Am Anfang steht meist ein Balkonkraftwerk – dann investieren viele Bürger in größere Anlagen. Bei großen Freiflächen-Anlagen sieht es mau aus.
106.000 neue Anlagen auf DächernKein Ende des Solarbooms in NRW in Sicht
Die Bürger in Nordrhein-Westfalen investieren weiter kräftig in Solaranlagen. Im ersten Halbjahr 2024 sind rund 106.000 neue Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern mit einer Leistung von 1059 Megawatt montiert worden. Das ist ungefähr vergleichbar mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit liegt NRW nach Bayern (1841 MW) und Niedersachsen (1096 MW) im Vergleich der Bundesländer auf Platz drei.
Das Tempo in NRW ist durchaus unterschiedlich. Beim Zubau liegt im ersten Halbjahr der Regierungsbezirk Köln mit 238 MW vor Arnsberg (232,1 MW), Münster (213,5), Düsseldorf (192,3) und Detmold (180,8).
Diese Zahlen hat der Landesverband für Erneuerbare Energien (LEE NRW) aus den vorläufigen Meldungen zum Register der Marktstammdaten ermittelt. Sie können sich durch Nachmeldungen und Korrekturen noch leicht verändern.
„Es ist schön zu sehen, dass der Solar-Aufschwung in NRW anhält“, sagt LEE-Vorsitzender Hans-Josef Vogel. Die Energiepreise und der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit bei der Stromversorgung seien dafür ausschlaggebend.
Balkonkraftwerke als Test
Dass Solarenergie immer mehr zur Selbstverständlichkeit wird, zeigt sich bei den sogenannten Balkonkraftwerken, die einen regelrechten Boom erleben. 42.000 Stecker-Solaranlagen haben im ersten Halbjahr 2024 erstmals Strom erzeugt, sie lieferten immerhin vier Prozent der neu installierten Leistung. „Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, so Vogel. Für viele Menschen seien diese Mini-Solaranlagen ein Testballon. „Oft erfolgt danach der Kauf einer größeren Photovoltaikanlage.“
Wie viele Balkonkraftwerke in NRW und bundesweit tatsächlich in Betrieb sind, wird nicht erfasst. Nach Schätzungen von Branchenexperten werden allenfalls 20 bis 30 Prozent im Anlagenregister angemeldet.
Nach der LEE-Analyse sind bis Mitte des Jahres in den Kreisen Soest (57 MW), Steinfurt (54 MW) und dem Rhein-Erft-Kreis (51 MW) bislang die meisten Solaranlagen neu installiert worden. Bei den größeren, kreisfreien Städten gehören Dortmund (Leistung: 23,15 MW), Köln (20,75 MW) und Münster (13,15 MW) zu den Top 3.
Bei der NRW-Bilanz zum Solarausbau herrscht aber nicht nur eitel Sonnenschein. Die Zahl leistungsstärkerer und damit von den Erzeugungskosten günstigeren Freiflächenanlagen ist laut LEE NRW verschwindend gering. Im ersten Halbjahr entfiel auf dieses Segment lediglich etwas mehr als sechs Prozent der neu installierten Leistung. Insgesamt sind in diesem Jahr im bevölkerungsreichsten Bundesland bisher nur neun Freiflächenanlagen mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt neu ans Netz gegangen.
Wie günstig auf Freiflächen Solarstrom erzeugt werden kann, haben die jüngsten Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur gezeigt: Die Zuschläge für die erfolgreichen Gebote lagen im Durchschnitt bei knapp über fünf Cent pro Kilowattstunde. Damit ist dieser Solarstrom die günstigste Form der Stromerzeugung und damit aus Sicht des LEE NRW „unverzichtbar für ein klimaneutrales Industrieland, das Nordrhein-Westfalen werden soll“, so Vogel und verweist auf die Solar-Strategie der Bundesregierung, wonach der künftige Solarausbau zur Hälfte auf Dachflächen und zur anderen Hälfte auf Freiflächenprojekte entfallen soll. „Davon ist NRW derzeit noch meilenweit entfernt“, so Vogel.
Mehr Tempo gefordert
Um das Tempo beim Solar-Ausbau zu erhöhen, fordert der LEE NRW die Landesregierung auf, nach dem Vorbild der Taskforce Windenergie auch eine Taskforce Solarenergie einzurichten, die hilft, mehr Flächen für Solar-Projekte auszuweisen. Die schwarz-grüne Regierungskoalition müsse dafür sorgen, vorhandene Potenziale auf Freiflächen, aber auch schwimmende Solarparks oder Parkplatz-Photovoltaik an Autobahnen und Bundesstraßen besser zu nutzen.
Außerdem müssten die Menschen mit Kampagnen besser über die beschlossene Solarpflicht informiert werden. „NRW steht vor einem Solar-Boom, der allerdings kein Selbstläufer ist“, sagt Vogel. „Notwendig ist deshalb noch mehr Unterstützung aus dem politischen Raum.“