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Handballer im PorträtWas Patrick Wiencek zum Topspieler macht

Lesezeit 5 Minuten
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Ein Kreisläufer hebt ab: Patrick Wiencek im Ligaspiel gegen Frisch Auf Göppingen. 

Köln – Fast alle Handballer-Porträts erzählen von harten Männern. Von Männern wie Baumstämmen. Von Helden. Da wäre es naheliegend, so auch über Patrick Wiencek zu schreiben. 33 Jahre alt, zwei Meter groß, über 100 Kilogramm schwer. So weit, so furchteinflößend.

An diesem Wochenende kämpft Wiencek mit dem THW Kiel erneut um den Champions-League-Titel in der Lanxess-Arena. „Bam-Bam“, wie sie ihn auf dem Feld nennen, ist wieder mittendrin.

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Auch am Sonntag möchte Wiencek wieder lachen - dann vielleicht mit Trophäe.

Aber das Bild vom harten Handball-Mann ist nur eine Facette des Patrick Wiencek. Weggefährten, Ex-Trainer, Mitspieler sind wichtige Quellen, um dieses Phänomen zu erklären. Der kleine Junge aus Duisburg hat es weit gebracht – zum Rekordspieler, Handballer des Jahres, Publikumsliebling. Aber wie?

Für Oliver Roggisch, früher selbst Handballprofi und heute Teammanager beim Deutschen Handballbund, hat der Erfolg viel mit Wienceks Persönlichkeit zu tun. „Wir haben uns kennengelernt bei einem Allstar-Spiel der Nationalmannschaft in Leipzig“, sagt er. „Ich kam etwas später an als er, wir teilten uns ein Zimmer. Und als ich da reinkam, saß Bam-Bam nicht auf dem Bett, sondern am Schreibtisch.“ Warum? „Er wollte mir, dem älteren Spieler, wohl den Vortritt lassen.“

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Höflich, zurückhaltend, ein wenig schüchtern. So beschreiben viele Weggefährten Patrick Wiencek. „Bam-Bam ist ein ganz lieber, netter Kerl“, sagt Roggisch. „Das merken die Leute in seinem Umfeld, und das merken auch die Fans.“

Man kann das in diesen Tagen auch in Köln erleben. Freitagmittag, ein Hotel an der Messe. Es ist „Media Call“, die letzte Veranstaltung vor dem Turnier. Alle Teams – Veszprém, Kielce, Kiel und Barcelona – haben ihre Spieler geschickt. Fragen und Blitzlichter prasseln auf die Stars herein. 

Kein Hitzkopf abseits des Platzes

Wiencek bringt das nicht aus der Ruhe. Er steht etwas abseits, die Hände lässig in der Sporthose vergraben, schwarze Schlappen an den Füßen. Jede Frage beantwortet er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Herr Wiencek, Sie kommen aus NRW und haben in Gummersbach gespielt. Ist das Final Four in Köln ein Heimspiel?

Für mich ist Köln eine der schönsten Städte in Deutschland. Ich habe meine Frau hier kennengelernt. Deshalb freue ich mich immer, hier zu sein. Auch wenn wir leider nicht viel von der Stadt mitkommen werden, da wir am Wochenende ganz andere Probleme haben.

Aufgewachsen sind Sie in Duisburg. Wie viel vom Ruhrpott ist noch übrig?

Eine ganze Menge. Ich hab’ immer noch diese Ruhrpott-Einstellung, das hat mich geprägt. Und ohne die wäre ich auch nie dorthin gekommen, wo ich heute bin.

Angefangen haben Sie beim MSV Duisburg. Was verbinden Sie mit dem Verein?

Wir waren damals eine kleine Clique, unsere Eltern waren alle gut befreundet. Das war eine wirklich schöne Zeit. Wir sind sogar Westdeutscher Vizemeister geworden.

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Gibt's das in Köln auch? Bam-Bam im Jubeltaumel.

Eine goldene Generation sei dieses Team um Patrick Wiencek gewesen, erinnert sich Jochen Pusch, heute Präsident beim MSV Duisburg Handball. „Er war damals schon einer, der kraftmäßig herausragte“, sagt Pusch. „Wie gemacht für die Kreisläuferposition.“

Patrick Wiencek findet Gefallen daran, formt sich seine Rolle. Auf dem Feld ist er erbarmungslos, ein Genie mit Brechstange. Nach der Westdeutschen Vizemeisterschaft geht es deshalb weiter für ihn, auf Wanderschaft nach Düsseldorf, Solingen, zu TuSEM Essen.

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Kämpft um jeden Millimeter: Patrick Wiencek.

Wo haben Sie am meisten gelernt?

Das sind überall so Kuchenstücke gewesen. Am meisten habe ich aber bei TuSEM Essen gelernt. Der damalige Trainer, Krzysztof Szargiej, wollte mich unbedingt haben. Er hat mir irgendwie alles beigebracht und ich hab mir viel von ihm abgeschaut.

Gibt es eine Lektion, an die Sie noch heute jeden Tag denken?

Mein Trainer damals war noch von der alten Schule, der hat uns immer hart rangenommen. Sein Spruch war: Wenn man erfolgreich sein will, muss man auch viel trainieren. Das ist mir im Kopf geblieben.

Fleiß ist die dritte herausragende Qualität des Patrick Wiencek. In Essen lässt er kaum eine Einheit sausen, oft trainiert er mehrmals täglich. Die Ausbildung zum Anlagenmechaniker schließt er ab. Danach gibt es nur noch Handball.

Er wechselt zum VfL Gummersbach, spielt Bundesliga. „In der Jugend war er manchmal noch etwas ungestüm“, sagt Christoph Schindler über ihn, der damals mit Wiencek zusammenspielte und heute Sportdirektor des VfL ist. „Diese Körperlichkeit hat er nach und nach besser justiert. Da war viel Arbeit und viel Fleiß dabei.“

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Ein Traumduo: Hendrik Peker (links) und Patrick Wiencek.

Wie haben Sie sich auf das Halbfinale gegen Barcelona vorbereitet?

Seitdem feststand, dass uns der zweite Platz in der Liga nicht mehr zu nehmen war, beschäftigen wir uns im Training mit Barcelona. Spiele gegen solche Mannschaften sind immer speziell, weil am Ende Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Mit Hendrik Pekeler und Sander Sagosen fehlen Ihnen zwei Stammkräfte. Erhöht das den Druck für Sie als Führungsspieler

Eigentlich nicht. Wir wissen alle, worauf es ankommt. Jeder muss im Spiel seine Entscheidungen treffen. Und jeder muss für den jeweils anderen einstehen.

Womit man schließlich doch bei den harten Handball-Männern wäre. Denn ein bisschen Held sein muss er schon. „Patrick ist ein Handballer, der genau für solche Momente geboren ist“, sagt Filip Jicha, sein Kieler Trainer. „Er weiß: Durch die Ausfälle muss er jetzt 60 Minuten durchspielen, ohne Wenn und Aber. Aber Patrick gibt als Spieler eben alles.“