Aus Wachtberg für die UkraineWelle an Hilfsgütern schwappt ins Wohnzimmer
Wachtberg – Hygieneartikel, Schlafsäcke, Verbandsmaterial und sogar Teddys – in Tüten und Kartons stapelten sich im Laufe des Montags in der Wohnung von Alina und Paul Lägel in Adendorf Hilfsgüter für Kiew. Vom Sofa war rasch nichts mehr zu sehen. In Sorge um ihre alten Landsleute und vor allem den Bruder in Kiew hatte die Wachtberger Ratsfrau am Wochenende Handy-Nummer und Adresse publik gemacht, um der Aktion „Meckenheim hilft“ möglichst viele Dinge für Flüchtlinge aus der Ukraine zukommen zu lassen. Von 9 bis 20 Uhr werde sie in der Töpferstraße Dinge annehmen, die in einem Auffanglager an der polnischen Grenze zur Ukraine nützlich sein dürften, hatte sie angekündigt.
Schon um 8 Uhr, eine Stunde vor der angesagten Zeit, bimmelt es an der Haustüre, und auch das Handy beginnt zu läuten. So wird es den gesamten Tag über bleiben. Das Frühstück fällt aus, der Kaffee wird zwischendurch getrunken. Auch der Einkauf von Hilfsgütern, der mit den von der Wachtberger SPD spendierten 100 Euro für den Vormittag geplant war, muss ausfallen.
10.47 Uhr: Wieder klingelt jemand, der in der Tageszeitung oder im Internet den Spendenaufruf gelesen hatte, und gibt Desinfektionsmittel ab. „Vermutlich wurde es extra dafür gekauft“, freut sich Alina Lägel.
10.54 Uhr: Lägel macht sich bereit, an der Haustüre eine weitere Ladung in Empfang zu nehmen, doch diesmal werden ihr 200 Euro in die Hand gedrückt und für den Nachmittag noch eine Lieferung von Verbandsmaterialien zugesagt. „Hier will niemand eine Quittung. Die könnte der noch junge Meckenheimer Verein auch nicht ausstellen. Aber so haben wir bald das Geld für Benzin und Maut zusammen“, sagt sie.
„Babynahrung haben wir schon jede Menge“
Allein 3000 Euro wird das Benzin hochgerechnet für die vier Wagen kosten, die am Mittwoch von Tor 22 aus an die ukrainische Grenze fahren sollen. Wenig später gibt es auch keinen Mangel an Fahrern mehr, obwohl alle Autos möglichst doppelt besetzt sein sollen. „Ein Rentner hat sich angeboten, einen der Wagen zu steuern“, sagt Lägel und stellt fest: „Für die Menschen ist es wichtig, Anteil zu nehmen, nicht einfach Geld irgendwohin an eine Organisation zu überweisen. Sie wollen es persönlich übergeben.“ Kurz nach 11 Uhr beschließt sie noch, Erste-Hilfe-Kästen kaufen zu gehen, doch drei Stunden später hat sie davon schon so viele, dass es ihr genug erscheint. Am Telefon lenkt sie den Strom der Hilfsbereitschaft: „Nein. Babynahrung haben wir schon jede Menge“, informiert sie einen Anrufer.
11.03 Uhr: Wieder gibt es ein Paket Hilfsgüter, und 40 Euro für die Handkasse sind auch dabei.
Fast ist keine Zeit, an den Bruder und seine Familie in Kiew zu denken, aber mit dem hat Alina Lägel längst telefoniert. „Er will kämpfen. Dabei ist er mit 63 Jahren viel zu alt für die Armee. Aber sein Sohn Oleg, der ist 37 und will zum Militär“, sagt Lägel. Oleg sei IT-Mann und bemühe sich zu einer entsprechenden Einheit für die technische Unterstützung der Landesverteidigung zu kommen. Erinnerungen an die Jugend in Kiew hat sie auf ihrem Handy – digital, denn die Originale der Bilder sind in Kiew und vielleicht in Gefahr. Eines dieser Schwarz-Weiß-Fotos zeigt sie als junge Frau mit Mutter, Onkel und Cousine vor dem berühmten Höhlenkloster. Sie nennt es beim seltenen Ehrentitel „Lawra“.
Als es wieder klingelt, muss Paul Lägel ran. Marga Schulte-Meier hat einen Karton voller nützlicher Dinge im Kofferraum, der ausgeladen werden will. Alles muss zunächst ins Wohnzimmer gepackt, also einmal mit dem Aufzug in die zweite Etage befördert werden.
Hilfsgüter für die Ukraine: Logistische Mammutaufgabe
Trotz aller Arbeit ist Alina Lägel glücklich. „Heute bin ich schon viel besser gelaunt als an dem Tag, an dem ich vom Kriegsbeginn erfahren habe.“ Nie hätte sie gedacht, dass ein Artikel in der Zeitung eine solche Resonanz haben könnte. Lägel: „Die Beteiligung der Menschen zeigt mir, dass wir nicht alleine im Regen stehen. Das gibt mir ein unglaublich positives Gefühl.“
Nochmals zwei Stunden später ist die Couch im Wohnzimmer nicht mehr zu sehen. Paul Lägel befürchtet sogar, dass das Wohnzimmer nicht groß genug sein könnte, um alle Hilfsgüter zu lagern. „Wir werden überlegen müssen, ob das wirklich alles in den einen Transport hineinpasst, oder ob vielleicht später noch ein weiterer Konvoi auf den Weg geschickt werden muss.“
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Im Laufe des Tages erhöhte sich die Zahl der Meckenheimer Transporter auf fünf. Wie der ebenfalls in der Sache engagierte Lüftelberger Ortsvorsteher Daniel Südhof erfuhr, stellt Colonia Schwertransporte aus Köln einen Sechs-Meter-Anhänger zur Verfügung. „Ich würde gerne mitfahren, bekomme aber nicht frei.“ Die Route über Frankfurt und Dresden in den südlichsten Zipfel Polens stehe. Eine christliche Organisation habe bei den Absprachen vor Ort geholfen. Südhof: „Wir haben sogar geladene Powerbanks zum Aufladen von Mobiltelefonen bekommen. Es fehlt noch Verbandsmaterial. Tatsächlich würden selbst abgelaufene Verbandskästen aus Autos helfen.“