49-mal so viel Geld wie normale AngestellteDas sind die NRW-Spitzenverdiener im Dax
- Kein deutscher Manager verdient so viel Geld wie VW-Chef Herbert Diess. Das Gehalt der NRW-Manager im Dax liegt zwar darunter, ist aber dennoch beachtlich.
- Vergangenes Jahr lag noch Eon-Boss Johannes Teyssen auf dem ersten Rang im bevölkerungsreichsten Bundesland, jetzt schafft er es nicht mehr in die Top 4.
- Bei einem der NRW-Konzerne beträgt das Gehalt des Vorstandschefs „nur“ 17-mal so viel wie das eines normalen Angestellten. Das ist der geringste festgestellte Lohnunterschied.
Köln/Frankfurt – Und der Tabellenführer ist: Herbert Diess. Der Volkswagen-Chef hat im vergangenen Jahr mit knapp 9,9 Millionen Euro deutlich mehr verdient als alle anderen Vorstandschef der Konzerne, die im Deutschen Aktienindex (Dax) vertreten sind. Das geht aus einer Studie vor, die die Aktionärsschützer-Organisation DSW und Finanzexperten der TU München am Dienstag vorgelegt haben.
Diess löst Bill McDermott an der Spitze der Spitzenverdiener ab, der nicht mehr in der Wertung berücksichtigt wird, weil er im Herbst 2019 vom Chefposten des Softwarekonzerns SAP zurück getreten war. Auf Diess folgen Stefan Oschmann (Merck) mit 8,5 Millionen Euro und Joe Kaeser (Siemens) mit 7, Millionen Euro. Nicht in die Studie einbezogen wurde Linde-Chef Steve Angel, da es sich bei Linde im Grunde um eine ausländische Gesellschaft handelt.
Erster NRW-Chef auf Rang vier
Der erste NRW-Vertreter liegt auf Rang vier: Deutsche-Telekom-Chef Tim Höttges verdiente 2019 gut 6,6 Millionen Euro. Aus dem Bundesland mit den meisten Dax-Unternehmen folgt Frank Appel (Deutsche Post, Rang sechs) mit knapp 6,5 Millionen Euro. Fast genauso viel verdiente Hans van Bylen, der seit Ende 2019 nicht mehr auf dem Chefsessel bei Henkel sitzt. Bayer-Vorstandsvorsitzender Werner Baumann verdiente im vergangenen Jahr gut 6,22 Millionen Euro – rund 900 000 Euro mehr als 2018.
Insgesamt sind die Gehälter der Dax-Vorstände leicht gesunken, es gab geringere Boni, da die Gewinne vieler Unternehmen geschrumpft sind. Allerdings sind nach den Berechnungen von Gunther Friedl von TU München die Profite der Firmen deutlich stärker zurückgegangen als die Gehälter ihrer Manager.
Der Abstand zu Normalverdienern ist damit auch etwas geringer geworden – denn die Löhne stiegen 2019 im Schnitt um etwa 2,6 Prozent. Dennoch sind die Gehalts-Differenzen zwischen Vorständen und Beschäftigten in den jeweiligen Unternehmen nach wie vor gewaltig. Die Bruttogehälter der Bosse sind im Schnitt 49-mal höher als die Löhne der anderen Angestellten. Im Vorjahr war es sogar noch das 52-fache.
Krasser Unterschied bei Volkswagen
Besonders krass war zuletzt der Unterschied bei Volkswagen ausgeprägt. Hier haben die Experten der TU München einen Faktor von 86 errechnet, obwohl die Belegschaft noch relativ gut verdient. Der „Personalaufwand“ pro Mitarbeiter liegt laut Studie bei 66 000 Euro. Relativ egalitär geht es hingegen beim Leverkusener Chemiekonzern Covestro zu – mit einem Multiplikator von 17. Allerdings verdienen die Angestellten im Schnitt auch etwas mehr als 100 000 Euro im Jahr, Konzernchef Markus Steilemann verdiente 2019 gut 2,63 Millionen Euro. Die großen Unterschiede – Vertikalität genannt – sind seit Jahren Anlass für Debatten. Vor allem aus dem Arbeitnehmerlager wird Vorständen immer wieder Gier vorgeworfen; im angloamerikanischen Raum ist die Rede von den fetten Katzen.
Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer, betont, dass inzwischen zumindest heftige Diskussionen in den Aufsichtsräten geführt werden: „Das Thema Vertikalität spielt eine große Rolle. Es lässt sich so einfach nicht mehr wegschaukeln.“ Tüngler betont allerdings auch, dass es eine Art wünschenswerten Faktor für seine Organisation nicht geben könne. Umstritten ist unter anderem an welchen Kennziffern sich die Bezahlung der Top-Manager orientieren soll. So könnte man neben der Bezahlung der Belegschaft auch Umsatzzahlen zugrunde legen. Unternehmen rechtfertigen die hohen Gehälter der Vorstände in der Regel damit, dass man im internationalen Wettbewerb um Spitzenkräfte mithalten müsse.
Da schwimmen die Vorstandsvorsitzenden der hiesigen Unternehmen laut der TU-Analyse im Mainstream mit – zumindest in der Euroleague der großen börsennotierten Firmen. In den USA hingegen liege die Vertikalität deutlich über der in Deutschland, betont Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin. Die reichte 2019 bei den Unternehmen im Dow-Jones-Index vom 105-fachen bei Boeing bis zum 1939-fachen bei McDonalds.
Großzügige Altersbezüge kontrovers diskutiert
Ein anderes kontroverses Thema ist die Altersversorgung der Vorstände. Noch immer ist es üblich, dass Manager in Rente weiterhin großzügige Überweisungen von ihrem früheren Arbeitgeber erhalten. So kann sich nach Friedls Berechnungen Bernd Schieferle, CEO von Heidelberg-Cement, über jährliche Pensionszusagen in Höhe von 1,5 Millionen Euro freuen. Auch bei Post-Chef Frank Appel und bei Bayer-Boss Werner Baumann sind Ansprüche von jeweils bereits deutlich mehr als einer Million zusammen gekommen. Das sind Verpflichtungen, für die die Unternehmen Rückstellungen bilden müssen, was die Finanzkraft belastet. Deshalb macht sich Tüngler dafür stark, dass die Manager sich künftig selbst um ihre Altersvorsorge kümmern sollen.
Zu den auffälligen Unternehmen in der Auswertung zählen die beiden angeschlagenen Frankfurter Groß-Kreditinstitute: Spitzenreiter bei den Finanzchefs sei abermals „etwas überraschend“ James von Moltke (Deutsche Bank) mit einer Gesamtvergütung von 4,9 Millionen Euro, so Friedl. Er fügt hinzu: „Hier zeigt sich, dass nicht immer die Unternehmensperformance das Gehalt bestimmt.“ Ähnliches dürfte für das M-Dax-Mitglied Commerzbank gelten. Die Gehälter für den gesamten Vorstand kletterten im vorigen Jahr trotz heftiger Verwerfungen um gut 38 Prozent. Indes ist der absolute Spitzenreiter bei der Steigerung der Vorstandsgehälter der Berliner Kochboxen-Verkäufer Hello Fresh. Ein Plus von 286 Prozent hat vor allem mit der Entwicklung des Aktienkurses im vorigen Jahr zu tun, an der die Manager partizipierten.
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Die Bezahlung der Vorstände für dieses Jahr wird laut Tüngler „ein echter Lackmustest“ für die Vergütungssysteme. Es werde sich zeigen ob der Ansatz „Pay for Performance“ tatsächlich durchgehalten werde. In den Portemonnaies der Manager müsse sich niederschlagen, wenn die Gewinne zurückgehen, was bei vielen Firmen wegen Corona der Fall sein wird. Nachträgliche Anpassungen der Gehälter „sehen wir äußerst kritisch“, so Tüngler. Wenn Beschäftigte in Kurzarbeit gehen und Aktionäre keine Dividende erhalten, dann müssten auch Vorstände Verzicht üben. Ein mögliches Einfallstor sieht er darin, dass die Vergütungen künftig mehr auf Nachhaltigkeit und Langfristziele orientiert werden müssen. Deshalb muss in Verträgen von Vorständen einiges umgestrickt werden. Doch die veränderten Bestimmungen dürften für die Zeit nach Corona nicht zu einem Katapult für die Vergütungen werden. Darauf werden die Investoren sehr genau schauen, so der DSW-Geschäftsführer.