Uwe Koschinat„Wir haben keinen Grund, an Erdmanns Schilderung zu zweifeln“
- Saarbrückens Trainer Uwe Koschinat spricht im Interview über die Vorwürfe gegen seinen Profi Dennis Erdmann und das Spiel bei Viktoria Köln.
Köln – Herr Koschinat, Sie sind seit Sommer Trainer des 1. FC Saarbrücken. Wie bewerten Sie Ihre ersten knapp zwei Monate im Amt?
Ich hatte das große Glück, dass ich am Tag meiner Vertragsunterschrift gleich eine Wohnung in Saarbrücken gefunden habe und nicht ins Hotel musste. Das hat die Eingewöhnung ein Stück weit erleichtert. Ich habe dann schnell nicht nur das Profi-Team kennengelernt, sondern alle Teilbereiche des Vereins. Das hat hervorragend funktioniert. Der 1. FC Saarbrücken ist, was die Wahrnehmung im Saarland angeht, quasi ein Bundesligist. Das Land ist zweigeteilt, viele lieben den Klub, teils abgöttisch. Aber es gibt natürlich auch welche, die ihn nicht mögen. Aber das kennen wir ja von Traditionsvereinen. Der FCS polarisiert enorm und weckt Emotionen, hinter ihm steckt eine richtige Wucht.
Sind Sie mit dem Saisonstart und elf Punkten aus sieben Spielen zufrieden?
Ich habe gemischte Eindrücke. Was mir überhaupt nicht gefällt, ist, dass ich bislang in keiner Phase auch nur annähernd mit einer Wunschformation spielen konnte. Wir hatten vom ersten Tag an unglaubliches Verletzungspech. Unsere Idealformation ist eine sehr leistungsstarke. Aber wenn wir dauerhaft zwei oder drei Spieler ersetzen müssen, dann können wir nicht diese Dominanz ausstrahlen, die ich mir vorstelle. Dann musst du viel basteln, dann sind die Spiele eng. Unter diesen Voraussetzungen ist es schwer, den Anschluss nach oben zu halten. Das muss man klar so sagen.
Welchen Einfluss hat die Untersuchung gegen Dennis Erdmann auf den 1. FC Saarbrücken? Ihrem Abwehrspieler wird von drei Magdeburger Profis vorgeworfen, sie während des Spiels rassistisch beleidigt zu haben. Erdmann bestreitet diese Vorwürfe. Ein Urteil des DFB-Sportgerichts soll am kommenden Montag fallen.
Der Einfluss ist riesig. Wir distanzieren uns als Verein im hohen Maße von jeder Art von Rassismus. Der 1. FC Saarbrücken ist gerade in seiner Fankultur sehr bunt aufgestellt. So ein Vorwurf kann einen Verein sehr stark belasten. Und der Vorwurf ist ja nicht während des Spiels oder auf der Pressekonferenz aufgekommen, mit keinem einzigen Wort. Da hat uns Magdeburg noch zum Sieg gratuliert. Wenn Menschen, die im höchsten Maße derart persönlich beleidigt worden sein sollen, dir zum Spiel gratulieren und ihnen Stunden später etwas anderes einfällt – das finde ich extrem verwunderlich. Der Vorwurf wurde ja erst später über die „Bild“-Zeitung gespielt, die einen Riesen-Aufmacher daraus gemacht hat. Dann haben wir natürlich keine Chance gehabt, da irgendwie entgegenzuwirken und können nur reagieren. Aber das werden wir auch konsequent tun.
Was sagt Ihr Spieler Erdmann dazu?
Erst einmal: Wir als Verein haben aber keinen Grund, an Dennis’ Schilderung zu zweifeln, wir stehen voll hinter ihm. Würden wir an ihm zweifeln, wären wir die letzten, die eine schützende Hand vorhalten würden. Aber so ist es nicht, wir stehen an der Seite unseres Spielers. Dennis ist natürlich kein Waisenknabe auf dem Rasen, er ist schließlich eine richtige Abwehrkante. Aber rassistische Kommentare würden ihm nie über die Lippen kommen. Und dem Schiedsrichter wurde auf dem Rasen auch keine solche Beleidigung angezeigt. Robert Kampka sagte klar und deutlich aus, es sei ein völlig normales Spiel gewesen, in dem Dennis Erdmann kein einziges Mal ermahnt werden musste. Dann gibt es noch Widersprüche zwischen den schriftlichen und mündlichen Aussagen. Das werden wir im nächsten Verhandlungsschritt herausarbeiten und Belege vorlegen, dass die Vorwürfe so nicht stimmen können. Wir setzen hier auch ganz besonders auf den Tatsachenbericht des Schiedsrichters und erwarten ganz klar, dass das Sportgericht diesen Bericht anerkennt. Das war am ersten Verhandlungstag merkwürdiger Weise nicht der Fall.
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Am Samstag geht es zum FC Viktoria Köln. Worauf kann sich der Sportpark Höhenberg einstellen?
Auf unser Faustpfand, unsere Fans. Es werden sicher weit über 1000 Menschen mit nach Köln kommen. Das wird zu spüren sein, ich erwarte ein akustisches Heimspiel für uns. So etwas wie in Saarbrücken habe ich noch nicht erlebt, wie die Fans als Einheit hinter dem Verein stehen. Das Spiel gegen die Viktoria ist für uns Richtung weisend: Entweder hängst du unten mit drin oder du schaffst mit einem Sieg den Anschluss nach oben.
Sportlich läuft es nicht gut für die Viktoria. Sehen Sie das nur als Momentaufnahme?
Ich denke, dass der Abgang von Mike Wunderlich ein einschneidendes Ereignis für die Viktoria war. In den letzten Jahren, gerade in der Dritten Liga, ist Mike in schwierigen Phasen immer vorangegangen und hat das Ruder rumgerissen. Seine Statistiken sind überragend, dazu seine Führungskultur. Das ist sehr schwer zu ersetzen. Trotz alledem hat die Viktoria noch immer eine total interessante Kader-Zusammensetzung mit einer guten Breite. Deswegen ist Viktoria Köln nach wie vor ein guter Drittligist, der in seinem Heimspiel jetzt aber zum Siegen verdammt ist. Auf der anderen Seite sind wir in einer sportlich schwierigen Situation. Wir werden nicht mit unserer Top-Formation antreten können. Dazu wird das Thema Erdmann nach wie vor wie ein Damoklesschwert über uns schweben – auch wenn wir uns da keine Alibis draus ziehen dürfen.
Spüren Sie aus Ihren sieben Jahren beim SC Fortuna Köln noch ein Stück Rest-Rivalität der Viktoria gegenüber?
Nein, damit könnte meine Mannschaft auch nur wenig anfangen. Es gibt auch keine in mir über Jahre schwelende Emotionalität gegen die Viktoria, die dann am Wochenende irgendwie ausbricht. So ist jedenfalls meine Hoffnung – man weiß bei mir ja nie (lacht).