Der 53-jährige Ex-Profi soll das Team des SC Fliesteden in die Landesliga führen.
Legende des 1. FC KölnMatthias Scherz feiert in der Provinz seine späte Premiere als Trainer
Matthias Scherz feiert eine späte Premiere. Mit schlanken 53 Jahren steigt der gebürtige Niedersachse beim Fußball-Bezirksligisten SC Fliesteden ins Trainergeschäft ein. Die FC-Legende ist jedoch längst nicht der einzige ehemalige Spieler des 1. FC Köln, der in der Provinz Station macht.
Scherz ist ein Spätberufener. Jedenfalls im Vergleich zu den gängigen Lebensläufen von Berufsfußballern, die heutzutage ihren ersten Profivertrag nicht selten schon vor dem Führerschein in der Tasche haben. Scherz indes hielt sich noch mit Anfang 20 beinahe unbemerkt im Hinterland auf. Beim Sportverein Rot-Weiß Scheeßel, zwischen Bremen und Hamburg gelegen und nur wenige Kilometer von seinem Geburtsort entfernt.
Matthias Scherz erzielte für den 1. FC Köln in 291 Spielen 71 Tore
Über die zweite Mannschaft des FC St. Pauli und seine ersten Profispiele bei den Kiezkickern wechselte er mit 27 Jahren zum 1. FC Köln, für den er in den beiden höchsten Spielklassen insgesamt 291 Partien (71 Tore) absolvierte. Mit dem Geißbock auf der Brust durchlebte der schnelle Flügelspieler in zehn Jahren (1999 bis 2009) alle Höhen und Tiefen. Unvergessen sind die vier Aufstiege in die Bundesliga. In der Saison 2002/2003 traf er 18 Mal.
Scherz, der ewig Lächelnde, genießt in der Kölner Fangemeinde Kultstatus. Um das Trainerbusiness, in das einige seiner einstigen Weggefährten eingestiegen sind, hat er stets einen weiten Bogen gemacht. Zumindest hatte ein Einstieg in die Branche keinen erkennbaren Stellenwert. Scherz setzte nach seiner aktiven Spielerlaufbahn andere Prioritäten und engagierte sich, wo immer es ging, in seinem unmittelbaren Umfeld in karitativer Weise. Am liebsten im Stillen. Viel Aufhebens um seine Person macht er nicht. Das Rampenlicht war noch nie sein Ding.
Nun, ein paar Fahrradminuten von seinem Wohnort entfernt, will der gelernte Industriemechaniker den Sport-Club Fliesteden im Bergheimer Nordosten als Trainer aus der siebten in die sechste Liga führen. Für die 2000-Seelen-Gemeinde wäre das Neuland. Ebenso wie für Scherz selbst. Noch nie in der Historie des Klubs ging es über die Bezirksliga hinaus. Mit dem Kultkicker soll es gelingen.
Der Wahl-Pulheimer ist ein gewinnender Typ, ein Menschenfreund. Für ihn ist das Glas immer halbvoll. Und obgleich Scherz nicht eine aktive Trainerminute vorzuweisen hat, kommt er mit reichlich Erfahrungsschatz um die Ecke. Zehn Trainer leiteten ihn allein in seiner Zeit beim 1. FC Köln an. Darunter so klangvolle Namen wie Christoph Daum, Huub Stevens, Friedhelm Funkel und Ewald Lienen. In den Trainingsinhalten und Ansprachen dürfte er vermutlich die gesamte Bandbreite des Erlebbaren erfahren haben.
Über einen Freund sei ihm die Aufgabe angetragen worden. Und ja, er habe „Bock darauf“, meinte Scherz bei seiner Vorstellung. Lange zögern musste er nicht. Das dürfte wohl auch ein Indiz für die verfügbare Kaderqualität sein. Das erste Training unter seiner Führung ist für den 13. Januar angesetzt. Nach Ablauf der Hinrunde liegt Fliesteden nur einen Punkt hinter dem Spitzenreiter. Sein Engagement ist zunächst einmal bis zum Saisonende befristet. Alles sei per Handschlag vereinbart worden, so Tobias Kalscheuer. Der 42-Jährige verantwortet gemeinsam mit Oliver Mödder die sportlichen Belange im Klub.
Matthias Scherz soll mit Manuel Glowacz und David Bors für den Aufstieg des SC Fliesteden sorgen
Bereits im Sommer hatte der SC Fliesteden mit der Verpflichtung von Manuel Glowacz (37) einen Coup gelandet. Der Mittelfeldspieler spielte von 2005 bis 2008 für die Kölner Amateure und absolvierte 325 Regionalligaspiele. In der Aufstiegssaison des FC Pesch war er mit 33 Torbeteiligungen der Unterschiedsspieler schlechthin. Natürlich ist er auch beim SC Fliesteden eine feste Größe. Er gibt den Takt vor, bestimmt den Rhythmus.
Glowacz, der Sohn des ehemaligen FC-Spielers Jürgen Glowacz (72), fädelte nunmehr den jüngsten Deal ein und machte auch David Bors (29) einen Wechsel in die Peripherie schmackhaft. Bors, in seiner Zeit beim 1. FC Köln (2010 bis 2016) und danach als Mittelstürmer für Tore zuständig, kommt seither auf 98 Regionalligaeinsätze (30 Tore). Sein letzter Auftraggeber war Eintracht Hohkeppel. Gemeinsam könnte das magische Dreieck womöglich den Unterschied ausmachen, an deren Ende der Aufstieg in die Landesliga stehen soll.
„Ich bin gekommen, um Tore zu schießen und mit Fliesteden in die Landesliga aufzusteigen“, meint Bors, der sich nach eigenen Angaben in den zurückliegenden Monaten nicht auf die faule Haut gelegt, sondern mit Tennis und Paddle-Tennis auf Trab gehalten hat. In seiner Zeit beim 1. FC Köln war er vor allem für seine Schlitzohrigkeit auf dem Platz und gute Laune in der Kabine bekannt. Obwohl er sich mit seiner Vorliebe für leicht tanzbare Schlagermusik im Kreis der hip-hoppenden Mehrheit nicht nur Freunde gemacht haben soll. Seiner Vorliebe ist er bis heute geblieben.
Dass das Kölner Ensemble vor allem wegen des Geldes seine Dienste in Fliesteden anbiete, habe Kalscheuer oft vernommen, richtiger werde es dadurch aber nicht, wie er sagt. „Natürlich geht es nicht ohne Geld. Und ja, wir haben einige großzügige Gönner. Wir sind da breit aufgestellt. Verrückte Sachen machen wir aber nicht. Die Jungs haben Spaß miteinander. Wir sind wie eine Familie. Wir unterstützen uns und können uns aufeinander verlassen. So ist es das auf dem Dorf. Und das ist Gold wert.“