundesliga nicht so schlecht, wie wir sie machen. Dennoch verkauft sich England erheblich besser in der Außendarstellung. Wir hinken in Vermarktungsfragen hinterher und müssen für Talente wie auch für Topstars so attraktiv sein, dass sie eben nicht in die Konkurrenzligen wollen. Wir werden die großen Vereine und ihre Namen benötigen.