Projekt zur PräventionAbhängige sprechen mit Kölner Schülern über ihre Drogensucht
Köln – Das Thema Freundschaft interessiert die Schüler besonders. Ob denn keiner ihrer Freunde gesagt hätte, sie soll kein Heroin nehmen, will Max von Katja wissen. „Viele wollten nichts mehr mit mir zu tun haben – oder haben selbst gespritzt oder geraucht“, antwortet die 41-Jährige geduldig auf die Frage des 14-Jährigen. Die beiden sitzen an einem verhangenen Mittwochmorgen in der gräulich-gelben Turnhalle in einem Nebengebäude der Porzer Alexianer-Klinik. Neben Max, runde Brille, schwarze Oversize-Jacke, sitzen sechs weitere Schüler in breiten Holzstühlen um Katja.
Sie gehen zum Irmgardis-Gymnasium im Kölner Süden und sind in der psychiatrischen Einrichtung im Osten der Stadt zu Gast, um über Drogen zu sprechen. Nicht mit einem Lehrer, Arzt oder Sozialarbeiter, sondern mit „Experten“. Denjenigen, die Drogen nehmen, irgendwann aufhören wollten, es aber alleine nicht konnten. Neun Patienten haben sich bereit erklärt zu sprechen. Sie werden in der Klinik von Alkohol und Cannabis entwöhnt.
Privatsphäre aller muss gewahrt werden
Diese Suchtmittel sind die meistkonsumierten unter Jugendlichen. Der Drogenbericht der Bundesregierung spricht von 8,7 Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren, die mindestens einmal wöchentlich Alkohol trinken. Jeder zehnte in dem Alter soll schon einmal Cannabis konsumiert haben.
Zwei der „Experten“ haben einen Heroin-Entzug hinter sich. Katja ist eine von ihnen. Sie ist schlank, ihr langes schwarz gefärbtes Haar trägt sie im Zopf, das Handy baumelt an einer Kette auf ihrer Hüfte hin und her, wenn sie mit dem Fuß wippt. Wie Max heißt sie eigentlich anders, das Projekt „Alexianer meets school“ funktioniert nur, wenn die Privatsphäre aller gewahrt wird.
Von verlorenen Freundschaften und ehemaligen Traumberufen
Das betont auch Oberärztin Ulrike Klose, als sie die etwa 50 Schüler am Morgen begrüßt. Die Patienten sollen nicht als Negativbeispiele herhalten, keine unglaubwürdigen „Bier ist böse“-Reden halten, sondern: von ihrem Leben erzählen – über gescheiterte Beziehungen, verlorene Freundschaften, Straftaten, den Schüttelfrost beim körperlichen Entzug, Traumberufe, die sie als Jugendliche hatten und die irgendwann von der Sucht verdrängt wurden.
„Mein Vater ist abgehauen, meine Mutter war eher eine Freundin“, fasst Katja ihre Kindheit zusammen. „Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, aber sie konnten mir nie richtig Halt geben.“ Als sie zu ihrem deutlich älteren Freund zog, nahm das Paar regelmäßig Heroin und verkaufte es. „Dealer muss es auch geben. So musste ich nicht klauen oder anschaffen gehen“, sagt sie. Katja hat den Heroin-Entzug lange hinter sich und nimmt seit 13 Jahren das Substitutionsmittel Polamidon. In der Klinik macht sie gerade seit zwei Wochen einen Cannabis-Entzug.
Achtklässler sind den Patienten gegenüber meist noch unvoreingenommen
Wie lange sie theoretisch brauchen würde, um sich heute Heroin zu besorgen, fragt Max neugierig. „Hatten Sie schon einmal Gras, das mit Glas verunreinigt war?“ Ob sie auf der Entzugsstation Freunde gefunden hätte, will eine Mitschülerin von Max wissen. Welche Droge wirkt am besten? „Die Achtklässler sind noch im besten Sinne naiv“, sagt Oberärztin Klose, die das Projekt vor über 15 Jahren als Beitrag zur Suchtprävention mitentwickelt hat. Zwar hätten viele schon erste eigene Erfahrungen mit Alkohol und Zigaretten gemacht, sind aber den Patienten gegenüber oft unvoreingenommener als ältere Schüler.
Es sei aber natürlich klar, dass das Gespräch mit Süchtigen nur ein Baustein in der Präventionsarbeit ist. „Die Schüler sollen einfach den Gedanken zulassen, dass jeder süchtig werden kann.“ Befragungen der Klinik hätten ergeben, dass die Schüler die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst an einer Drogensucht erkranken, nach den Gesprächen deutlich höher einschätzen.
Drogenhilfe Köln hat schon ähnliche Projekte durchgeführt
Auch Julia Thormann von der Drogenhilfe Köln befürwortet den Präventionsansatz der Alexianer. „Die Schüler können in solchen Gesprächsrunden ein Verständnis für die Süchtigen entwickeln.“ Die Drogenhilfe hat schon ähnliche Projekte in Schulen angeboten, konzentriert sich in der Präventionsarbeit mittlerweile aber auf einen Multiplikatoren-Ansatz. „Wir bilden Pädagogen aus, die mit Jugendlichen über Drogensucht sprechen.“
Außerdem werden unter den Schülern Ansprechpartner geschult, an die sich Mitschüler wenden können, die zum Beispiel bei einem Freund Probleme mit Alkohol und Cannabis beobachten. Das Prinzip ähnelt dem der Streitschlichter an Schulen.
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Was sie nun erwarte, wenn sie die Klinik verlässt, wollen die Schüler am Ende des einstündigen Gesprächs von Katja wissen. „Dann fängt zu Hause für mich die wahre Therapie an“, sagt die „Expertin“. „Dann bin ich wieder ganz auf mich gestellt.“