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US Open in der AnalyseFuriose Teenager und die Traumreise eines Kölners

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Als Qualifikantin im Endspiel der US Open: Emma Raducanu

Köln – Mutige Supertalente, spannende Marathon-Matches und zwei Endspiele für die Geschichtsbücher: Der Tennissport hat bei den US Open in diesem Jahr hell geleuchtet. Mittendrin auch Highlights der Deutschen Alexander Zverev, Oscar Otte und Peter Gojowczyk.

Djokovic vor dem Ziel

Seit Jahren schwelt in der Tenniswelt eine Debatte, die ehemalige Spieler, Experten und Fans polarisiert. Es geht um die Frage, wer der drei erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten denn nun der Größte ist. In der Verlosung stehen Roger Federer, der Maestro, dessen Eleganz auf dem Platz unerreicht ist, Rafael Nadal, der Stier aus Manacor, der die French Open unglaubliche 13 Mal gewinnen konnte und dessen Leidensfähigkeit und Urgewalt einzigartig ist. Und Novak Djokovic, ein mentaler Gigant, über den der mehrfache Grand-Slam-Sieger Andy Roddick jüngst sagte: „First he takes your legs, then he takes your soul“ – frei übersetzt: Erst macht er dich müde, dann nimmt er dir deine Seele.

In der Debatte gibt es für jede Position hinreichende Statistiken: Turniersiege, Wochen an der Spitze der Weltrangliste, Siege in direkten Vergleichen und viele mehr. Das Kriterium, das am häufigsten herangezogen wird – gewonnene Grand-Slam-Turniere – ist seit diesem Sommer ausgeglichen: Alle drei haben 20 Titel gewonnen.

Bei den US Open hat Novak Djokovic in Abwesenheit von Nadal und Federer an diesem Sonntag die Chance, etwas zu erreichen, das ihn von seinen Kontrahenten abhebt. Neben Titel Nummer 21 kann der Serbe den Grand Slam – der Triumph bei allen vier Major-Turnieren innerhalb eines Jahres – erreichen. Im Halbfinale nahm Djokovic Revanche an Alexander Zverev für die bittere Halbfinal-Niederlage bei den Olympischen Spielen in Tokio. Der Deutsche hatte Djokovic die Chance auf den sogenannten „Golden Slam“ genommen – also Grand Slam plus Olympiasieg in einem Jahr. Wie so oft begegnete Djokovic seinem Gegner über weite Strecken auf Augenhöhe, hob sein Spiel aber im entscheidenden fünften Satz, als sein Gegner müde wurde, auf ein neues Level.

Im Finale trifft er auf den Weltranglisten-Zweiten Daniil Medwedew aus Russland. Djokovic kündigte an: „Ich werde mein Herz und meinen ganzen Körper reinpacken. Ich werde das nächste Spiel so behandeln, als wäre es das letzte meiner Karriere.“ Ein Spiel für die Geschichtsbücher.

Angriff der übernächsten Generation

Seit nunmehr einem Jahrzehnt wartet die Tenniswelt auf den entscheidenden Durchbruch der sogenannten „NextGen“, also der Generation nach Djokovic, Federer und Nadal. Abgesehen von einzelnen Ausreißern, wie etwa dem US-Open-Sieg von Dominic Thiem im vergangenen Jahr oder Alexander Zverevs Erfolgen beim ATP Masters Finale 2018 und bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr, steht die Übernahme der Vorherrschaft in der Herren-Tennisszene weiter aus.

Bei den diesjährigen US Open folgte der Angriff der übernächsten Generation. Felix Auger-Aliassime (21), Carlos Alcaraz (18), Jenson Brooksby (20) und Jannik Sinner (20) sorgten für Furore. Auger-Aliassime erreichte erstmals ein Grand-Slam-Halbfinale, Alcaraz besiegte den Weltranglisten-Dritten Stefanos Ttsitsipas und musste erst im Viertelfinale aufgeben, Brooksby und Sinner scheiterten jeweils im Achtelfinale an Djokovic beziehungsweise Zverev. Die Befürchtungen, dass der Tennisszene schwere Jahre bevorstehen, wenn die drei Zugpferde einmal ihre Karriere beenden, sind bei diesem Turnier etwas kleiner geworden.

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In der Frauen-Konkurrenz ist der Generationenwechsel schon weiter fortgeschritten. Keine der Viertelfinalteilnehmerinnen war älter als 29. Die Zeiten, in denen eine Spielerin wie Serena Williams die Tenniswelt nach Belieben beherrscht, sind längst vorbei.

Ein Gesicht dieses Turniers ist Leylah Fernandez. Durch eine jugendliche Unbekümmertheit und ein freudiges Lächeln nach beinahe jedem Punktgewinn spielte sich die 19-jährige Kanadierin zunächst in die Herzen der Zuschauer – und letztlich sensationell bis ins Endspiel der US Open. Auf dem Weg dorthin nahm sie die Grand-Slam-Siegerinnen Naomi Osaka und Angelique Kerber, die Olympia-Medaillengewinnerin Elina Switolina und die Weltranglisten-Zweite Aryna Sabalenka jeweils in drei umkämpften Sätzen aus dem Turnier. Im Finale traf sie am Samstagabend (Ortszeit, nach Redaktionsschluss dieser Redaktion) auf die 18-jährige Emma Raducanu.

Britische Heldin

Die Briten sparen üblicherweise selten mit Superlativen für einheimische Tennishoffnungen. Sie schrieben schon Heldengeschichten von Spielern, die es in ihrer Karriere weder in die Top 3 der Weltrangliste geschafft noch jemals ein Grand-Slam-Finale erreicht haben. Und trotzdem zitterte jahrelang ein ganzes Land mit Tim Henman in Wimbledon – und wurde in aller Regelmäßigkeit im Viertel- oder Halbfinale bitter enttäuscht. Das änderte jedoch nichts daran, dass der berühmteste Hügel der Tenniswelt, eine Anhöhe im All England Club in Wimbledon, nach Henman benannt wurde.

Im Fall von Emma Raducanu weicht die Euphorie eher der Sprachlosigkeit. Die 18-jährige Britin spielte sich durch drei Qualifikationsrunden ins Hauptfeld der US Open – und deklassierte dort ihre Gegnerinnen reihenweise. Noch nie zuvor hatte eine Qualifikantin das Finale der US Open erreicht. Und Raducanu gelang dies, ohne auch nur in Gefahr zu geraten. In drei von zwölf Sätzen gab sie jeweils vier Spiele an ihre Gegnerinnen ab. Alle anderen Sätze gewann die Britin deutlicher. Raducanus Leistung blieb auch dem Adel nicht verborgen: Herzogin Kate etwa gratulierte ihr via Twitter zu einer „unglaublichen Leistung“ und kündigte an: „Wir werden dich morgen alle anfeuern und wünschen dir viel Glück!“.

Der Aufstieg Raducanus in die Spitze der Tenniswelt ist in seiner Geschwindigkeit sensationell. Dass die Briten aber ein besonderes Talent in ihren Reihen haben, fiel schon vor wenigen Monaten auf. Als jüngste Spielerin der Open Era und auf Weltranglistenplatz 338 gelistet erreichte sie in Wimbledon das Achtelfinale. Sänger und Tennis-Fan Liam Gallagher bezeichnete sie als „himmlisches Talent“.

Am Montag wird Raducanu mindestens auf Rang 32 der Weltrangliste vorrücken – und Heather Watson als britische Nummer 1 ablösen. Und die Geschichte einer neuen britischen Tennisheldin hat soeben erst begonnen.

Kölner Traumreise

Zu den Geschichten des Turniers zählt auch die des Kölners Oscar Otte. Der 28-Jährige spielte das beste Turnier seines Lebens, kämpfte sich – noch geschwächt durch eine Magen-Darm-Erkrankung im Vorfeld – zunächst durch drei Qualifikationsrunden, bezwang den hochfavorisierten Italiener Lorenzo Sonego in der ersten Runde und im weiteren Verlauf auch Denis Kudla und Andreas Seppi. Gegen den Top-10-Spieler Matteo Berrettini gingen dem Kölner dann die Kräfte aus. Bei einem Sturz verletzte er sich zudem an der Schlaghand – das tragische Ende einer Traumreise.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland will sich Otte zunächst auskurieren. „Ich werde erstmal bei meiner Familie in Köln vorbeischauen und es ein paar Tage ruhiger angehen lassen, auch wenn das sicher nicht leicht wird“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Und dann will der Kölner wieder angreifen: „Ich habe gemerkt, dass ich auch mit den besten Spielern mithalten kann“.