Die deutsche Fußball-Nation liegt darnieder nach einer Serie peinlicher Niederlagen. Was wir von den deutschen Basketballern lernen können.
Kommentar zu DFB-DebakelBasketball als Schutzschild gegen die deutsche Peinlichkeit
Als die Sport-Nation Deutschland innerhalb weniger Minuten Basketball-Weltmeister wurde und nach einer Serie peinlicher Niederlagen ihren Fußball-Bundestrainer aus dem Amt entfernte, waren meine spontanen Gedanken, hier nah am Original und für das Medium gesäubert in Worte gefasst: „Weltmeister, Weltmeister, wir sind Weltmeister im Basketball! Nehmt das, ihr Fußballer, die ihr das nicht hinkriegt und jetzt schon gegen Japan mit 1:4 verliert. Ihr Pfeifen, nehmt euch ein Beispiel an diesen Jungs!!!“
Der innere Bewusstseinsstrom fließt roh und ungezähmt. Er hat sich in diesem Moment gewünscht, dass etwas von dem sensationellen Basketball-Erfolg überschwappen möge in den Bereich unseres Nationalsports, der mehr als ein halbes Jahrhundert lange eine tragende Säule deutscher Selbstdefinition war. Wir mögen vor den Augen der Welt humorlos sein, unelegant, spießig und pedantisch. Aber der Fußball hat uns vor Spott beschützt. Die Definition des englischen Idols Gary Lineker, wonach Fußball ein Spiel sei, bei dem sich 22 Menschen auf dem Rasen treffen und am Ende immer Deutschland gewinnt, haben wir als beste Turniernation der Welt, die auch in Krisenzeiten immer noch Vizeweltmeister wurde, wie einen Orden aus purem Gold getragen. Er ist uns abhandengekommen.
Unsere Nationalmannschaft kann nicht mehr gewinnen
Unsere Nationalmannschaft kann nicht mehr gewinnen. In diesem von immer mehr Unsicherheiten geprägten Leben ist eine Konstante der Sicherheit weggebrochen. Es gibt dieses Schutzschild gegen deutsche Peinlichkeit nicht mehr. Man könnte das als Kulturbruch bezeichnen. Die Welt lacht, wenn sich unsere Nationalelf von Japan mit 1:4 Toren aus dem eigenen Stadion schießen lässt. Wir können es nicht mehr. Und dann kommen diese Basketballer, werden Weltmeister und zeigen, wie es geht.
Der Wunsch nach einem Handbuch der zehn Lehren, die der deutsche Fußball vom Basketball übernehmen sollte, ist ebenso verständlich wie naiv. Die Sportarten sind in ihrem Wesen sehr verschieden. Zunächst einmal: Ein Basketball-Team besteht aus fünf Menschen. Ein Fußballspiel aus elf. Hier reicht es nicht, wenn zwei Brüder (Franz Wagner, Moritz Wagner) und zwei Freunde aus Kindertagen (Dennis Schröder, Daniel Theis) mit ein paar talentierten Weggefährten zu einer verschworenen Einheit finden, an der sich alle die Zähne ausbeißen.
Dann haben die wichtigsten deutschen Spieler ihren Schritt zur Weltklasse unter Anleitung der besten Trainer im steinreichen Leistungssystem des US-Sports getan, wo sie längst zu Millionären geworden sind. Dennis Schröder lebte in seiner Zeit in Atlanta wie ein Rap-Star, fuhr stets mit einer goldenen Karosse vor, behängt mit Schmuck und Brillanten. Er war ein gefürchteter Angeber und Selbstdarsteller.
Alles ist echt und voller Demut
An diesem Punkt jedoch kommen wir zu einer Lehre. Sie hat zu tun mit Schröders Wandlung zum Anführer, der sein Team und das Spiel inzwischen genauso respektiert wie sich selbst, der seine Mannschaft zu diesem Titel riss, nachdem sie ihn nach einer furchtbaren Leistung gegen Lettland gerettet hatte. Die Lehre ist: Jemand muss einen guten Plan haben und so viel Überzeugungskraft, dass alle ihm folgen, damit jeder das tun kann, was er am besten kann. Das war die kurze Formel des kanadischen Bundestrainers Gordon Herbert, der mit Fachwissen, Menschlichkeit und Ruhe innerhalb weniger Jahre aus über dem Planeten verstreuten Spielern ein Team formte, wie man es im deutschen Sport selten gesehen hat. Alles ist echt und voller Demut.
Alles ist sowohl Verstand wie auch Emotion. Alles geschieht im Glauben an das Ganze. Und es macht Spaß. Auch in den schweren Momenten, wenn ein Fehlschuss über Triumph oder Tragik entscheidet. Es macht Spaß. Wer diese innere Welt unseres Basketballteams mit der unserer Fußball-Nationalmannschaft vergleicht, wird in jedem Punkt das Gegenteil finden: Keinen guten Plan, keine Überzeugungskraft, kein geeintes Team. Keiner tut, was er am besten kann. Alle Emotionen sind negativ. Keiner glaubt ans Ganze. Und es macht niemandem Spaß. So ist der Status Quo nach der Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick. Man sollte deshalb erkennen: Mit kaltem Fußballwissen alleine wird sich das nicht ändern.
Das Schöne an der Lehre der Basketballer ist, dass sie über den Sport weit hinausgeht. Es sind die elementaren Regeln für das Funktionieren einer Gemeinschaft. Jeder kann sie in seinem Leben selbst anwenden.