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EhrenamtErsatz-Oma dringend gesucht

Lesezeit 5 Minuten

SkF-Familienpaten stehen Kindern aus schwierigen Verhältnissen ehrenamtlich in ihrem Alltag zur Seite.

Köln – Es war „die sympathische Stimme“, die Lea Müller*, 37, aufhorchen, für den Moment ihre verzweifelte Lage vergessen und hoffen ließ. Drei Monate ist es her, dass die alleinerziehende Flugbegleiterin an einem Dezembermorgen den Radiospot des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) hört, in dem Maren Wolke Interessierte für das Ehrenamtsprojekt „Familienpaten“ sucht. Menschen also, die bereit sind, überforderte Familien in ihrem Alltag zu entlasten. „Wenn sie Paten sucht, dann braucht sie doch sicher auch die Kinder dazu“, erinnert sich Lea Müller an diesen besonderen Moment – und ihre strahlende Miene lässt ahnen, dass das der Anfang einer wunderbaren Geschichte war.

Freie Zeit verschenken

In einem anderen Ortsteil, am anderen Ende der Stadt hört an diesem Dezembermorgen auch Simone Seidler* im Radio „die magische Stimme“, die sie an ihr Vorhaben erinnert, „denjenigen etwa zurückzugeben, denen es nicht so gut geht.“ Simone Seidler, Ende 50, glücklich verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern, hat mit ihrem Ehemann eine eigene Firma aufgebaut, und ist, wie sie selbst sagt, auf der Sonnenseite des Lebens angekommen. „Ich habe freie Zeit, finanziell ist alles okay, die Kinder sind aus dem Haus.“

Familienpaten - Ein Ehremamtsprojekt des SkF

.. sind ein ehrenamtliches, kostenloses Angebot für belastete Familien oder Alleinerziehende. Familienpaten übernehmen für ein paar Stunden pro Woche die Kinderbetreuung oder begleiten zu Behörden/Ärzten.

.. sind eine Begleitung auf Zeit (für mindestens ein Jahr), solange es von beiden Seiten gewünscht ist. Sie werden fachlich begleitet und geschult.

.. sind mindestens 18 Jahre alt, einfühlsam und verlässlich und haben ein makelloses Führungszeugnis.

Interessierte melden sich bitte bei Maren Wolke: (0159) 04508452

oder per Mail: maren.wolke@skf-koeln.de

Das war nicht immer so: Simone Seidler hat als Kind einer alleinerziehenden Mutter in den 1960er Jahren selbst erlebt, was es heißt, aus „sozial schwierigen Verhältnissen“ zu kommen. Sie weiß, wie es ist, ohne Hilfe und Geld eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Deshalb war es schon länger „ein großer Wunsch, ehrenamtlich mitzuhelfen, dass sich Kinder aus belasteten Familien gut entwickeln können.“ Nur wo und wie? Da kam der Radio-Spot des SkF gerade im richtigen Moment – und Maren Wolkes Worte: „Viele Kinder und Eltern wünschen sich Ersatzgroßeltern oder Paten, die ihnen im Alltag zur Seite stehen, weil die Eltern überfordert, krank, alleinerziehend sind oder weil sie die Familie erweitern möchten.“

Sieben Babysitter parallel

Die beiden Frauen melden sich noch am selben Tag beim SkF – Simone Seidler , um sich als Patin zu bewerben, Lea Müller, weil sie händeringend eine konstante Betreuung für ihren Sohn sucht. Erst vor zwei Jahren zog sie mit Severin, damals fünf Jahre alt, von Hamburg nach Köln. Ohne Familienanschluss, ohne Freundeskreis, ohne großes Budget. „Als Alleinerziehende mit einer 50 Prozent-Stelle sind finanziell keine großen Sprünge möglich“ – eine Kinderbetreuung aber dringend nötig: Lea Müller ist regelmäßig für fünf Tage in der Luft, hat Bereitschaftsdienst und muss sieben Babysitter parallel anheuern, um Severins Betreuung gesichert zu wissen – was teuer, aufreibend und unstet ist. „Ich wünschte mir für Severin eine feste Bezugsperson, zu der er eine Bindung aufbauen kann.“ Und Severin sehnte sich nach einer Ersatz-Oma. Eine Großmutter lebt weit entfernt im Süden der Republik – die andere am nördlichen Ende und hat sich obendrein nach der Trennung seiner Eltern von Severin abgewandt. Sein Vater, der in Hamburg lebt, ist durch die Nervenerkrankung ALS an den Rollstuhl gefesselt, weshalb sich die beiden nicht so oft sehen können, wie sie sich das wünschen.

Wie gut, dass sich auch Rosi und Karl-Heinz Schneider* auf den Radiospot hin beim SkF gemeldet hatten – auf der Suche nach einem Kind wie Severin, dem sie mit ihrer herzlichen Art einen Großelternersatz bieten – und seiner alleinerziehenden, arbeitenden Mutter auch mal Auszeiten ermöglichen können. Nach einem von Maren Wolke begleiteten „Schnuppernachmittag“ beim SkF war schnell klar, dass die Chemie zwischen dem Ehepaar und Mutter und Sohn stimmt.

Hilfe, die von Herzen kommt

Man besuchte sich noch ein-, zweimal im jeweils eigenen Zuhause – unternahm gemeinsam Spaziergänge und seit Januar betreut das Ehepaar Schneider Severin regelmäßig ein bis zweimal pro Woche – auch schon mal über Nacht. „Mit Rosi und Karl-Heinz sind Menschen in unser Leben getreten, die Severin eine Konstante in seinem teils schwierigen Leben bieten, viel mit ihm unternehmen und die er schon nach kurzer Zeit Oma und Opa nannte“, sagt Lea Müller – und fügt dankbar an: „Es war am Anfang sehr befremdlich, Hilfe anzunehmen ohne sie bezahlen zu können, aber da es bei den beiden von Herzen kommt, fiel es mir schnell leicht.“

Marie Krause* aus Chorweiler musste sich erst an Simone Seidler gewöhnen und an die Idee, dass eine fremde Frau mit ihren zwei und fünf Jahre alten Töchtern so anders umgeht, als sie. Die 38-jährige Mutter hat sich auf Anraten einer sozialpädagogischen Familienhelferin des SkF, die die Familie ebenfalls unterstützt, auf das Experiment eingelassen. „Anfangs kritisierte Marie meine offene Art des Umgangs mit ihren Kindern, aber dann lernte sie, dass ich es nur gut mit ihnen und ihr meine“, sagt Simone Seidler. „Ich will, dass Marie weiter entlastet und gestärkt wird für ihre Herausforderungen, um erholt mit ihren Kindern umgehen zu können, dass die Kinder bei mir eine unbeschwerte Zeit verbringen können.“ Nicht immer läuft alles glatt, es gibt Konflikte, wenn sich fremde Menschen annähern und gemeinsam Verantwortung für Kinder übernehmen.

Wie die Mutter, nur mit Puderzucker

Aber dann gibt’s ja auch noch Maren Wolke, die beratend und vermittelnd zur Seite steht. Daneben bietet der SkF e.V. den Paten regelmäßig Schulungen, Seminare und Vorträge an. Maren Wolke: „Welcher Pate oder welche Patin in welcher Familie eingesetzt wird, richtet sich nach den eigenen Interessen und Möglichkeiten. Letztlich entscheidet jedoch die Chemie darüber, wer zusammen findet – oder nicht.“ Und wem, wie Severin, ein großer Wunsch erfüllt wird: Ersatzgroßeltern zu haben, „die wie Mama und Papa sind, nur mit Puderzucker.“

* Namen geändert

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