In der KriseJugz und SKM haben erstes digitales Jugendzentrum für Köln gegründet
Köln – Wo sonst Kinder und Jugendliche beim Mittagessen sitzen, stöhnend über den Hausaufgaben hängen oder stattdessen lieber Videospiele zocken, ist alles leer. Das Licht im Jugendclub ist aus, die Musikanlage stumm, die Stühle sind hochgestellt und die Sitzgruppen verwaist. Aus allseits bekannten Gründen musste, wie sämtliche Kölner Jugendclubs, auch das „Take Five“ in Bilderstöckchen bis auf weiteres seinen Betrieb einstellen.
Ortswechsel: Auch die Kalker Abenteuerhallen sind für Kletterer geschlossen. Aber oben im ersten Stock ist Leben. Dort sitzen Daniel Heimbach, Christian „Cizzah“ Schons und drei weitere Mitarbeiter und leiten nun ein Jugendzentrum mit 650 Besuchern – das erste digitale Kölns. Über die App „Discord“ können Nutzer in jeweils eigenen Chat-Kanälen für die Jugendclubs, aber auch über die Einrichtungsgrenzen hinaus, miteinander schreiben oder reden. Es gibt, wie gehabt, Hilfe bei den Hausaufgaben, bei Bewerbungen und aktuell bei Sorgen, die die Jugendlichen gerade nur schwierig jemandem erzählen können.
Ein Kanal, um in Kontakt zu bleiben
Viele seien mit dem enormen Schulpensum überfordert, kämen mit dem digitalen „Unterricht“ nicht gut zurecht oder haben Angst vor einer Ansteckung, wenn die Schule wieder öffnet, erzählen die Sozialpädagogen. Ein Junge zum Beispiel berichtet, dass er seinen kranken Opa mitpflege. Kann er das noch machen, wenn er wieder täglich mit seinen Mitschülern in einem Raum sitzt? „Wir machen nicht nur Unterhaltung, sondern vor allem Beziehungsarbeit“, sagt Schons, Pädagoge und Hip-Hop-Musiker aus dem „Take Five“. „Wir haben nach den Schließungen sehr schnell gemerkt: Wir brauchen einen Kanal, um in Kontakt zu bleiben.“
In einem kahlen Raum im Gebäude der Abenteuerhallen ist in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ eine Art Fernsehstudio entstanden, aus dem von Montag bis Freitag über die Videoplattform „Twitch“ ein vierstündiges Programm gesendet wird. Die meisten Angebote sind interaktiv. Jeden Nachmittag ab 14 Uhr gibt es ein vielfältiges Angebot, aus Basteln und Zauberei, Live-Hip-Hop-Sessions, Yoga oder Computerspiel-Runden – Desinfektionspausen inklusive. Über 100 Stunden wurde schon live gesendet. Auch dieser Kanal funktioniert in beide Richtungen. Die Interaktion sei hoch. „Wir kriegen sehr viel Feedback“, erzählt Salvatore Pendolino von Jugz. „Und sei es nur: »Schön, dich mal wieder zu sehen« oder »Leben die Pflanzen im Aufenthaltsraum eigentlich noch?«“
Angebot ist bis Ende Mai geplant
Mittlerweile beteiligten sich 51 Einrichtungen in Köln am virtuellen Jugendzentrum: der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) und die städtischen Jugendzentren (Jugz) haben den Anfang gemacht. Nun sind unter anderem der Lino-Club aus Lindweiler, die Awo, der Arbeitskreis für das ausländische Kind (Aak) und die Evangelische Kirche dabei, „wir helfen“ unterstützt das Angebot mit einer Spende.
„Überraschend ist, dass die Vernetzung auch zentren-übergreifend so gut funktioniert“, freut sich Daniel Heimbach von der Jugz. Mobilität sei in der Jugendarbeit immer ein schwieriges Thema, viele Kinder und Jugendliche verlassen ihren Stadtteil ungern, nun kriegen sie über den Kanal mit, was in anderen Einrichtungen angeboten wird. „Wir hoffen, dass das einen nachhaltigen Effekt hat, wenn wir wieder öffnen.“
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Von der Stadt kämen positive Rückmeldungen, so Schons. Auch viele Jugendliche hätten sich inzwischen gewünscht, dass es das Angebot auch nach der Krise noch gibt. Geplant ist der Stream erst einmal bis Ende Mai. Die Vernetzung über „Discord“ will das Team auf jeden Fall beibehalten. Klar sei aber: „Eine virtuelle Lösung kann die normale Jugendarbeit niemals ersetzen“, sagt Heimbach. „Im Chat weiß ich nie, wie es meinem Gegenüber wirklich geht.“ Und die digitale Umarmung sei ja auch noch nicht erfunden, ergänzt Schons grinsend.