Weniger SpendenSoziale Träger fürchten um ihre Zukunft
Köln – Die Erleichterung war groß. Nach sechs Wochen konnten am 11. Mai die zehn Kinder- und Jugendeinrichtungen der Katholischen Jugendagentur Köln (KJA) wieder ihre Türen öffnen. „Wir freuen uns sehr, dass wir die zeitweise Schließung, die wir wegen der Corona-Pandemie durchführen mussten, wieder zurücknehmen können und die Kinder und Jugendlichen jetzt wieder ihre feste Anlaufstelle haben“, sagte Georg Spitzley, Geschäftsführer der KJA Köln bei der Eröffnung der Offenen Tür (OT) Nonni in Ehrenfeld.
„Maximal zehn Besucherinnen und Besucher dürfen zu uns ins Haus. Alle erhalten am Eingang einen Nonni-Clubausweis und müssen sich registrieren, damit wir eine mögliche Infektionskette nachvollziehen können“, erklärte OT-Leiter Oliver Esser. Jeder Besucher habe derzeit die Möglichkeit, für zwei Stunden das Jugendzentrum am Helmholtzplatz zu besuchen. Allerdings sei aus Vorsicht nur das Erdgeschoss nutzbar. Dort sind Tischtennis, Gesellschaftsspiele, Kino im Saal und die Hausgabenbetreuung möglich.
„Es ist für alle eine echte Erleichterung, wieder nach draußen gehen zu können und einen Ort zu haben, wo man auch als Kind und Jugendlicher herzlich willkommen ist und vielleicht auch mal ein wenig Dampf ablassen kann“, sagte Bürgermeister Andreas Wolter.
Kleine Orte haben es schwer
Wie schwer die Corona-Zeit für Jugendliche aus sozial schwächeren Familien war und auch noch ist, beschreibt Sebastian Koerber, Geschäftsführer des Vereins Rheinflanke, der unter anderem die Jugendeinrichtung Grembox in Gremberghoven trägt und mit dem Projekt „Hope“ Spiel- und Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche in Flüchtlingsfamilien macht. Als das gesellschaftliche Leben zu einem guten Teil heruntergefahren werden musste, hat der Verein so weit wie möglich seine Beratungen digital angeboten.
Derzeit wartet die Rheinflanke darauf, dass die Grembox wieder öffnen kann. Ein vom Verein erarbeitetes Hygienekonzept wird derzeit von der Stadt begutachtet. Dennoch wird nicht alles so sein wie vor der Pandemie, sagt Pia Strohmeyer von der Rheinflanke. Denn die Grembox ist eine vergleichsweise kleine Einrichtung. „Daher planen wir, unser Angebot erst mal in den Außenbereich zu verlegen“, so Strohmeyer.
Nicht alle sitzen zu Hause
Mitarbeiter der Rheinflanke haben der Stadt auch ein Konzept vorgelegt, um aufsuchende Sozialarbeit zu machen. Denn nicht alle Jugendlichen säßen während der Corona-Krise zu Hause, sondern seien teilweise auch unterwegs. Derzeit habe die Stadt aber mit Hinweis auf die Richtlinien des Landes noch kein grünes Licht gegeben. Das ist an anderen Standorten zum Beispiel in Bedburg oder Düsseldorf anders.
Auch das Fußballprojekt „Hope“, das die Rheinflanke mit dem Verein Arminia 09 Zollstock durchführt, um junge Geflüchtete zu integrieren, konnte zunächst nicht weitergeführt werden. „Wir kamen nicht in die Flüchtlingsunterkünfte rein“, sagt Körber. Der regelmäßige Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen sei aber gerade in einer Krise enorm wichtig. „Junge Menschen brauchen eine Stütze und eine Heimat“, sagt Körber. Manche fühlten sich in der Krise schlecht informiert und alleine gelassen.
In den sozial schwächeren Familien könnte es wegen der vielen gleichzeitig zunehmenden Probleme zu häuslicher Gewalt kommen. Zahlreiche Eltern würden in Kurzarbeit geschickt oder verlören ihren Job, während die Kinder alles mitkriegen. „Die Stimmung ist etwas depressiv.“
Ungewisse Zukunft für Träger
Auch für viele Träger könnte es eng werden. Bei der Rheinflanke wurden die meisten Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Weil aber die Spendeneinnahmen nachließen, sei es ungewiss, ob der Verein sämtliche Arbeitsplätze erhalten könne. Es gelte befristete Gelder von 100 000 bis 150 000 Euro aufzufangen.
Körber fordert daher einen Rettungsschirm für soziale Träger. Große Träger könnten die Krise vielleicht länger aussitzen, die Rheinflanke nicht. „Irgendwann schlägt das zurück auf die Gesellschaft“, sagt Körber. „Wenn wir die Jugendlichen aus den Augen verlieren, drohen uns Verhältnisse wie in den französischen Banlieues.“
„Bedarf ist enorm“
Auch bei Amaro Kher, einem Projekt des Rom e.V., sind Kita und Schule wieder geöffnet. Während des Lockdowns waren beide Einrichtungen verwaist, selbst die Notbetreuung fiel aus, weil die Eltern nicht in systemrelevanten Berufen tätig sind. Wie bei der Rheinflanke versuchte das Team um Geschäftsführerin Ingrid Welke möglichst oft am Telefon oder über soziale Medien zu informieren. Man wolle nun in die digitale Infrastruktur investieren, weil das Ende der Pandemie nicht absehbar sei.
Für die Kinder von Amaro Kher sei die Betreuung unentbehrlich, weil die Mädchen und Jungen zu Hause oft keine adäquate Förderung erhielten. Die Familien seien mitunter arm, manche Eltern sprächen nur schlecht Deutsch, oft gäbe es nicht genug Platz, damit die Kinder in Ruhe ihre Hausaufgaben machen könnten. Wenn das Schulessen ausfalle, reiße dies ein Loch in die Budgets der Familien. „Der pädagogische Bedarf ist bei diesen Kindern enorm. Je länger es dauert, desto schlimmer wird es“, so Welke.
Zuschüsse gefährdet
Welke macht sich derzeit keine Sorgen um das feste Personal, eher um die Honorarkräfte. Amaro Kher wird regelmäßig von der Stadt unterstützt. Welke hofft nun, dass das auch für das Jahr 2021 gilt. Die Einnahmen der Kommune schmelzen wegen der geringeren Steuereinnahmen, die Ausgaben stehen unter Vorbehalt. „Alles kann sich jederzeit ändern“, so Welke. „Bislang stehen wir dank der Unterstützung der Stadt und »wir helfen« gut da.“
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Beim Verein Coach, der Lernförderung für Jugendliche und Beratungen für Eltern und Kinder anbietet, hat man davon profitiert, dass vor der Corona-Krise in neue Software investiert wurde. „Das hat enorm geholfen“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer, Andreas Kahle. Weil die Jugendzentren geschlossen hatten, habe man intensiv mit Online-Plattformen gearbeitet.
Doch das Lernen per Video ist für die Jugendlichen ungewohnt und bringt Probleme mit sich: Einerseits freuten sich die Jugendlichen, dass sie wieder Lernen könnten, andererseits sei es für manche schwieriger, sich zu Hause zu motivieren. „Bei denen, die unter beengten Bedingungen leben, ist es schlimm geworden.“