Spielewerkstatt e.V.Das Luftschiff ist gelandet
Köln – Vom Luftschloss zum Luftschiff – treffender könnte man die Entstehungsgeschichte des Kultur- und Begegnungszentrums der Kölner Spielewerkstatt, das beinahe auf den Tag genau vor genau zwölf Monaten auf dem Kölner Clouth-Gelände gelandet ist, kaum auf den Punkt bringen. Vielleicht noch mit „I had a dream“ – wollte man dessen Schöpfer Christoph Horstkotte in den Vordergrund rücken. Was dem Teamplayer allerdings gar nicht gelegen käme.
Verein vor Insolvenz gerettet
Die Geschichte beginnt im Jahr 1996 – als One-Man-Show in einer kleinen Nippeser Hinterhofgarage, die gefüllt ist mit allem, was Kindern Freude bereitet. Was in einen Bollerwagen passt. Und was Christoph Horstkotte vor der drohenden Insolvenz der Kölner „Spielewerkstatt“ retten kann. Der Verein, der seit seiner Gründung im Jahr 1984 spiel- und kulturpädagogische Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche anbietet, ist dieser Zeit in finanziellen Schwierigkeiten. Und der junge Diplom-Sportlehrer Christoph Horstkotte, seit einem Jahr als Honorarkraft tätig, wird quasi über Nacht zu dessen Geschäftsführer.
„Ich musste mich von fast allem trennen, von Mitarbeitern, den großen Räumen in der Heliosstraße, dem Fuhrpark“, sagt Horstkotte. Nicht aber von seinem Traum: ein großes Gebäude, in dem alle Angebote vereint sind, ein Kultur- und Begegnungszentrum für Kölner Kids und deren Familien. 22 Jahre und etliche Zwischenstationen soll es dauern, bis aus seinem Luftschloss ein 286 Quadratmeter großes Luftschiff wird. Aus einer One-Man-Show ein 13-köpfiges Team plus 35 Honorarkräfte. Aus einem Bollerwagen ein Fuhrpark mit vier großen Spielmobilen.
Mit dem Bollerwagen zum Bundespräsidenten
Doch zunächst ist da nur der mit Spieleangeboten gefüllte hölzerne Bollerwagen – den Horstkotte in einem verrosteten Lieferfahrzeug überall dorthin fährt, wo Kinder unterhalten und gefördert werden wollen. Im großen und im kleinen Stil. In die Villa Hammerschmidt zum Beispiel, zu einem Kinderfest des Bundespräsidenten Roman Herzog. Oder in Kölns Außenbezirke, wo es nur wenig Freizeitangebote für Jungen und Mädchen gibt.
Mit den Jahren wächst der Verein, zieht im Jahr 2000 aus der Hinterhofgarage an die Florastraße, wo es neue Räume und ein größeres Lager gibt – für einen Kicker, Seifenkisten und zahlreiche andere Spielsachen, mit denen die Mitarbeiter Woche für Woche die Spieleparcours in Kölns benachteiligten Vierteln aufbauen. Im selben Jahr kommt ein Malraum in einem ehemaligen Milch- und Eierladen in der Niehler Straße hinzu.
Als dessen Vermieter im Jahr 2013 androht, die Räume in der Florastraße zu kündigen, nimmt der Plan von einem alles beherbergenden Gebäudes, das sich Horstkotte jahrzehntelang ersehnt und erträumt, Fahrt auf – und Gestalt an, als der Verein erfährt, dass auf dem geplanten Clouth-Gelände in der ehemaligen Halle 17 ein Platz für eine soziale Einrichtung vorgesehen sei. Der Verein selbst, die Stiftung Wohlfahrtspflege und die Sparkasse Köln/Bonn ermöglichen die Finanzierung, die Inneneinrichtung im Wert von 100 000 Euro übernehmen der Landschaftsverband Rheinland (LVR), die Stadt Köln, die Kämpgen-Stiftung und „wir helfen“ .
Fiebernde Biber bringen Kinder zusammen
Heute, an einem trüben Montag im Mai, fast auf den Tag genau ein Jahr nach der offiziellen Eröffnung des Luftschiffs, sitzt Horstkotte mit seiner Ukulele auf dem grünen, runden Teppich vor seinem wahr gewordenen Traum am Luftschiffplatz 5 und singt mit der versammelten Kinder-Schar „Meine Biber haben Fieber.“ Sein Stellvertreter Marcel Marx betreut das sportliche Programm: Kicken und Klettern. Und Ehefrau und künstlerische Leiterin Eva Löffelholz ist für den kreativen Part zuständig: Stempeln und Malen im Innenhof.
„Der Montagnachmittag ist Chefsache“, sagt Horstkotte augenzwinkernd – und begrüßt weiter jedes Kind mit Namen und Handschlag. Minütlich werden es mehr Jungen und Mädchen, die das von der GAG Immobilien AG geförderte Angebot „Spiel/Kunst/Musik“ wahrnehmen. Kinder und Jugendliche jeden Alters und jeder Herkunft sind willkommen und haben hier die Chance, sich von Anfang an im neuen Viertel kennen- und respektieren zu lernen – egal, ob die Eltern auf dem Clouth-Gelände in einer geförderten GAG-Wohnung oder einem großen Eigenheim leben.
Funktionierende Quartiere schaffen
„Die GAG und wir verfolgen die gleichen Ziele: Nachbarschaften und funktionierende Quartiere zu schaffen und junge Menschen auf verschiedenen Ebenen zusammenzubringen“, sagt Horstkotte. Während sich der Platz um das Luftschiff mehr und mehr füllt, trudeln im Inneren die ersten Kinder ein – wo im 65 Quadratmeter großen Malraum parallel der Kurs „Kunstatelier mit Anna“ stattfindet. „30 Prozent unserer spiel- und kunstpädagogischen Angebote finden hier vor Ort statt – 70 Prozent extern“. Will heißen: Rund 130 Jugendliche und Erwachsene nutzen wöchentlich die 19 Kursangebote am Luftschiffplatz 5. Mit den mobilen, kostenlosen Projekten an 25 Orten in meist sozial benachteiligten Kölner Vierteln, den Ferienspielaktionen und Spielefesten vor Ort – nicht zuletzt auch mit dem „Kinderkultursommer“ erreicht der Verein bis zu 700 Kinder pro Woche.
Daneben beherbergt das Luftschiff einen 65 Quadratmeter großen Saal, in dem Musik- und Spielangebote, Kunstausstellungen und Chorproben stattfinden und einen 160 Quadratmeter großen Lagerraum im Keller – für Zelte, Bastelutensilien, Sportgeräte – und auch ein paar Bollerwagen. „Wir sind da, wo die Kinder sind, und das soll auch lange noch so bleiben“, sagt Horstkotte. Allein das bunte Treiben an diesem Nachmittag beweist: Das Luftschiff ist gelandet – genau am richtigen Ort, zu genau der richtigen Zeit!
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