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Veganer Fleischersatz auf der Anuga in KölnDas 100-Milliarden-Dollar-Geschäft

Lesezeit 5 Minuten
investitionen vegane Burger

Der Markt für vegetarische und vegane Ersatzprodukte boomt.

  1. Auf der Anuga haben Anbieter pflanzlichen Fleischersatzes viel Aufmerksamkeit erregt.
  2. Auch Investoren aus der Region sind auf den Boom-Markt aufmerksam geworden und schießen Millionen in die Branche.
  3. Zur Zielgruppe gehören aus gutem Grund auch Fleischliebhaber.

Köln – Am Stand des größten deutschen Geflügelzüchters Wiesenhof auf der Lebensmittelmesse Anuga locken vor allem die veganen Produkte von Beyond Meat die Besucher an. Der US-Konzern hat nur eine kleine Ecke angemietet: Ein Koch brät dort Burger und Würste, eine weitere Angestellte richtet sie mit Brötchen häppchenweise an. Sie sind schnell vergriffen. Der kleine Auftritt von Beyond Meat steht der Bedeutung, die das Unternehmen für die Lebensmittelindustrie hat, diametral gegenüber. Es führt die eigens ausgerufene „pflanzenbasierte Revolution“ an – mit Burgerfleisch und Würsten, die zwar aussehen und schmecken, als seien sie aus Tieren gemacht, aber hauptsächlich aus Wasser, Erbsenproteinen, Rapsöl und Kokosöl bestehen. Für die rote Fleischfarbe kommt noch Rote-Beete-Saftextrakt hinzu, für den Geschmack Salze und natürliche Aromen.

Auf der Anuga ist Beyond Meat zwar der prominenteste, bei weitem aber nicht der einzige Anbieter von Pflanzenfleisch. Das Kölner Restaurant Bunte Burger zeigt den Superpaddy-Burger auf Bohnenbasis, vegan, frei von Gluten, Soja und Palmöl. Die Briten von Moving Mountains bewerben ihre Burger und Bratwürste aus Erbsen, Weizen, Soja und Pilzen mit dem Slogan „100 Prozent Pflanzen, null Prozent Kühe“. Die bayerische Firma Frostmeat schreibt über ihren Pflanzen-Burger: „Er schmeckt nicht nur, wie ein guter Burger schmecken muss! Er sieht auch aus wie ein perfekt gegrillter Burger!“

Beyond-Meat-Aktie legte um 468 Prozent zu

Wie groß der Markt für pflanzliche Fleischalternativen ist, deutete sich im Mai dieses Jahres an, als Beyond Meat – gegründet 2009 – den Börsengang wagte: Die Anleger rissen sich um die Aktien, der Kurs schloss am ersten Handelstag 163 Prozent über dem Ausgabepreis von 25 Dollar, in den Tagen danach ging die Kursrallye weiter. Zwar hat sich die Hatz auf die Beyond-Meat-Wertpapiere inzwischen etwas beruhigt, deren Erfolg ist aber weiterhin beachtlich: Eine Aktie ist aktuell 142 Dollar wert – plus 468 Prozent seit Handelsstart.

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„Die Food-Revolution geht stark von den USA aus."

Der Markt für alternative Proteinquellen – so bezeichnen Experten die Sparte – wird vom britischen Investoren-Netzwerk Fairr aktuell mit 19,5 Milliarden Dollar bewertet. Laut Fairr ist das nur der Anfang: Innerhalb von 15 Jahren soll der weltweite Umsatz ein Volumen von 100 Milliarden Dollar erreichen.

Neben der Besorgnis um das Tierwohl gilt vor allem ein steigendes Umwelt- und Klimabewusstsein als eine zentrale Ursache für die aktuelle Größe des Markts und dessen erwartetes Wachstum. Das Weltwirtschaftsforum kommt in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass der Wechsel von Fleisch zu Alternativproteinen zu einer signifikanten Reduktion von Treibhausgas-Emissionen führen könnte. Erbsen, Tofu, die an Beliebtheit zunehmende Jackfrucht, Bohnen oder auch Insekten verursachen in der Produktion demzufolge nur einen Bruchteil der Emissionen von Rindfleisch und bestehen auch im Vergleich mit Hühner- und Schweinefleisch.

Katjesgreenfood investiert Millionen

„Gemeinsam sind die fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne bereits heute für mehr Treibhausgas-Emissionen pro Jahr verantwortlich als die Ölkonzerne Exxon-Mobil, Shell oder BP“, lautete 2018 das Fazit einer Studie des agrarindustriekritischen Institute for Agriculture and Trade Policy.

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Pflanzenprotein-Burger der bayerischen Firma Frostmeat

Manon Littek hat ebenfalls Zahlen parat: Die Produktion von tierischem Fleisch verbrauche neunmal mehr Wasser als jene veganer Proteine, der Landverbrauch sei achtmal höher. Littek ist die Geschäftsführerin der Investmentfirma Katjesgreenfood, Berliner Schwestergesellschaft des Fruchtgummiherstellers Katjes aus Emmerich. „Wir investieren ausschließlich in pflanzliche Produkte – bislang im niedrigen zweistelligen Millionenbereich“, sagt Littek im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Die pflanzliche Wurst des US-Konzerns Beyond Meat

Zuletzt beteiligte sich Katjesgreenfood an Pigout – der neuen Firma des Beyond-Meat-Chefentwicklers Dave Anderson, die vegane Speckchips herstellt. Auf Basis gebackener und gewürzter Pilze imitieren die Chips Schweinespeck. Littek kommentierte den Deal bei der Bekanntgabe im Juni mit den Worten, Pigout habe das Potenzial, „den 30 Milliarden Dollar schweren US-Bacon-Markt zu disruptieren. Mit diesem Investment führen wir die Unternehmens-DNA von Katjes fort, die bereits seit 2010 die Gelatine aus den Produkten genommen hat.“

Zur Zielgruppe gehören Fleichliebhaber

Sie sei seit ihrer Kindheit Vegetarierin, erzählt Littek: „Als mir bewusst wurde, dass Fleisch aus Tieren ist, konnte ich es nicht mehr essen.“ Pigout, Beyond Meat und andere Wettbewerber wie das Düsseldorfer Unternehmen Likemeat, das aus Soja Filetstücke, Grillwürstchen und Burger macht, richten sich indes auch an die Gruppe der Fleischliebhaber. Jene, die eigentlich nicht auf Fleisch verzichten wollen, denen nicht mit Umwelt- oder Tierschutzargumenten bei der Abkehr vom Fleisch beizukommen ist.

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Katjesgreenfood hat zuletzt in die Schweinespeck-ähnlichen Pilzchips Pigout investiert.

Der US-Amerikaner Bruce Friedrich war lange Zeit militanter Tierschützer, der Videos gequälter Tiere veröffentlichte und Modenschauen stürmte, um Pelzmäntel mit falschem Blut zu bespritzen. Später besann er sich, gründete 2015 ein Institut zur Erforschung alternativer Proteinquellen und versucht nun, Fleischesser mit Pflanzenprodukten zu überzeugen, die aussehen und schmecken wie Fleisch. Der „New York Times“ sagte Friedrich, es gehe ihm nicht mehr darum, das Denken der Menschen über Essen zu ändern: „Wir wollen das Essen ändern.“

Ethik ist kein Argument

Auch der Managerin Manon Littek geht es nicht darum, ein Nischenpublikum mit Ethik zu überzeugen: „Wir wollen die Masse mit Geschmack, Preis und Marke erreichen. Vor allem muss es sehr gut schmecken.“

Die Zielgruppe seien Fleischesser und Flexitarier, also Menschen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, aber gelegentlich trotzdem gerne Fleisch essen. Vor allem Millennials, also die in den 1980er und 1990er Jahren Geborenen, zeigten ein wertebasiertes Ernährungsverhalten: „Zudem sind Lebensmittel auch Ausdruck von Identität und ein Statement für ethische Werte und Nachhaltigkeit.“

Katjesgreenfood ist inzwischen an zehn Lebensmittelfirmen beteiligt, die Hälfte davon kommt aus den USA, die andere Hälfte aus Deutschland. Lebensmittel-Unternehmen bräuchten viel Kapital für ihr Wachstum, die Bedingungen seien in Übersee deutlich besser: „Die Food-Revolution geht stark von den USA aus, die uns drei bis vier Jahre voraus sind – nicht nur bei Innovationen, sondern auch bei Investoren und Kapital“, sagt Manon Littek. Tatsächlich erregte Beyond Meat nicht nur bei klassischen Risikokapitalgebern viel Aufmerksamkeit, auch Prominente schossen Kapital bei: Microsoft-Gründer Bill Gates ist ebenso beteiligt wie Hollywood-Start Leonardo DiCaprio. Manon Littek ist sicher: „Beyond Meat hätte in Europa so nicht entstehen können.“