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Geflüchtete in der Corona-KriseAlte Feuerwache kümmert sich um Kinder aus Wohnheimen

Lesezeit 3 Minuten

Sidra (l.) und Mayas spielen mit Annika Wilde an der Alten Feuerwache Crossboule.

Köln – Annika Wilde erinnert sich an Mayas’ und Sidras erste Woche an der Realschule – und an ihren Plan. „Die anderen Kinder sind besser als wir. Wir wollen genauso gut sein wie sie“, sagten die elfjährigen Zwillinge aus Syrien, als sie wie jede Woche in die Lernförderung an der Alten Feuerwache im Kölner Agnesviertel kamen.

Die beiden Mädchen, lange, dunkle Haare im Pferdeschwanz und ernste Gesichter, sind ehrgeizig, sie gehen gerne zur Schule. Fragt man Mayas nach ihrem Lieblingsfach, rattert sie einfach den Stundenplan herunter. Gerade lernt sie nur in den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch dazu, die Hausaufgaben kommen per E-Mail. Oft funktioniert der alte Computer ihres Vaters nicht. Dann schauen sie sich ihre Aufgaben auf dem Handy an.

Familie teilt sich ein Zimmer

Kinder wie Mayas und Sidra treffen die nun schon zwei Monate andauernden Schulschließungen hart. Sie leben seit Jahren mit ihren Eltern und ihrer vierjährigen Schwester in einem städtischen Wohnheim für Geflüchtete am Hansaring. Ein Viertel der etwa 7500 Geflüchteten in Köln sind Schulkinder zwischen sechs und 16 Jahren, nur rund 2500 aller Geflüchteten leben in eigenen Wohnungen.

Andere Kinder schließen zur Zoom-Konferenz die Zimmertür, Mayas und Sidra werden in der Unterhaltung auf stumm geschaltet, weil im Hintergrund ihre Schwester schreit. Die Familie wohnt und schläft in einem Zimmer. In Syrien war ihr Vater Anwalt, sie hatten eine Wohnung in der Stadt und ein Haus auf dem Land, erzählen sie.

Vokabeln lernen im Chat

Aber die Mädchen sind tapfer: Sie gehen die Aufgaben der Lehrerin akribisch mit einer Mitarbeiterin der Alten Feuerwache per Video-Chat durch. Diese erklärt ihnen mathematische Brüche, fragt Englisch-Vokabeln ab, liest Texte über Tiere mit ihnen, um den deutschen Wortschatz zu erweitern. Das Pferd war zuletzt dran und wie man es richtig striegelt und bürstet.

Einmal in der Woche kommen Mayas und Sidra für eine Stunde zur Alten Feuerwache. „Im Moment können wir die Kinder nur einzeln treffen“, erläutert Wilde als Leiterin des Kinderbereichs, der natürlich ebenfalls seit Wochen geschlossen ist. „Dann gehen wir mit ihnen in den Park oder in den Hof, spielen zum Beispiel auf Abstand Crossboule oder Hockey.“

Die Abwechselung fehlt

Manche Kinder hätten einfach nur ein riesiges Redebedürfnis, sagt sie, „die hören dann gar nicht mehr auf zu erzählen“. Es fehlt der Austausch mit Gleichaltrigen und die Abwechselung.

Sidra und Mayas gehen mit ihrer Familie viel im Agnesviertel spazieren, eigentlich wollten sie im März mit Basketball anfangen. Nach ihrem ersten Probetraining kam dann die Kontaktsperre. „Hoffentlich können wir das bald wieder machen“, sagt Mayas und Sidra nickt.

Ferienprogramm findet in abgewandelter Form statt

In die Lernförderung des Bürgerzentrums, die „wir helfen“ und die Stadt Köln fördert, gehen normalerweise täglich Kinder aus den umliegenden Wohnheimen und aus bildungsfernen Familien. Sie alle eint, dass die Eltern bei den Hausaufgaben nicht helfen können. Deshalb brauchen sie so dringend Unterstützung. Allerdings sind nicht alle so vorbildliche Schüler wie die Zwillinge aus Syrien.

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Viele haben Schwierigkeiten, sich bei der Lernförderung per Video-Chat zu konzentrieren, erzählt Wilde. Sie brauchen eigentlich eine viel engere Betreuung, die gerade wegen der vielen Beschränkungen kaum möglich ist. Für diese Kinder ist es besonders gut, dass die Lernförderung der Alten Feuerwache seit gestern wieder den Betrieb weiterführen konnte.

Zumindest das Ferienprogramm soll in kleinen Gruppen stattfinden können. Wilde und ihr Team planen Bastel- und Tanzkurse für die Kinder, die ohnehin selten, aber dieses Jahr wohl gar nicht in den Urlaub fahren können. Sidra und Mayas wollen auch teilnehmen – und in den Ferien weiter für die Schule lernen.