TraumaberatungFit für die Integration
Köln – Schon am Freitag fiel die junge Frau ins Wochenendloch. Wenn der Sprachkurs zu Ende war und die Zeit für 19-Jährige zu lang wurde, begann sie zu feiern. In Clubs, exzessiv. Tanzte auf Techno-Partys, nahm Drogen, gab Geld aus, das sie nicht hatte. „Für sie war es eine Gelegenheit, ihre Probleme nicht zu nahe an sich heranzulassen“, sagt Linda Buchholz vom Beratungsprojekt „Aufwind“.
So können Sie helfen
Mit „wir helfen: weil alle Kinder eine Chance brauchen“ bitten wir um Spenden für Projekte, die benachteiligte Kinder in der Region unterstützen. Bislang sind 1262592,83 Euro eingegangen.
Die Spendenkonten lauten:
Kreissparkasse Köln, IBAN:
DE03 3705 0299 0000 1621 55
Sparkasse Köln-Bonn, IBAN:
DE21 37050198 0022252225
Vom Vater geschlagen
Auf der Flucht aus Afghanistan hatte die junge Frau Gewalt erfahren, in Deutschland wurde sie von ihrem inzwischen depressiven Vater geschlagen. Ihm nicht helfen zu können, verursacht ihr Schuldgefühle. Mutter und zwei Brüder, die nicht in Deutschland leben, vermisst sie. Dabei hatte sie den Start in ihrer neuen Heimat gut gemeistert: Die 19-Jährige spricht deutsch, hat den Schulabschluss und will studieren.
Sie ist eine von 27 geflüchteten Menschen, die die Trauma- und Sozialberatung „Aufwind“ im vergangenem Jahr betreut hat. Die Beratungsstelle am Ehrenfelder Helmholtzplatz wurde im Mai 2018 eröffnet. Das Team von „Aufwind“ (Linda Buchholz, Lena Voß und zwei Honorarkräfte) berät junge Menschen zwischen zwölf und 27 Jahren aus Köln und dem Rhein-Erft-Kreis und wird von der Katholischen Jugendagentur getragen.
Unklare Zukunft
Finanziert wird das auf drei Jahre angelegte Projekt aber durch Spenden und Sponsoren. Was nach 2020 passiert, ist derzeit noch unklar. Dabei gibt es viel zu tun: Denn bis zu 40 Prozent der Geflüchteten sind durch ihre leidvollen Erfahrungen in ihrer Heimat oder durch Gewalt auf der Flucht traumatisiert. Allein 8000 geflüchtete Menschen werden derzeit von der Stadt Köln untergebracht.
Therapieplätze gibt es aber nur wenige, obwohl ein Trauma spätestens ein Jahr nach der Diagnose behandelt werden sollte. Beim Therapiezentrum für Folteropfer der Caritas beträgt die Wartezeit anderthalb Jahre, bei „Aufwind“ derzeit drei Monate. Trauma brechen sich in vielen Symptomen Bahn. Manche Betroffene schlafen schlecht, leiden unter Panikattacken oder Depressionen, haben Alpträume, erleben wieder und wieder die Trauma auslösende Situation. Manchmal reichen banale Alltagsgegenstände aus, um diese Flashbacks auszulösen.
Die Lebensumstände in den oft beengten Flüchtlingsunterkünften macht die Situation nicht einfacher. Dass die Menschen nicht wissen, ob sie in ihr Heimatland abgeschoben werden, verunsichert sie obendrein.
Bei „Aufwind“ geht es nicht um Therapien, sondern um Beratung. Wer medizinische Hilfe benötigt, muss vermittelt werden. Aber das Team kann helfen, wenn Schul- und Berufsabschlüsse anerkannt werden müssen, vermittelt Sprach- und Integrationskurse, leitet Adressen von Ärzten, Suchtberatungsstellen und Freizeitangeboten weiter, unterstützt beim Umgang mit Ämtern, der Suche nach Jobs und Ausbildungen. Es gibt Gruppenangebote, einen Dolmetscherpool und ein Therapeuten-Netzwerk.
Wunden der Vergangenheit
Oft braucht es viel Zeit, um die Wunden aus der Vergangenheit zu heilen. Wer von anderen Menschen Gewalt erfahren musste, fasst nicht so schnell Vertrauen zu Menschen. Wichtig sei daher eine kontinuierliche Beratung, so Buchholz. Dies wäre beim Jugendmigrationsdienst oder bei ambulanten Psychotherapeuten nur schwer möglich. Denn zur Realität gehört auch, dass die geflüchteten Menschen schon mal einen Beratungstermin verpassen – auch weil sie sich im Rahmen der Beratung erneut mit der Traumaerfahrung auseinandersetzen müssen.
Der Erfolg von Beratungsstellen ist schwer zu bemessen. Deshalb soll eine Studentin mit Hilfe von Interviews festhalten, wie die Beratung von „Aufwind“ wirkt. Ein schöner Erfolg fällt Buchholz aber spontan ein: Um an Geld zu kommen, hatte sich eine junge Frau prostituiert. „Sie hat sich vieles gekauft, was sie sich nicht leisten konnte, weil sie aus großer Armut kam.“ Die Arbeit habe sie aber heruntergezogen. „Aufwind“ hat sie an das Jobcenter vermittelt. Heute macht sie eine Ausbildung, die Lage ist stabil. „Das ist ein großer Erfolg“, so Buchholz, „auch wenn die Umstände nicht immer perfekt sind.“
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