AboAbonnieren

Abwanderung in andere BranchenWarum in Köln so viele Arbeitskräfte fehlen

Lesezeit 3 Minuten
Außengastro1

Die Kölner Gastronomie sucht händeringend nach Personal.

Köln – Lange Wartezeiten an den Flughäfen, Restaurants mit verringerten Öffnungszeiten oder keine Handwerker zu bekommen – derzeit fehlen in vielen Branchen Mitarbeiter. Gab es bereits vor der Corona-Pandemie an vielen Stellen einen Mangel an Fachkräften, hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen zweieinhalb Jahren nochmals deutlich verschärft.

„Mittlerweile haben fast alle Branchen wie auch etwa besonders Pflege, Gastronomie, Lagerwirtschaft, Post, Zustellung, Fahrzeugführung oder auch Verkauf Arbeitskräftebedarfe, die sich nicht einfach decken lassen“, sagt Bianca Winter, Sprecherin der Kölner Arbeitsagentur. Ende Mai waren in Köln knapp 6000 offene Stellen im Bestand. In ganz Nordrhein-Westfalen gab es Stand Anfang Mai so viele freie Arbeitsstellen wie noch nie zuvor in dem Monat. „Fast 170.000 Stellen sind aktuell in NRW als offen und zu besetzen gemeldet“, sagte Torsten Withake, Vorsitzender der Regionaldirektion NRW der Agentur für Arbeit.

Wohin die Fachkräfte wandern

Wie lässt sich der nahezu schon flächendeckende Mangel erklären und wohin sind viele Arbeitskräfte in der Pandemie abgewandert? „Wir haben keine Statistik zu Wanderungsbewegungen während Corona. Viele Personen, die aber vorher in der Hotellerie oder Gastronomie beschäftigt waren, haben sich im Zuge der Lockdowns umorientiert“, sagte Sprecherin Winter. Viele sind etwa in den Handel gegangen oder haben neue Jobs bei Lieferdiensten oder Corona-Testzentren gefunden, die aufgrund des schnellen Wachstums massiv um neue Mitarbeiter geworben haben - wohingegen die Gastronomie pandemiebedingt nicht eingestellt, sondern deutlich an Mitarbeitenden verloren hat.

Ein Weg zurück wird dann sorgsam abgewägt, etwa mit Blick auf Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Sicherheit und Verdienst. „Da konkurrieren die Unternehmen gegenseitig um Arbeitskräfte“, sagt Winter. Und so reagieren viele Restaurants mit verringerten Öffnungszeiten oder Gäste müssen länger auf das Essen warten. Laut Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga NRW haben 200 Betriebe in einer Umfrage angegeben, mehr als die Hälfte ihrer Vollzeitstellen nicht besetzen zu können. Rund 80 Prozent suchten zudem Minijobber.

Das könnte Sie auch interessieren:

Arbeitszeiten und Bezahlung machen nichtnur dieser Branche zu schaffen. Ähnlich sieht es in der ohnehin seit Jahren überlasteten und unterbezahlten Pflege aus. Auch das Baugewerbe sucht dank niedriger Zinsen und starker Baukonjunktur nach Fachkräften. Deutliche Engpässe gibt es seit Jahren auch in einzelnen Sparten des Handwerks, wie etwa Bäckereien oder Fleischereien. Lange schon kritisierten Vertreter des Handwerks, dass die Bildungspolitik zu sehr auf die akademische Ausbildung gesetzt habe und die duale Ausbildung im Zuge dessen bei jungen Menschen an Attraktivität verloren habe.

Studierende wollen weniger arbeiten

Auch im Bereich der Studentenjobs zeichnen sich Veränderungen ab. „Wir sehen etwa, dass die Nachfrage nach Servicekräften für private Feiern derzeit das Angebot deutlich übersteigt“, sagt Alexandra Feldhofer, Sprecherin von Jobruf, eine der größten Studentenvermittlung im deutschsprachigen Raum mit Sitz in Köln. Andere Gelegenheitsjobs für Studierende seien hingegen nach dem Anfangsschock durch Corona relativ stabil, wie etwa Umzugshelfer oder Gartenhilfen. Ein Punkt sei allerdings auch, dass viele Studierende mittlerweile deutlich stärker abwägten, wie viel sie neben dem Studium arbeiten wollen. „Die Work-Life-Balance spielt eine deutlich größere Rolle als früher“, sagt Alexandra Feldhofer.

Ganz unabhängig von der Entwicklung in der Pandemie ist ein zentraler Grund für den Mangel an Arbeitsplätzen aber bereits seit Jahren der demografische Wandel. Denn seit geraumer Zeit gehen mehr Menschen in den Ruhestand als junge in den Arbeitsmarkt eintreten. Nun wird der Effekt dadurch verschärft, dass die geburtenstarken Jahrgänge, sie sogenannten Babyboomer, in Rente gehen und die Lücke größer wird.