IHK Neubau oder Sanierung„Wir rechnen mit einer Summe bis zu 90 Millionen“
- Nicole Grünewald, Präsidentin der IHK Köln, und Uwe Vetterlein, IHK-Hauptgeschäftsführer, sprechen über Vertrauen und Skepsis gegenüber der potenziellen neuen Landesregierung.
- Trotz steigender Zinsen rechnen sie mit einem vergleichsweise niedrigen Darlehenszins mit langer Bindung für ihr Bauvorhaben.
- Wie Grünewald und Vetterlein sicherstellen wollen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, erzählen sie im Gespräch.
Frau Grünewald, Herr Vetterlein, Schwarz-Grün scheint die wahrscheinliche neue Regierung in NRW, der Wirtschaft war Schwarz-Gelb am liebsten, wie sehen Sie das?Nicole Grünewald: Schwarz-Gelb war für die Wirtschaft alles in allem eine gute Zeit. Die Entfesselungspakete waren beispielsweise wichtige Schritte in die richtige Richtung. Mein Eindruck ist, dass die heutigen NRW-Grünen eher pragmatisch als ideologisch handeln und den Stellenwert der Wirtschaft in NRW kennen.
Uwe Vetterlein: In Sachen Klimaneutralität sind wir bereits jetzt auf dem gleichen Weg. Wichtig ist uns, dass die Politik Ökonomie und Ökologie vereint und nicht gegeneinander ausspielt. Das trauen wir den Grünen zu. Denn die NRW-Grünen haben verstanden, dass die Wirtschaft bei der ökologischen Transformation ein wichtiger Partner ist.
Dennoch gibt es Skepsis der Wirtschaft, was eine mögliche Solarpflicht, also der Pflicht zum Bau von Solaranlagen auf Neubauten angeht…
Grünewald: Wir als Vertretung der Wirtschaft sind immer skeptisch, wenn es um neue Pflichten und damit meistens gleichzeitig um mehr Bürokratie geht. Unserer Meinung nach regeln Angebot und Nachfrage den Markt besser als immer neue Vorschriften. Wenn Kundinnen und Kunden nachhaltige Waren kaufen wollen, dann wird die Wirtschaft diese produzieren. Das geschieht ja bereits.
Vetterlein: Die Grünen dürfen nicht vergessen: Es braucht Geduld. Politik sollte nicht vorschreiben, welche Technologie die beste ist. Ist das E-Auto auch in zehn Jahren noch das beste Modell oder ist Wasserstoff besser? Sind es Solarzellen oder Windräder? Wir müssen das ergebnis- und technologieoffen sehen.
Schauen wir auf die Bauvorhaben der IHK. Sie haben der Vollversammlung Pläne zur Abstimmung gegeben. Entschieden wurde die Prüfung einer umfangreichen Sanierung des alten Gebäudes oder eines Neubaus in einer Innenstadtlage. Dabei rechnen Sie mit einem Darlehenszins von nur einem Prozent. Das erscheint bei nun deutlich steigenden Zinsen nicht sehr realistisch?
Vetterlein: Das ist die Planung von 2021, nun steigen die Zinsen. Doch wir erhalten als IHK ähnlich gute Konditionen wie eine Kommune. Das bedeutet, dass die Zinssätze für uns zurzeit bei circa zwei Prozent liegen.
Haben Sie denn bereits ein konkretes Angebot einer Bank oder Sparkasse, die bereit ist, zu diesen Konditionen zu finanzieren?
Vetterlein: Wir sind in guten Gesprächen und gehen davon aus, dass wir Angebote von Konsortien mehrerer Banken bekommen. Je nach Variante reden wir von unterschiedlichen Summen. Bei der Weiterentwicklung unseres Bestandsgebäudes gibt es für denkmalgeschützte Gebäude beispielsweise auch staatliche Förderungen.
Wie hoch wird der Kredit denn für eine Sanierung sein?
Vetterlein: Es geht hier eben nicht um eine reine Sanierung wie in der Vergangenheit, sondern um eine zukunftsfähige Weiterentwicklung des Gebäudes. Dafür muss man laut Machbarkeitsstudie mit einer Projektsumme von 80 bis 90 Millionen Euro rechnen. Davon haben wir 33 Millionen in der Rücklage.
Sie rechnen mit einer Zinsbedingung von 20 Jahren. Wie realistisch ist das heute noch, dass Sie das in einem solchen Zinsumfeld bekommen? Haben sie schon einen Forward abgeschlossen?
Vetterlein: Wir greifen unseren Gremien nicht vor. Denn zunächst entscheidet die Vollversammlung über die weitere Vorgehensweise. Zunächst stehen die zukunftsfähige Weiterentwicklung oder ein Neubau zur Wahl.
Grünewald: Wir machen alles transparent. Deshalb legen wir der Vollversammlung zwei gleichberechtigt nebeneinanderstehende Optionen zur Entscheidung vor. Beide Optionen werden gerade geprüft. Erst wenn die finale Option feststeht, wissen wir auch, wie hoch der Zinssatz ist.
Bei den rund 100 Millionen Euro rechnen Sie mit 25 Millionen für konsumtive Ausgaben, die dann als Verlust anfallen. Müssen die Mitgliedsunternehmen dann ein Sonderopfer bringen?
Vetterlein: Es handelt sich hier um nicht aktivierungsfähigen Aufwand, und die gesamte Summe wird weder bei einer Weiterentwicklung noch bei einem Neubau innerhalb eines Jahres anfallen. Natürlich werden wir nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Als IHK werden wir ähnlich wie eine Kommune behandelt, das heißt: Eine IHK kann nicht pleitegehen. Notfalls würde das Land einspringen. Doch das wird nicht passieren.
Grünewald: Aufgrund dieser Stellung hat eine IHK eine sehr gute Bonität, die sich sowohl auf die Kreditwürdigkeit als auch auf Zinsen auswirken wird.
Was geschieht, wenn die wirtschaftliche Lage sich abschwächt, es den Unternehmen nicht mehr so gut geht und damit auch die IHK-Beiträge sinken?
Vetterlein: Schon in „normalen Zeiten“ gibt es Beitragsschwankungen von ungefähr zehn Prozent, bei einem Budgetvolumen von rund 40 Millionen Euro. Ein Zinsanstieg von einem auf zwei Prozent ist also nichts, was uns aus der Ruhe bringen würde. Bei fünf Prozent müssten wir neu rechnen, aber das sehe ich nicht.
Die Baukosten sind explodiert, überall ist Material knapp und weltweite Lieferketten funktionieren nicht mehr. Wo findet sich das in Ihren Plänen wieder und wie hoch ist Ihr Risikopuffer?
Vetterlein: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir in diesem Jahr nicht mehr bauen müssen. Wir gehen davon aus, dass die Lage im nächsten Jahr wieder übersichtlicher sein wird. Es wird wohl nicht günstiger, aber zumindest planbarer.
Wie kommen Sie zu der Annahme?
Vetterlein: Die Lieferketten werden wieder besser funktionieren, weil die Unternehmen neue Strategien entwickeln werden, um Lieferprobleme zu lösen. Die Erfahrung zeigt auch, dass in Zeiten höherer Zinsen weniger Bauprojekte ohne festen Mieter finanziert werden. Das könnte zu einem geringeren Bau-Volumen führen. Bei unseren Berechnungen auf die Baupreise der Machbarkeitsstudie hatten wir bereits eine Risikomarge von rund 40 Prozent aufgeschlagen.
Die IHK Köln hatte bislang eine Selbstverpflichtung, EU-weit auszuschreiben, warum wurde das gekippt?
Vetterlein: Wir halten uns an Recht und Gesetz. Als Kammer werden wir rechtlich behandelt wie ein Privatunternehmen und müssen nicht europaweit ausschreiben. Unsere neue Vergaberichtlinie folgt der aktuellen Rechtsauffassung. Natürlich könnten wir auch weiterhin europaweit ausschreiben. Das tun wir, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Wir handeln als Kammerführung wirtschaftlich sinnvoll und sparsam und gehen auch davon aus, dass sich nicht nur Kölner Unternehmen bei unseren beiden Vorhaben bewerben würden.
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Sie kalkulieren mit 279 Arbeitsplätzen für insgesamt 306 Menschen. Wie geht das zusammen?
Vetterlein: Wir haben unsere Flächenbedarfe in einem transparenten Prozess mit Ehrenamt und Hauptamt genau berechnen lassen. Die Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass ein Faktor von circa 0,8 für uns sinnvoll ist. Das heißt, für zehn Mitarbeiter wird es acht Präsenzarbeitsplätze geben. Bereits jetzt haben wir einige Partnerorganisationen bei uns im Hause wie die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V. oder die Otto-Wolff-Stiftung.
Sanieren im Bestand oder Neubau – beides birgt Risiken. Wie stellen Sie sicher, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen?
Grünewald: Wären wir in das zu kleine Gebäude in Mülheim gezogen, hätte die IHK Köln jedes Jahr ca. 1,5 Millionen Euro für die Anmietung von zusätzlichen Räumen zahlen müssen. In unserem Ausbildungszentrum in der Eupenerstraße läuft der Mietvertrag in Kürze aus, die Mitarbeitenden hätten in Mülheim gar nicht hineingepasst. Dort gab es auch keine Prüfungs- oder Veranstaltungsräume, die wir als IHK aber brauchen! Wir gehen davon aus, dass beide von uns vorgeschlagenen Varianten in einem Zeitraum von 20 Jahren nicht mehr als das Lofthaus zuzüglich der notwendigen Mietausgaben kosten werden. Darüber hinaus wird die IHK passendes und zukunftsfähiges Eigentum schaffen. Das ist nachhaltiger.
Vetterlein: Natürlich birgt die Sanierung eines Bestandsgebäudes mehr Überraschungen als ein Neubau. Doch mögliche Risiken untersuchen wir gerade, sodass wir der Vollversammlung zwei realistische Optionen vorschlagen werden.
Frau Grünewald, Sie haben in der Vergangenheit auf einen Kostendeckel von 40 Millionen gedrängt. Nun wird es wohl mehr als doppelt so teuer. Wie lässt sich das vereinbaren?
Grünewald: Für die Beitragszahlenden wird es nicht doppelt so teuer. Die Belastungen aus Kauf des Gebäudes in Mülheim zzgl. Miete wäre voraussichtlich höher gewesen als die jetzt notwendige Finanzierung. Darüber hinaus waren die damaligen Sanierungspläne eine Konservierung des Bestehenden – und keine Vision für eine moderne IHK. Wir werden neben der Institution IHK auch das entsprechende Gebäude zukunftsfähig machen, ob Bestandsgebäude oder Neubau. Denn wir wollen eine hohe Aufenthaltsqualität für unsere Mitglieder und Mitarbeitenden, barrierefrei, möglichst nachhaltig und zukunftsgerecht!