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Aus für das KettcarDiese bekannten NRW-Marken gibt es auch nicht mehr

Lesezeit 6 Minuten
Kettcar (1)

Millionen Kinder in Deutschland wuchsen mit dem Tretauto Kettcar auf.

  1. Kettler, der Hersteller des Tretautos Kettcar, ist insolvent und stellt die Produktion ein.
  2. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Marken aus NRW ebenfalls verschwunden.
  3. Eine Kölner Supermarktkette löst noch heute nostalgische Erinnerungen aus.

Köln – Viele Marken aus NRW prägten die vergangenen Jahrzehnte nachhaltig. Doch aus verschiedensten Gründen verschwanden sie aus dem Blick. Manche wurden einfach von Konkurrenten geschluckt, andere gingen in die Insolvenz oder verloren einfach die Gunst der Kunden. Eine Auswahl verschwundener Marken aus NRW.

Kettcar

Millionen Kinder sind mit einem Kettcar der Sauerländer Firma Kettler aufgewachsen. 70 Jahre nach der Gründung des Tretauto-Herstellers muss das Unternehmen nun seine Werke schließen – Kettler ist insolvent. Mehr als 15 Millionen Kettcar-Exemplare wurden verkauft, seit 1980 steht der Markenname sogar im Duden: „mit Pedalen über eine Kette angetriebenes Kinderfahrzeug“.

Firmengründer Heinz Kettler erfand nicht nur Tretautos, sondern baute auch Fahrräder, Hometrainer und Gartenmöbel. Von einer ruhmreichen Vergangenheit alleine lässt sich allerdings nicht leben: Nach Kettlers Tod im Jahr 2005 ging es bergab. Dreimal innerhalb von vier Jahren mussten die Kettler-Manager Insolvenz anmelden. Beim dritten Mal scheiterte die Rettung. Vergangene Woche wurden 400 der 550 Kettler-Mitarbeiter freigestellt, die restlichen Angetellten wickeln in den kommenden Monaten die Produktion ab. Das Kettcar, ein unvergessliches Stück Kindheit der Vor-Smartphone-Ära, erfährt keine Neuauflage mehr.

Stüssgen

1897 war Cornelius Stüssgen mit seiner Kölner Konsum-Anstalt auf der Venloer Straße in Ehrenfeld ein Pionier der Supermarkt-Idee. Die Waren, erstmals verkaufsfertig abgepackt, wurden nur gegen Barzahlung abgegeben, das Anschreibenlassen – zuvor gang und gäbe – erlaubte Stüssgen nicht. 1904 betrieb der Kaufmann zwölf Filialen im Rheinland, 1933 waren es schon 145. Nach dem Zweiten Weltkrieg startete Stüssgen erneut und revolutionierte den Lebensmittelhandel in den 50er Jahren noch einmal mit dem ersten Selbstbedienungssupermarkt.

Stüssgen

Die Kölner Supermarktkette Stüssgen wurde 1897 gegründet.

Cornelius Stüssgen starb 1956 mit fast 80 Jahren und erlebte so nicht mehr den Niedergang seines Unternehmens. Discounter und Verbrauchermärkte auf den grünen Wiesen sowie eine verfehlte Expansion brachten den Betrieb zunehmend in die Bredouille. Rewe übernahm 1984 zunächst gut die Hälfte der Kölner Supermarktkette, 1989 den Rest der Stüssgen-Anteile von der Familie. 2005 wurden die Stüssgen-Märkte zu Minimal-Filialen umgewandelt, ein Jahr später ins Rewe-Filialnetz integriert.

Sal. Oppenheim

Keine Bank war wohl so mit der Stadt Köln verbunden wie das Privatbankhaus mit dem nicht gerade unkomplizierten Namen „Salomon Oppenheim junior. & Cie. Aktiengesellschaft & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien“, oder salopp Sal. Opp genannt. Es war die erste Adresse für Menschen, die Geld anlegen wollten. Oder besser: für Menschen, die sehr sehr viel Geld anlegen wollten. Sie galt als größte Privatbank der Republik mit einer mehr als 200-jährigen Geschichte.

Die Krise im Zusammenhang mit den Oppenheim-Esch-Fonds brachte das Geldhaus in erhebliche Schwierigkeiten. Schließlich kaufte im Jahr 2009 die Deutsche Bank Sal. Oppenheim für eine Milliarde Euro. Vor zwei Jahren verkündeten die Frankfurter dann, Sal. Oppenheim aufzugeben und die verbliebenen Kunden in die Deutsche Bank zu integrieren. Der aktive Geschäftsbetrieb wurde am 30. Juni 2018 eingestellt – 220 Jahre nach Gründung von Sal. Oppenheim.

Mannesmann

Im bergischen Remscheid hatten die beiden Brüder Max und Reinhard Mannesmann um 1885 eine geniale Idee. Sie entwickelten ein Verfahren, in dem man nahtlose Stahlrohre schmieden konnte. Zuvor hatte es weltweit viele schwere Unglücke mit Todesopfern gegeben, weil Rohre unter hohem Druck geplatzt waren. Nahtlose Rohre sind aber um ein Vielfaches belastbarer als solche mit Nähten.

1893 zog Mannesmann nach Düsseldorf. In den folgenden Jahren wurde das Unternehmen einer der bedeutendsten Industriekonzerne Deutschlands, der nicht nur Rohre, sondern auch Krane , Bagger, Maschinen und Elektronik herstellte. 1990 erwarb man die Lizenz zum Betrieb des ersten Mobilfunknetzes. Das wurde nicht nur sehr erfolgreich, sondern schließlich Mannesmann auch zum Verhängnis. Denn im Jahr 2000 schluckte Vodafone nach einer beispiellosen feindlichen Übernahmeschlacht die Düsseldorfer für 190 Milliarden Euro – bis heute die teuerste Übernahme der Welt. Alle Industriesparten wurden verkauft, um den Deal zu finanzieren, Mannesmann wurde komplett zerschlagen. Aus Rest-Mannesmann wurde Vodafone Deutschland.

LTU

Die Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft machte wie keine andere die Deutschen zu einem Volk der (Flug-)Reisenden. 1955 von einem Engländer und einem Bauunternehmer aus dem Ruhrgebiet gegründet, zog die Airline 1960 in die NRW-Landeshauptstadt. Schon zehn Jahre nach dem Umzug setzte man bei dem „Luft-Transport-Unternehmen“ ausschließlich auf Düsenjets. Stark prägend waren dabei die Tristars von Lockheed und die McDonnell Douglas MD-11, mit ihren charakteristischen dritten Triebwerken unter der dem Heckleitwerk. Die Deutschen liebten Mallorca, und deshalb liebten sie auch die LTU. Denn keine Airline flog so oft und so billig von NRW aus auf die Mittelmeerinsel.

LTU

Der Ferienflieger LTU aus Düsseldorf wurde von der heute insolventen Air Berlin geschluckt.

Lange lief es rund beim Ferienflieger. Neben der WestLB, die es ja auch längst nicht mehr gibt, stiegen die ebenfalls nicht mehr existente Swissair als Anteilseigner ein, und auch die Kölner Handelskette Rewe gehörte zwischenzeitlich zum Eigentümerkreis. Die Swissair-Pleite und die New Yorker Anschläge 2001 trafen die LTU hart. LTU wollte zum Linienflieger werden, verabschiedete sich von der klassischen rot-weißen Streifenbemalung. 2007 verkündete Air-Berlin-Chef Joachim Hunold die Übernahme der LTU. Ein Jahr später nach kurzer Übergangsphase ging LTU in der Air Berlin auf. Am 16. August 2009 hob die letzte LTU-Maschine nach Abu Dahbi ab, um umlackiert als Air-Berlin-Flieger zurück zu kommen. Erst verschwand der Name LTU, und mit der Insolvenz der Air Berlin auch die gesamte Airline. Ganz unschuldig daran aber war die LTU nicht. Denn nach langem Kampf musste die Air Berlin die Tarifverträge der viel höher besoldeten LTU-Mitarbeiter für die gesamte Airline übernehmen. Viele Luftfahrt-Experten sagen, das sei ein Teil der Probleme, die zur Insolvenz führten.

Babcock

Der Industriekonzern aus Oberhausen hat einen englischen Name, weil er 1891 zunächst in London gegründet wurde. In den ersten Jahren des 20. Jahrhundert zeichnete sich Babcock durch verschiedene Innovationen auf dem Gebiet des Kesselbaus aus. Die englischen Eigentümer zogen sich erst in den 1970er Jahren zurück, zugunsten des Iran. 1970 wurde der Lokhersteller Borsig übernommen. Babcock Borisg wuchs mit etwas, das heute aus der Mode gekommen ist: der Bau von Kernkraftwerken, etwa des Meilers Mülheim-Kärlich, das nach nur 30 Monaten im Jahr 1988 wieder vom Netz genommen wurde.

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Babcock wurde immer größer, kaufte Teile von Preussag und den Gummersbacher Kesselbauer Steinmüller. Ein Vorbote des Untergangs war der Rauswurf aus dem Dax 1995. Babcock war der erste Konzern, dem das passierte. 2002 wurde der Industriegigant mit 20.000 Mitarbeitern insolvent, was auch die Interventionen von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement und Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht verhindern konnten. Babcock wurde zerschlagen, die Teile verkauft.

Horten

Horten

Horten war einst die viertgrößte Warenhauskette Deutschland.

Die Warenhauskette war die viertgrößte der Bundesrepublik. Gründer Helmut Horten machte eine Lehre bei Warenhaus-Gründer Leonhard Tietz. Die Düsseldorfer Firma Horten war eine der ersten, die ihre Kaufhäuser mit Rolltreppen und Supermärkten ausstattete. Von außen waren die Kaufhäuser an den charakteristischen Hortenkacheln zu erkennen. Horten ging Ende der 1980er Jahre an die WestLB und wurde schließlich Schritt für Schritt von Kaufhof (damals noch Metro-Tochter) übernommen, der Hortens Galeria-Konzept übernahm – bis heute.