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IntegrationMusical-Projekt vereint junge Menschen

Lesezeit 4 Minuten

Die Hauptdarsteller Tareq Sous und und Gloria Massamba

Köln – Als Tänzer hat Afshin im Iran kaum eine Chance. Auf offiziellen Bühnen darf er nicht auftreten, so wandert er im Musical „Zwischen den Welten: In der Wüste“ mit seinem Ensemble in den Untergrund, um spielen zu können. Als er bei einer Demonstration gegen das Regime in Teheran kurzzeitig festgenommen wird, beschließt er zu fliehen. Bei einem Gastspiel seiner Gruppe in Paris beantragt er Asyl. Für seinen Traum zu tanzen, muss er Heimat, Familie und Freunde opfern.

Mit Stromstößen misshandelt

Der Hauptdarsteller des Musicals Tareq Sous weiß, wie das ist, wenn man alles hinter sich lassen muss. Der heute 19-Jährige ist in der syrischen Hauptstadt Damaskus in wohlbehüteten Verhältnissen aufgewachsen, bis der Bürgerkrieg kam. Zweimal ist er im Gefängnis gelandet, weil er gegen Assad protestierte. Einmal hat man ihn mit Strömstößen misshandelt. Dann beschloss sein Vater, seinen Sohn aus Syrien herauszubringen. Er verkaufte seine vier Häuser, die er besaß, um das Geld für die Flucht aufzubringen und schickte seinen Sohn nach Europa.

Eine Woche nicht geschlafen

Mit einem Flugzeug kam Sous in die Türkei, per Boot nach Griechenland, zu Fuß ging es quer über den Balkan. An der griechischen Grenze hat man auf ihn geschossen, in Mazedonien mit Tränengas traktiert und in Ungarn ist er in einen elektrisch geladenen Zaun geraten. Unterwegs hat Sous mal eine Woche nicht geschlafen, mal tagelang kaum etwas gegessen. Am Ende ist er mit einem Taxi durch Österreich und Deutschland gefahren – und hat dafür 4500 Euro gezahlt. Die Bühne ist Sous nicht ganz fremd. Er hat in Damaskus mehrmals in einem Schülerensemble gespielt und ist auch als Hip-Hop-Tänzer aufgetreten. Gute Voraussetzungen also dafür, die Hauptrolle des Afshin im Stück „Zwischen den Welten“ zu spielen, das am 7. Mai im Hildegard-von-Bingen-Gymnasium Premiere feiert.

Zehn Monate geprobt

Dort präsentieren jugendliche Flüchtlinge und Kölner Jugendliche das Musical, das sie gemeinsam binnen zehn Monaten einstudiert haben. Die Proben, die derzeit noch im Jugendzentrum Gremberg laufen, haben zwei Ziele: Außer einer Bühnenshow wird mit dem Stück Integrationsarbeit geleistet. Das Team des Frechener Vereins „Music4everybody“ um Leiterin Stephi Siebert will so etwa 30 jungen Flüchtlingen die Ankunft in Deutschland erleichtern. Damit das klappt, erhalten die Flüchtlinge deutsche Paten innerhalb des Projektes.

Brücke zwischen den Kulturen

Gloria Massamba, die bei der Karnevalsgesellschaft Rhein-Erft-Perlen als Funkemariechen auftritt, ist schon seit dem Projekt „Sister Act“ aus dem Jahr 2009 dabei und ist von dem Konzept begeistert: „Man lernt schnell neue Menschen kennen, die einem ans Herz wachsen“, sagt die 17-Jährige. So wichtig die Proben sind, so wichtig sei auch der Teil, der abseits der Bühne stattfindet. So machen Paten und Flüchtlinge zusammen Ausflüge in der Region oder treffen sich abends mal in einer Bar, um miteinander ins Gespräch zu kommen. „Die gemeinsame Beschäftigung mit Kunst und Musik schlägt eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Kulturen“, sagt Projektleiterin Siebert. Gleichzeitig würde den Flüchtlingen im Alter von 14 bis 27 Jahren durch die Vermittlung von sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Grundstein für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft gelegt.

Proben und Deutschkurse

Wichtig ist Siebert, dass die Flüchtlinge über die monatelangen Proben die Chance haben, Kontakt zu gleichaltrigen Deutschen aufzubauen. „Allerdings sind die Flüchtlinge keine Bittsteller, sondern sie haben auch etwas zu geben.“ Daraus ist schon oft eine gute Gemeinschaft entstanden, die sich Tipps gibt, wenn es um Themen wie Ausbildung und Praktika geht.

Sister Act und High School Musical

„Music4everybody“ bringt Musical-Projekten seit 2008 auf die Bühne. „Es war von Anfang an ein irrer Erfolg“, sagt Siebert. „Es kamen auch die Geschwister der Teilnehmer und wollten mitmachen.“ Auf die Bühne gebracht hat es Aufführungen wie „Sister Act“ oder „High School Musical“. Die Themenreihe „Zwischen den Welten“ wird zum vierten Mal gespielt.

Unterstützt wird das Projekt vom Jugendmigrationsdienst des Internationalen Bundes (IB) West, der die Geflüchteten während der gesamten Projektlaufzeit intensiv betreut hat, sowie die Jugendzentren Köln, die Proberäume zur Verfügung stellten. In Räumen der Jugendwerkstatt Nippes des Vereins „Netzwerk“ bauten deutsche und geflüchtete Jugendliche gemeinsam das Bühnenbild.

Das Projekt wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Mittel des Bundesinnenministeriums sowie von der F.-Victor-Rolff-Stiftung gefördert. Dennoch ist Music4everybody dringend auf Spenden und auch auf Fördermitglieder angewiesen.

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