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Leverkusener Para-Ruderer„Ich rudere da nicht durchs Bild, weil ich Inklusion vorantreiben will“

Lesezeit 3 Minuten
Der deutsche Mixed-Riemenvierer während des Rennens bei den Weltmeisterschaften in Belgrad 2023.

Bei den Weltmeisterschaften 2023 gewann der deutsche Mixed-Riemenvierer mit dem Leverkusener Marc Lembeck (2.v.r.) die Bronzemedaille.

Nach Peking 2008 sind es für den Leverkusener Para-Ruderer Marc Lembeck die zweiten Paralympics – seiner Premiere feierte er noch auf der Tartanbahn.

„Pardon“, so heißt das Ruderboot des deutschen Mixed-Vierers, der in Paris nach einer Medaille greifen will. „Pardon“ – das französische Wort für Verzeihung – kommt nicht von ungefähr. „Es ist gedacht als Entschuldigung an die gegnerischen Mannschaften, wenn wir vor ihnen ins Ziel kommen“, sagt der Leverkusener Marc Lembeck, der auf der Regattastrecke im Wassersportstadion von Vaires-sur-Marne gemeinsam mit der Kölnerin Kathrin Marchand (beide RTHC Bayer 04 Leverkusen) sowie Susanne Lackner und Valentin Luz an den Riemen sitzen wird.

„So haben wir uns das zurechtgelegt, jetzt muss es nur noch eintreffen“, hofft Lembeck. Genügend Gründe für die ambitionierten Ziele gibt es. Nachdem die Qualifikation für die Paralympics in Tokio noch „krachend gescheitert“ war, gehört der Mixed-Vierer (Startklasse PR3) in diesem Zyklus zu den Anwärtern aufs Pariser Podium. Gemeinsam mit Steuerfrau Inga Thöne reist das Team als Dritter der Weltmeisterschaften des vergangenen Jahres an. 2022 gewannen sie WM-Silber.

Marc Lembeck: Von der Tartanbahn zur Regattastrecke

Während Lembeck mit seinen 35 Jahren in Paris zwar paralympische Premiere auf dem Wasser feiern wird, sind es trotzdem nicht die ersten Spiele für den Rheinländer. Ein Blick zurück ins Jahr 2008: Damals schaffte er die Qualifikation für die Paralympics in Peking als 400-Meter-Läufer – Tartanbahn statt 2000-Meter-Regattastrecke.

In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Die Norm für die Para-Leichtathletikwettbewerbe von London verpasste er. 2013 beendete Lembeck seine Leistungssportkarriere – vorerst. „Aber ich wollte dem Para-Sport treu bleiben“, erzählt er. Das funktionierte zunächst beruflich. Der gelernte Bürokaufmann heuerte beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) an, betreute Nationalmannschaften diverser Sportarten administrativ.

So kam ihm das Para-Rudern in den Sinn, als er einige Jahre später mit seinem besten Freund, Dominik Siemenroth, nach einer gemeinsamen Sportart suchte. Denn „er ist oberschenkelamputiert, ich sehbehindert. Da gibt es kaum Alternativen“. Wenige andere Sportarten seien so inklusiv wie das Rudern.

Portrait von Marc Lembeck.

Marc Lembeck arbeitet als Talentscout beim Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen.

In einigen Startklassen wird die Bootsausrüstung an die körperlichen Beeinträchtigungen angepasst, in anderen rudern Athletinnen und Athleten unterschiedlicher Behinderungen in einem Boot, so etwa im Riemenvierer – eine Zusammensetzung aus Sportlerinnen und Sportlern mit beeinträchtigter Sehfähigkeit und leichten körperlichen Einschränkungen.

Was der Leverkusener außerdem schätzt, ist die Zusammenlegung von Wettkämpfen. „Wir touren gemeinsam mit den olympischen Ruderern zu Weltmeisterschaften. Die sehen unsere Rennen, wir sehen deren Rennen – die können dann natürlich viel besser nachempfinden, was wir leisten. Und umgekehrt genauso.“

Es ist der Höhepunkt unserer Karriere, ein reiner Leistungssportwettkampf. Ich rudere da nicht durchs Bild, weil ich in dem Moment Inklusion vorantreiben will.
Marc Lembeck, Para-Ruderer im Mixed-Riemenvierer

Bis Lembeck diese Erfahrung allerdings bei seinen ersten Ruder-Weltmeisterschaften machen konnte, war es ein ganzes Stück Arbeit. „Wir sind etwas naiv an die Sache herangegangen. Wir wussten ja nicht, wie schwer Rudern eigentlich ist.“ Aber dann habe alles „peu à peu“ seinen Lauf genommen. Mit ihrer Idee lenkten Lembeck und Siemenroth nicht nur den eigenen Lebensweg in eine neue Richtung, sondern gaben auch den Anstoß für eine Para-Trainingsgruppe beim RTHC Leverkusen. Inzwischen gilt der Verein mit seiner Regattabahn in Köln-Fühlingen als Landesstützpunkt.

Zehn bis zwölf Einheiten absolviert Lembeck dort wöchentlich. Hinzu kommt ein 35-Stunden-Job. Ansonsten werde sein Leben dem Sport untergeordnet. Denn das Sportsystem habe sich seit seinen ersten Paralympics immer weiter professionalisiert, die Leistungsdichte sei in den meisten Sportarten deutlich angestiegen. In allen Köpfen angekommen sei diese Entwicklung aber noch nicht. Weiterhin werden Athletinnen und Athleten auf ihre Behinderung, statt die Leistung, reduziert, kritisiert Lembeck.

Obwohl er sich beruflich dafür einsetzt, die Strukturen für Menschen mit Behinderung im (Breiten-)Sport zu verbessern, gehe es bei den Paralympics um etwas anderes: „Es ist der Höhepunkt unserer Karriere, ein reiner Leistungssportwettkampf. Ich rudere da nicht durchs Bild, weil ich in dem Moment Inklusion vorantreiben will“, sagt Lembeck. Sondern er und sein Team treten an, um die Konkurrenz hinter sich zu lassen – mit möglichst vielen „Pardons“.