Berti Vogts wird 75 JahreDer kämpferischste Weltmeister von 1974
Köln – Weltmeister? Das sei er eher nicht, auch wenn er zum Kader gehörte, damals, 1974. Aber Günter Netzer saß eben auf der Tribüne in München, als die deutsche Elf im Finale gegen die Niederlande gewann. Mit einem als Mensch verkleideten Kampfstier mit der Rückennummer „2“ als Gegenspieler von Johan Cruyff, dem großen Zauberer des zauberhaften Gastteams. Zu sehen war für alle Welt, dass Cruyff arg eingeschränkt wurde von seinem Bewacher. Und das wiederum lag an Netzer, sagt Netzer, der deshalb doch einen Beitrag am WM-Triumph der Deutschen für sich reklamiert.
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Jenen deutschen Zweier, Berti Vogts, habe er, Netzer, der angeschlagen ins Turnier ging, nach der Wiederkehr seiner Kondition und Klasse am Tag vor dem Finale in einem Trainingsmatch auf Cruyff eingestellt. Netzer spielte dabei womöglich sogar besser als Cruyff, Vogts jedenfalls fühlte sich vorgeführt. Netzer sagte anschließend zu dem frustrierten Vogts: „Cruyff kann morgen nicht so gut spielen, wie ich heute. Vergiss das .“ Es gelang. Vogts machte das Spiel seines Lebens.
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Großes Lob von Günter Netzer
Am heutigen Donnerstag wird Berti Vogts, der wohl kämpferischste Weltmeister von 1974, 75 Jahre alt. Mit Günter Netzer verbindet ihn nicht nur die Cruyff-Anekdote, die beiden stehen für den Erfolg von Borussia Mönchengladbach – in eben jenen unterschiedlichen Rollen, die im Trainingsmatch vor dem Finale offenbar wurden. Dort der Begnadete, hier der Grätscher, Kampfname „Terrier“. Netzer erklärt die Situation so: „Die Leute sagen, dass ich Borussia Mönchengladbachs wertvollster Spieler war. Das bin ich nicht gewesen. Ich war nur der glamouröseste, der für das große Spektakel gesorgt hat. Berti jedoch war der wertvollste Spieler.“
Das Leben als Spieler war das erste, das Vogts mit dem Ball im Mittelpunkt führte – und was für eins: Fünfmal deutscher Meister, DFB-Pokalsieg 1973, zwei Uefa-Cup-Erfolge, 1971 und 1979 Deutschlands Fußballer des Jahres, 96 Länderspiele, Weltmeister und auch Europameister 1972. Obwohl: Er fühlt sich nicht so. Er wurde in der Endrunde nicht eingesetzt.
Vogts Vita als Spieler und später als Trainer ist nicht denkbar ohne den großen Einfluss, den Hennes Weisweiler auf ihn ausübte. Vogts, geboren in niederrheinischen Büttgen, war früh Vollwaise. Als er zwölf Jahre alt war, verlor er seine Mutter, die an Leukämie verstarb. Ein Jahr später starb auch der an Herzproblemen leidende Vater. Vogts wuchs bei seiner Tante auf. Er erlernte den Beruf des Werkzeugmachers, bevor er, entdeckt von Weisweiler, Fußballprofi bei Borussia Mönchengladbach wurde.
Weisweiler wird in Gladbach sein Trainer und eine Vaterfigur, das betont Vogts immer wieder. Denkt Vogts an Weisweiler „übermannen mich die Emotionen. Stolz, Dankbarkeit, Respekt, Bewunderung, Hingabe, Vertrauen“. Weisweiler wiederum sah in dem Spieler Vogts auch sich selbst: „Berti hatte so wenig Talent wie ich, aber er war mutig, ehrgeizig, fleißig, diszipliniert und gewissenhaft.“
Zur Person
Hans-Hubert „Berti“ Vogts, geboren am 30. Dezember 1946 in Büttgen. 419 Bundesliga-Spiele für Gladbach, fünf Mal Meister, ein Pokalsieg, zwei Uefa-Cup-Erfolge. 96 Länderspiele, Weltmeister 1974, Europameister 1972 (ohne Einsatz). 102 Spiele als Bundestrainer, Europameister 1996. Danach Trainer in Leverkusen, Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidschan. (ksta)
Vogts lebt all diese Eigenschaften kurz vor seinem Karriere-Ende nochmal vor. Im August 1978 erlitt er nach einem Duell auf dem Platz einen komplizierten Beinbruch. Er kam zurück, half der Borussia dabei, 1979 den Uefa-Cup gegen Roter Stern Belgrad zu gewinnen – und beendete nach jener Saison, 32 Jahre alt, seine Karriere als Spieler.
Es folgte eine lange Zeit als Trainer in den U-Teams des DFB, in der Vogts stets auf ein Loch in der Nachwuchsarbeit hinwies. 1990, nach dem WM-Sieg der Deutschen in Rom, wurde Vogts zum Bundestrainer befördert. Als Nachfolger von Franz Beckenbauer. Noch so ein himmelweiter Unterschied in Persönlichkeit, Ausstrahlung und Temperament, wie ihn Vogts schon mit Netzer erlebt hatte. Das Leichte, das Sonnige, Weltmännische, Lustige, mit dem Netzer und Beckenbauer punkteten, weil es ihnen gegeben war, musste sich Vogts hart erarbeiten, was oft sehr bemüht wirkte. Es war aber Vogts, der das DFB-Team zum EM-Sieg 1996 führte. Als er bei der WM 1998 mit der Nationalelf wie schon 1994 erneut im Viertelfinale scheiterte, trat er bald darauf zurück.
Im Zwist mit der Borussia
Vogts, CDU-Mitglied, gläubiger Christ, machte fortan das, was er immer tat, wenn es eng wurde: kämpfen. Zurückkommen. Zunächst als Trainer von Bayer Leverkusen. Er hatte viele Ideen, etwa die, sich bei den Spielen auf die Tribüne und nicht auf die Bank zu setzen. So richtig zur Geltung kamen sie aber nicht. Im Sommer 2001 trennte man sich bereits, Bayer 04 hatte mit Vogts die gesetzten Ziele verpasst.
Es folgte bis 2014 eine Trainer-Weltreise: Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidschan. Im Rückblick auf seine Vita sagt Vogts: „Ohne Übertreibung: Alles, was ich je erreicht habe in meiner aktiven Karriere und als Trainer, aber auch wie ich heute lebe, verdanke ich Hennes Weisweiler.“ Das klingt versöhnlich. Und dennoch ist er aufgewühlt, wenn es um Borussia Mönchengladbach geht. Zuletzt ging Vogts auf Distanz zu seinem Verein. Der Umgang mit ihm und anderen Alt-Stars sei leider nicht angemessen.
Von Günter Netzer wiederum hört man solche Klagen nicht.