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Kölner Medaillen-Gewinner Nelvie Tiafack
„Es hat mein Leben komplett verändert“

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 10.08.2024, Frankreich, Paris: Olympia, Paris 2024, Männer, +92kg, Deutschlands Nelvie Tiafack jubelt mit seiner Bronzemedaille. (zu dpa: «Würschtl bis Parmesansuppe: Was Sportstars Weihnachten essen») Foto: Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Nelvie Tiafack mit der olympischen Bronzemedaille

Der 25 Jahre alte Boxer gewann im Sommer Olympia-Bronze im Superschwergewicht. Im Interview spricht er über den Triumph von Paris, Stefan Raab und Mike Tyson.

Herr Tiafack, können Sie in wenigen Sätzen erklären, wie sich Ihr Leben seit der Bronzemedaille von Paris im Sommer verändert hat?

Ich bin einfach wahnsinnig viel unterwegs. Viele Termine, viele Ehrungen. Viele neue Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt. Ich bin jemand, der aus jeder Möglichkeit das Beste herausholen will. Ich habe immer ein Business im Kopf. Aus der einen oder anderen Bekanntschaft habe ich schon eine neue Geschäftsidee auf die Beine gestellt.

Was war Ihr persönliches Highlight nach Olympia?

Das Treffen mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (den Medaillengewinnern von Paris wurde das Silberne Lorbeerblatt verliehen, die höchste staatliche Anerkennung für Spitzenleistungen im Sport, d. Red.). Für jemanden wie mich, einen Jungen mit Migrationshintergrund, so nahe an den Bundespräsidenten zu kommen, ihm die Hand zu schütteln und sich kurz zu unterhalten, das scheppert nochmal anders (lacht). Auch dass meine Mama, die mir dieses ganze Leben ermöglicht hat, das mitbekommen darf, ist einfach ein absolutes Highlight.

Im November wurde Nelvie Tiafack von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) das Silberne Lorbeerblatt verliehen.

Im November wurde Nelvie Tiafack von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) das Silberne Lorbeerblatt verliehen.

Mitte September standen Sie auf einmal beim TV-Comeback vor einem Millionenpublikum in der Ringecke von Stefan Raab.

Ein weiteres Highlight, das mein Leben komplett verändert hat. Die Kirsche auf der Sahnetorte, wie man so schön sagt. Da ist mein Bekanntheitsgrad in Deutschland durch die Decke gegangen, da haben fast acht Millionen Menschen zugeschaut.

Wie ist es dazu gekommen?

Ich wurde von Stefan Raabs Team über Instagram kontaktiert. Ich habe zurückgeschrieben, dann kam eins zum anderen. Ich wurde vorgewarnt, dass Stefan mich persönlich anrufen würde. Das ist dann ein paar Minuten später geschehen.

Wie war Raab im persönlichen Umgang?

Völlig entspannt, sehr, sehr netter Typ. Nicht nur mir gegenüber – sondern allen Mitarbeitern der Veranstaltung. Manche Superstars spielen dir was vor, wenn sie etwas von dir wollen. Das war bei Stefan nicht so, das hat mir gut gefallen.

Er wollte, dass alle gut aussehen, er wollte eine grandiose Show. Und die ist ihm gelungen.
Nelvie Tiafack über Stefan Raab

Haben Sie geglaubt, dass er Regina Halmich besiegen hätte können?

Ja, wenn er es gewollt hätte und das Boxerische noch besser trainiert hätte.

Er hat sich Raab etwas zurückgehalten?

Das glaube ich. Er wollte, dass alle gut aussehen, er wollte eine grandiose Show. Und die ist ihm gelungen.

Nach Olympia-Bronze haben sie eine Profi-Karriere angestrebt. Wie ist der Stand der Dinge?

Läuft alles, ich habe mein Team zusammen, auch einen Trainer und eine Promotion in England. Gerade bin ich im Reha-Training. Ich mache Physio, Ausdauer und begleitetes Krafttraining, wo meine Baustellen behandelt werden. Sobald ich bei 100 Prozent bin, geht es richtig los. Ich rechne damit, dass ich Ende Februar oder Anfang März 2025 mein Profi-Debüt im Ring geben werde.

Steht schon ein Gegner fest?

Nein. Sobald ich mein „Go“ gebe, gucken wir, welche Veranstaltungen anstehen und welche Kämpfe passen könnten. Das kann dann relativ schnell gehen – weil ja nicht extra ein Event nur für mich aufgezogen wird.


Zur Person: Nelvie Tiafack (25), geboren in Buea (Kamerun), kam mit acht Jahren nach Deutschland und begann als Teenager mit dem Boxsport beim SC Colonia 06. 2022 gewann Tiafack EM-Gold, 2024 Olympia-Bronze in Paris – als erster Deutscher überhaupt im Superschwergewicht. 2025 will er sein Debüt im Profibereich feiern. (ckr)


Sie werden Teil des Vorprogramms eines bereits feststehenden Kampfes sein.

Genau richtig.

Sie wollten sich keiner deutschen Promotion anschließen. Wie steht es um das heimische Profiboxen?

Der deutsche Profi-Boxsport ist leider quasi nicht existent, den gibt es einfach nicht. Nicht im Fernsehen, nirgends. Es wird nicht dafür geworben. Und ich habe keine Lust, vor 500 Leuten zu boxen, das habe ich schon vor vielen Jahren gemacht.

Der deutsche Profi-Boxsport ist leider quasi nicht existent, den gibt es einfach nicht
Nelvie Tiafack

Werden Sie dauerhaft ins Ausland gehen?

Nein, mein Lebensmittelpunkt wird hier in Köln und Bergheim bleiben. Sobald dann ein Kampf feststeht, geht es rüber nach England zu meinem Proficoach und zum finalen Trainingslager. In Deutschland werde ich weiter mit meinem Amateurcoach Lukas Wilaschek trainieren. Alle sind miteinander connected.

Gibt es noch Kontakt zu ihrem Heimatverein, dem SC Colonia 06?

Nein, einen Kontakt zum SC Colonia gibt es nicht mehr, aus persönlichen Gründen.

Sie haben Mike Tyson als Ihr großes Vorbild genannt. Wie wirkte er für Sie bei seinem Showkampf gegen Jake Paul?

Ich wusste, dass diese Frage kommt (lacht). Ich möchte das gar nicht bewerten, es war ja auch kein echter Boxkampf. Jeder, der sich mit dem Boxsport auskennt, wird das auch so sehen. Das Event will ich nicht verurteilen, im Gegenteil, das feiere ich. Für die 50 Millionen Euro hätte ich das auch gemacht.

Der Fight hat diverse Zuschauer- und Einnahmen-Rekorde gebrochen. Sind solche Veranstaltungen mit eher zweifelhaftem sportlichem Wert die Zukunft des Boxens?

Es würde mir keine Sorgen machen. Im Vorprogramm gab es zwischen Katie Taylor und Amanda Serrano einen der besten Frauen-Boxkämpfe aller Zeiten. Ohne Jake Paul und Mike Tyson hätten die beiden niemals so eine Bühne bekommen, die hatten 40 Millionen Zuschauer. Solange es bei solchen Events auch echte Boxkämpfe gibt, finde ich es super. Denn unter einem helleren Licht werden sie vielleicht nie kämpfen können.

Wie steht es aus Ihrer Sicht um die olympische Zukunft des Boxens? Noch immer droht der Sportart das Aus für Los Angeles 2028.

Ich hoffe, dass es noch eine Wende gibt, ich gucke aber auch nur von außen darauf. Aber ich kann mir um Gottes Willen nicht vorstellen, dass es in den USA und in L.A., einem Box-Mekka, Olympische Spiele ohne Boxen gibt.