Köln – Herr Otte, wie geht es Ihrer Hand nach dem Sturz am Netz im US-Open-Achtelfinale?
Ganz okay. Ein Spezialist muss zwar nochmal draufschauen, aber wir gehen davon aus, dass die Hand nur verstaucht ist.
Wie lange fallen Sie aus?
Schätzungsweise drei bis vier Wochen. Es ist halt die Schlaghand und momentan kann ich ohne Schmerzen nichts greifen, geschweige denn Tennisspielen.
Es war ein tragisches Ende ihres Auftritts bei den US Open. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Achtelfinale gegen den Italiener Matteo Berrettini zurück?
Das Match habe ich immer noch nicht ganz verdaut. Es war ein sehr bitterer Moment. Als ich gefallen bin, wusste ich sofort, dass etwas Schlimmes passiert ist, und ich eigentlich nicht weiterspielen kann.
Zur Person
Oscar Otte wurde am 16. Juli 1993 in Köln geboren und ist seit vier Jahren auf der ATP-Tour (vorher ITF) unterwegs. Seine bislang beste Platzierung war Position 129, die er im Oktober 2017 innehatte. Mit dem Einzug ins Achtelfinale der US Open wird die aktuelle Nummer 144 der Welt wahrscheinlich wieder bei dieser Marke landen.
Von 2011 bis 2018 spielte Otte in der Bundesliga für den Kölner THC Stadion Rot-Weiss Köln. Dann wechselte er zum Zweitligisten TC Bredeney nach Essen, den er als Topspieler mit sieben Einzel- und fünf Doppelerfolgen zum Aufstieg führte.
In vier Wochen möchte Otte beim Challenger-Turnier in Frankreich wieder auf dem Platz stehen. Danach könnte ein Trip in die USA zum Turnier in Indian Wells anstehen. (mbu)
Aber Sie haben das Match dennoch fortgesetzt.
Ja, ich war ja auch noch voll Adrenalin und war unglaublich wütend, dass mir in so einem Match so ein Sturz passiert. Bis dahin war ich gut drin im Spiel und habe mich super gefühlt. Danach ist natürlich viel auf mich eingeprasselt. Alle wollten wissen, wie es mir geht. Gott weiß wer hat mich angeschrieben und angerufen. Ich konnte den meisten gar nicht antworten. Irgendwann habe ich das Handy einfach ausgemacht.
Was bleibt Positives von den US Open 2021 hängen?
Sehr, sehr viel. Ich habe gemerkt, dass ich auch mit den besten Spielern mithalten kann. Vor zwei Jahren zum Beispiel, als ich bei den French Open in der ersten Runde gegen Roger Federer gespielt habe, hatte ich dieses Gefühl noch nicht. Das ist jetzt schon ein riesiger Unterschied.
Was hat sich seit dem Match gegen Federer verändert?
Wir haben in den letzten Monaten viel Krafttraining gemacht. Auch wenn man das meinen Beinen nicht ansieht. Ich bin viel fitter, stehe besser zum Ball und spiele konstanter. Und mit den guten Ergebnissen bekommt man auch ein ganz anderes Selbstvertrauen. Und diese Fünf-Satz-Matches in Wimbledon gegen Arthur Rinderknech und Andy Murray bringen einen echt weiter. So etwas kann man nicht trainieren.
Sie kamen als Qualifikant nach New York. Welche Erwartungen hatten Sie?
Keine allzu großen. Mir ging es gar nicht gut. Wegen einer Magen-Darm-Infektion konnte ich erst zwei Tage vor meinem ersten Qualifikations-Match anreisen. Und das Wetter hat mir eigentlich dann den Rest gegeben. Das war ein Kampf ums Überleben. Aber ich habe mich da irgendwie durchgebissen und stand plötzlich im Hauptfeld.
Da spielten Sie gegen Lorenzo Sonego, Nummer 23 der Welt.
Ja, aber davor hatte ich zum Glück ein paar Tage Ruhe und habe mich dann plötzlich sehr gut gefühlt.
Und dann ging es immer weiter für Sie bei diesem Grand-Slam-Turnier, bis Sie im Achtelfinale standen. Was war da los?
Ich habe das alles gar nicht so richtig wahrgenommen, geschweige denn genossen. Ich war irgendwie total im Tunnel.
Aber Sie haben schon geahnt und mitbekommen, dass Ihre Bekanntheit mit jedem Sieg größer wurde, oder?
Ja klar, und es war die ersten Tage schon extrem mit den Anfragen der Medien und den Glückwünschen. Zum Glück ist es jetzt etwas ruhiger geworden.
Anfangs kannte Sie fast niemand. Konnten Sie später noch unerkannt über die Anlage spazieren?
Ich habe es versucht, aber mit zunehmender Zeit ging es nicht mehr – auch nicht mit Mütze. Die Amerikaner sind halt total sportverrückt und irre und quatschen dich einfach an.
Wie haben Sie den Geräuschpegel wahrgenommen?
Das ist schon extrem. Ich weiß gar nicht, ob das alles im Stadion ist, oder von draußen hereinströmt. Aber ich finde das auch ganz cool. Du kannst da mit ein paar tollen Punkten und Emotionen das Publikum auf deine Seite ziehen. So etwas pusht mich.
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Und wie ist der Kontakt zu den anderen Spielern? Trifft man die im Hotel?
Es gibt ein Hotel für die Qualifikanten, die ja schon viel früher da sind und eins für die Spieler, die im Hauptfeld stehen.
Ist das eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?
Wenn man so will. Ich hätte das Hotel nach der erfolgreichen Qualifikation wechseln können, habe ich aber nicht.
Und direkt nach den Spielen?
Es gibt eine riesige Umkleide für alle Spieler. Dort kann man sich am Anfang einen Spint holen, den man die ganze Zeit behält.
Und neben wem hatten Sie ihren?
Lustigerweise unter anderem neben Matteo Berrettini. Wir kannten uns aber auch schon vor unserem Achtelfinale von Challenger-Turnieren früher.
Und dann quatscht man mit allen in der Kabine?
Ja, man kommt halt mit vielen ins Gespräch. Dann kannten natürlich auch plötzlich viele meinen Namen und haben mich beglückwünscht.
Was war ab der Hauptrunde noch anders?
In der Qualifikation gab es einen Shuttle-Bus, der die Spieler alle 30 Minuten zum Hotel gefahren hat. Später konnte ich mir auch mal ein Privat-Auto bestellen.
Und was machen Sie mit den 265.000 Dollar Preisgeld, die es für das Erreichen des Achtelfinals gibt?
Erstmal gehen davon 30 Prozent Steuern weg. Aber klar, das ist schon eine ordentliche Summe. Aber ich bin nicht der Typ, der sich jetzt ein geiles Auto oder eine tolle Uhr kauft. Ich glaube, ich habe in den Jahren zuvor sehr solide gelebt, das möchte ich auch beibehalten.
Wie geht für Sie weiter?
Ich werde erstmal bei meiner Familie in Köln vorbeischauen und es ein paar Tage ruhiger angehen lassen, auch wenn das sicher nicht leicht wird.