Haie-Kapitän Moritz Müller„So etwas möchte ich nie, nie wieder erleben“
- Hinter den Kölner Haien liegt eine desaströse Saison, am Ende wurden die Playoffs verpasst. Die Endrunde wurde aufgrund der Corona-Krise dann abgesagt.
- Im Interview spricht KEC-Kapitän Moritz Müller über das schlechte Jahr der Haie und seinen Alltag in der aktuellen Krise.
- „Vielleicht sollten wir überdenken, wie gerecht unsere Gesellschaft und unser Wertesystem sind. Wer, für die Lasten, die er trägt, wie entlohnt wird. Und ob das fair ist“
Köln – Herr Müller, geht es Ihnen und Ihrer Familie gut?
Ja, uns geht es sehr gut.
Alle sind zu Hause, Ihre Frau und Ihre zwei kleinen Töchter, vier und zwei Jahre alt?
Ja. Meine Frau, die Lehrerin ist, ist sowieso noch bis Oktober im Mutterschutz. Die Kita hat geschlossen, so sind wir alle zu Hause versammelt.
Zur Person
Moritz Müller, geboren am 19. November 1986 in Frankfurt, zwei Töchter. Müller, früher Stürmer, heute Verteidiger, kam 2002 zu den Junghaien. Seit 2003 ist er durchgehend Haie-Profi und seit zwei Jahren Kapitän der Kölner. Müller hat 151 Länderspiele für die A-Nationalmannschaft bestritten und gehörte 2018 zu dem Team, das in Pyeongchang olympisches Silber gewann. Seit 2019 ist er auch Kapitän der Nationalmannschaft. (cm)
Normalerweise, also ohne Coronavirus-Krise, würden Sie wohl noch Eishockey spielen und sich mit der Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft vorbereiten?
Klar, normalerweise wäre ich jetzt sechs Wochen mit der Nationalmannschaft unterwegs. Danach noch die WM, ich wäre also fast zwei Monate am Stück weg gewesen. Meine Frau ist schon froh, dass sie nicht allein ist mit den Kids.
Sie sind seit 2003 Profi der Kölner Haie. Einen so langen Eishockey-Sommer haben Sie noch nicht erlebt, oder?
So wie jetzt – das hatte ich noch nie. In den letzten acht Jahren habe ich immer nach der DEL-Saison noch die WM gespielt, das spürt man natürlich körperlich. So ist es vielleicht ganz gut, dass ich, auch nach der Verletzung, die ich hatte, den Innenbandriss im Knie, die Chance bekomme, mich richtig zu regenerieren.
Das heißt aber nicht, dass Sie gar nichts tun.
Nur die erste Woche nach der Saison habe ich wirklich gar nicht trainiert. Seitdem war ich viel Rennradfahren, und ich werde jetzt wieder vermehrt einiges zu Hause machen. Alles andere ist ja auch geschlossen oder untersagt. Solange das Leben so eingeschränkt ist, wird sich mein Training auf Rennrad, Laufen und Workouts im Garten beschränken.
Die DEL-Saison mit den Haien war ein Desaster, da Sie die Playoff-Teilnahme verpasst haben. Nun gibt es wegen der Krise keine Playoffs. Im Grunde haben Sie sich genau das richtige Jahr für das Versagen ausgesucht. Wie sehen Sie es?
Es hat sich für uns anders angefühlt. Wir haben die Playoffs klar verpasst, und dann kam der Virus.
Wären Sie als Tabellenführer in die Playoffs gegangen, so wäre die Enttäuschung nach der Absage aber sicher größer gewesen, oder?
Ja schon. Dann hätten wir uns aber während der Saison das ein oder andere graue Haar erspart.
Sie sprechen von der Serie von 17 Niederlagen zwischen Dezember und Februar. Ganz am Ende, nach dem Trainerwechsel von Mike Stewart zu Uwe Krupp, gab es ein paar gute Spiele. Macht das Mut für eine bessere sportliche Zukunft?
Ja, man hat am Ende gesehen, was möglich war. Wir hatten uns mit der Niederlagen-Serie in eine Situation gebracht, aus der wir keinen Ausweg fanden. Es ist oft der Vorwurf da: Die Jungs machen das extra, die spielen gegen den Trainer. Ich weiß nicht, wie die Leute es sich vorstellen. Es ist auf jeden Fall nicht so. Für mich als Profi war es die mit Abstand schlimmste Phase meiner Karriere. So etwas möchte ich nie, nie wieder erleben. Wir waren in einer Situation, aus der wir nicht wieder herauskamen. Jeder will mehr machen, verkrampft, und macht im Endeffekt weniger. Es brauchte einen Impuls von außen, um das Ganze wieder ins Lot zu bringen.
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Welche Lehren können Sie aus dieser schlimmen Phase ziehen?
Dass man es nie wieder so weit kommen lassen darf. Das ganze Konstrukt hat in diesem Moment einfach nicht mehr gepasst.
Sie hatten die Saisonabschlussgespräche mit Uwe Krupp, haben Ihre Trainingspläne bekommen…
… ja, wir haben uns alle mit Arne Greskowiak, unserem Fitnesscoach, zu Einzelgesprächen getroffen. Das Sommertraining beginnt laut Plan am 1. April. Aber, mal schauen. Wenn die Sperre für Gruppentraining bis dahin nicht aufgehoben ist, wird es wohl Individuallösungen geben.
Und wenn alles gut geht, werden Sie mit den anderen deutschen Spielern im Juni wieder aufs Eis gehen?
Wir haben in Köln das ganze Jahr über Eis, und es macht Sinn, es auch zu nutzen. Ich bin, wenn es dann geht, auf jeden Fall dabei.
Wie ist es für einen Profi, nach monatelanger Pause wieder auf Schlittschuhen aufs Eis zu gehen? Wie lange brauchen Sie, um wieder der Alte zu sein?
Wenn man das erste Mal nach dem Sommer aufs Eis geht, das glauben mir die Leute immer gar nicht, fühlt es sich an, als sei man 50 Prozent schlechter geworden. Bis man wieder komplett drin ist, braucht man zwei, drei Wochen mindestens. Es ist so. Wenn man irgendwo in der Spitze tätig ist, wenn man in seinem Berufsfeld unterwegs ist, wo das Schnellste und Beste stattfindet, ist es immer schwer, nahtlos wieder einzusteigen.
Und besonders im Eishockey, das koordinativ so anspruchsvollen ist?
Ja. Es geht um Sachen, die man im Alltag nicht hat. Wenn ich gehe, hat es ja wirklich nichts mit Schlittschuhlaufen zu tun. Nach meiner Verletzung im letzten Herbst hat es vier bis sechs Wochen gedauert, bis ich mich wieder wie vorher gefühlt habe. Bis die Spritzigkeit zurück war. Ich hatte neun Wochen ausgesetzt.
Was ist Ihre Hoffnung für die nächste Zeit in der Coronavirus-Krise?
Ich hoffe, dass die Infektionswelle nicht so schlimm wird wie befürchtet. Dass die Krankenhäuser, die Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte es bewältigt bekommen. Ich möchte auch einen großen Dank aussprechen. Man sieht, auf welche Leute es wirklich ankommt. Nicht auf irgendwelche Popstars oder Sportler. Es sind die unterbezahlten Pfleger und Krankenschwestern, die Ärzte, auch die Leute, die in den Supermärkten schuften, die Polizisten. Vielleicht sollten wir überdenken, wie gerecht unsere Gesellschaft und unser Wertesystem sind. Wer, für die Lasten, die er trägt, wie entlohnt wird. Und ob das fair ist.