VierschanzentourneeMarkus Eisenbichler ist zurück im Weitflugmodus
Garmisch-Partenkirchen/Köln – Kurz vor dem Ende eines Wettkampfs in der Box des Führenden zu stehen, verleiht gemeinhin Freude über ein großartiges Resultat. Doch am Neujahrstag fliegen die Handschuhe durch die Gegend, ist die Wut im Innern des kurzfristigen Ersten Karl Geiger deutlich sichtbar. Die Ursache dafür sind zwei Dinge und eine Konsequenz: Der Wind hat sich eingemischt, zu Geigers Nachteil, er weht bei seinen beiden Versuchen mächtig gegen den Rücken, was Skispringer bei diesen Luftverhältnissen viel zu schnell nach unten drückt. Diese frühe Landung lässt sich in einem solchen Pechfall auch mit der Punktkompensation nicht adäquat ausgleichen. Zudem springt Geiger zwar gut, aber eben nicht so herausragend, wie es bei diesen Verhältnisse nötig gewesen wäre. So dass nun er, der große Favorit der Vierschanzentournee, bereits nach der Halbzeit dieser 70. Version des Springer-Konvents realistisch betrachtet keine Chance mehr auf den Gesamtsieg besitzt. Geiger sagt dazu, auch noch lange nach dem Wettkampf, unter anderem diesen Satz: „Das ist zum Kotzen.“
Das Pech setzt Geiger zu
Er sei „angefressen“, dass ihm diese unpassende Mischung aus meteorologischem Einfluss und Sprungmängeln „gerade wieder bei der Tournee passiert“, bei der er diesmal glänzen und siegen wollte, als erster Deutscher nach Sven Hannawald vor 20 Jahren. Und auch als bis dahin bester Springer des Weltcups. Immerhin ist Geiger fair zu sich, was aber auch all seinen Ärger über den missglückten Jahresauftakt und Platz sieben an der Großen Olympiaschanze im Ortsteil Partenkirchen, der zweiten Tournee-Station, erklärt: „Es waren nicht nur die Bedingungen.“ Es war eben auch er selbst, der es verbockt hat.
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Ein paar Minuten nach Karl Geiger steht Markus Eisenbichler aus Siegsdorf in Oberbayern in der Leaderbox. Er ist sehr zufrieden. In seiner Nähe fliegen Freude und Glück umher, keine Handschuhe. Er jubelt und strahlt. Nur noch einer kann ihn schlagen nach seinem phänomenalen Flug auf 143,5 Meter, einen halben Meter nur entfernt vom Schanzenrekord, den der Pole Dawid Kubacki vor einem Jahr aufstellte. Dieser Eine jedoch ist der in diesem Winter kaum zu schlagende Japaner Ryoyu Kobayashi.
Doch der macht es spannend. Landet nach einer Anlaufverkürzung acht Meter kürzer als Eisenbichler. Alles hängt nun von der Bewertung des Fluges ab. Eisenbichler schaffte es bei seinem Traumflug nicht, den für hohe Noten notwendigen Telemark zu setzen – „das habe ich mich bei dieser Weite nicht getraut“, sagte er. Kobayshi jedoch gelang die Landung glänzend. Die fehlende Weite kompensierte er somit durch sieben Sprungrichter-Punkte mehr.
Das Endergebnis ist gnadenlos: 0,2 Punkte mehr erreicht Kobayashi. Das ist eine kaum messbare Größe. Eisenbichler grämt sich nicht, er gibt glaubhaft zu verstehen, dass ihm der zweite Platz wie ein Geschenk vorkommt. Und die Punktevergabe? „War im ersten Durchgang bei mir eigentlich viel besser als ich gedacht habe. 17, 0 oder 17,5 habe ich erwartet. Bekommen habe ich unter anderem eine 18,5 und zweimal eine 18,0. Insofern gleicht sich das aus.“
Auch der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher lamentierte nicht. Er fand „die Noten ausgewogen. Ich habe keine gesehen, die falsch vergeben worden wären.“
Zufriedener Bundestrainer Horngacher
Gleichwohl freute auch Horngacher sich nach Geigers Rückschlag über Eisenbichlers Leistungssteigerung. Kobayashi sei derzeit schlicht in einer Verfassung, „dass er alles niederbügelt, weil er extrem gut springt“, zwei Siege in zwei Springen, drei in den letzten drei Wettkämpfen, da gleite es sich fast von allein. Nun aber taucht Eisenbichler nach Rang sieben in Oberstdorf und Platz zwei in Partenkirchen auf Tournee-Position vier auf, mit besten Aussichten auf Rang zwei. Und auch wenn der Sieg in dieser Wertung für Kobayashi reserviert scheint, sagt Horngacher: „Meine Tournee-Halbzeitbilanz ist sehr, sehr positiv. Wir haben mit Geiger und Eisenbichler zwei Springer dabei, die Kobayashi schlagen können, das macht mich sehr zufrieden.“ Eisenbichler, der zuletzt mit seiner Form haderte, hat auch Horngacher überrascht: „Dass du da so einen Segelflieger hast, damit habe ich nicht gerechnet.“
Der Ruhetag am Sonntag diente Horngacher, nach der kurzen Überfahrt bereits in Innsbruck, Tournee-Station drei, zur Aufarbeitung. Wobei er sich dabei am intensivsten um Geiger gekümmert haben dürfte. Videoanalyse, Einzelgespräch, Aufbauarbeit. Die aber „fällt mir beim Karl nicht so schwer. Er ist ein Profi. Er wird das wegstecken.“ Eisenbichler wiederum muss er vor allem darin bestärken, künftig den linken Ski in der Luft nicht wegflattern zu lassen. Dann sei er in der Lage, alle anderen zu schlagen. Auch Ryoyu Kobayashi.