AboAbonnieren

Autorin legt Einkünfte offen„Das sind lächerliche Beträge für ein ganzes Buch“

Lesezeit 5 Minuten
Unterm-Strich-Autor

Eine Schriftstellerin aus dem Rheinland redet über ihr Geld. 

Marion Straßenberger, 30, ist Schriftstellerin und lebt im Rheinland. Ihre Bücher wurden mehr als 100.000 Mal verkauft. Sie erzählt von sechsstelligen Vorschüssen, den Regeln des Marktes und wieso nur sehr wenige Menschen vom Schreiben leben können. Sie heißt eigentlich anders.

Ich weiß nicht mehr, wann bei mir der Wunsch aufkam, beruflich Schriftstellerin zu werden. In meinen Freundebüchern aus der Grundschule steht noch, dass ich Lehrerin werden möchte oder Schneiderin – so wie meine Großmutter.

Ich komme nicht aus dem künstlerischen Milieu. Deshalb war meine Standardannahme sowieso erst einmal, dass man mit dem Schreiben überhaupt kein Geld verdienen kann. Als ich 2008 meinen ersten Roman unter Pseudonym veröffentlicht habe, war der Vorschuss so gering, dass ich dann auch wusste: Wenn ich davon leben will, muss ich es anders machen. Ich weiß gar nicht mehr, wie viel ich damals bekomme habe – es war ein irrelevant geringer Betrag zwischen 600 und 3000 Euro. Da muss man nicht lange rechnen, um zu merken, dass man damit nicht weit kommt. Zumal Bücherschreiben natürlich dauert.

Meinen zweiten Roman habe ich über ein gesellschaftliches Thema geschrieben, das mir sehr wichtig war. Ich war mir sicher: Dieses Buch wird so dringend gebraucht, es wird auf Bestseller-Listen landen. Das war ein klassischer Geniegedanke. Aber so funktioniert der Buchmarkt nicht. Er deckt einen Bedarf– und wenn man Geld verdienen möchte, muss man sich in die Strukturen dieses Marktes einfügen und schauen, wo dort der eigene Platz ist.

„War klar, dass ich am Ende dieser Jahre einen neuen Buchvertrag brauche“

Danach habe ich meine erste sehr erfolgreiche Buch-Trilogie geschrieben. Ich fand eine Literaturagentur und die Romane wurden in einer Auktion unter deutschen Verlagen versteigert. Am Ende habe ich einen niedrigen sechsstelligen Vorschuss für die Trilogie bekommen. Das ist ziemlich viel, es gibt nur sehr wenige Schriftstellerinnen, die solche Summen bekommen.Vom Vorschuss gingen 20 Prozent an meine Agentur, nach Steuern und Sozialabgaben blieb etwas weniger als die Hälfte übrig. Davon kann man sehr komfortabel zwei bis drei Jahre leben. In dieser Zeit schrieb ich die zwei Folgebände der Trilogie. Aber es war von Beginn an klar, dass ich am Ende dieser Jahre einen neuen Buchvertrag brauchen würde.

Im Verlagswesen gibt es Menschen, die ganz irre Vorschüsse bekommen – die lachen auch über 150.000 Euro. Und es gibt den überwiegenden Rest, der mit 3000, vielleicht 15.000 Euro abgespeist wird. Das sind lächerliche Beträge für ein ganzes Buch, wenn man es auf Arbeitsstunden herunterrechnet. Solche Vorschüsse redigieren das Schreiben in den Bereich eines Hobbys. Deshalb können auch nur sehr wenige Schriftsteller von ihrer Arbeit leben.

„Der Buchmarkt ist oft konservativ“

Die Bücher meiner ersten Fantasy-Reihe haben sich bisher etwas unter 100.000 Mal verkauft. Danach habe ich einen Thriller veröffentlicht, der aber unter der Pandemie gelitten hat. Gerade ist der Auftakt meiner neuen Trilogie erschienen, hier kenne ich die Zahlen noch nicht.

Wenn man sich die internationalen Buchmärkte anschaut, sieht man, dass das Geld in Deutschland und den USA liegt. Ein Este kann unmöglich vom estnischen Buchmarkt leben – in Deutschland geht das sehr wohl, auch wenn es nur wenigen gelingt. Bücher können sich außerdem auch über Zweitverwertungen rentieren, also Übersetzungen, Spiele, Serien. Das ist selten, aber es passiert. Meine neue Trilogie wird zum Beispiel auch in Großbritannien erscheinen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Buchmarkt ist oft konservativ. Was einmal funktioniert hat, wird wiederholt. Manchmal hat das eine positive Korrekturfunktion – nicht jeder 22-jährige Philosophiestudent muss seine experimentellen Werke veröffentlichen. Trotzdem stellt sich beim kommerziellen Schreiben immer die Frage, wo man Kompromisse eingeht. Ob es einem noch gelingt, das zu schreiben, was einem am Herzen liegen.

Schriftstellerin, Dozentin, freie Journalistin

Auch um hier etwas freier zu sein, habe ich mich entschieden, nicht mehr nur aufs Bücherschreiben zu setzen. Ich bin schon länger Dozentin an einer Universität und arbeite seit kurzem auch wieder als freie Journalistin. Denn so sehr ich es liebe, Schriftstellerin zu sein: Der Job ist wie jeder andere auch mit Nachteilen verbunden. Manchmal fehlen mir die Kollegen, die alltägliche Anerkennung und Struktur. Die Einkommensstabilität ist gering. Außerdem sind die Vorschüsse in der Branche gesunken. Und ich möchte auch Raum für komplexe, weniger kommerzielle Projekte haben.

Aktuell sieht meine finanzielle Situation so aus: 30.000 bis 60.000 Euro brutto im Jahr verdiene ich als Schriftstellerin, das kann aber stark schwanken. Dazu kommen noch einmal rund 20.000 Euro für meine journalistische Arbeit und 10.000 Euro mit der Lehre an der Universität. Ironischerweise lohnt sich praktisch alles, was mit dem Schreiben zu tun hat, auf den Stundenlohn gerechnet mehr als das Schreiben selbst. Die Lehre kann sehr lukrativ sein, wenn man keinen gewöhnlichen Lehrauftrag hat.

„Das wichtige an Geld ist, dass es unabhängig macht“

Es ist lustig, dass wir heute über Geld reden. Eigentlich ist das etwas, von dem ich mich wegbewegen möchte. Jeder braucht Geld, Geld ist toll – aber gerade als Autorin macht es sich oft nicht bezahlt, nur aus finanziellem Kalkül schreiben. Ich habe zum Beispiel einmal 15.000 Euro für ein Drehbuch bekommen. Wenn die Arbeit mir gefallen hätte, wäre das extrem leicht verdientes Geld gewesen.

Das wichtige an Geld ist, dass es unabhängig macht. Dafür ist es da. In meinem Fall bedeutet das die Unabhängigkeit, das zu schreiben, womit ich einen Beitrag leisten kann. Was sinnvoll ist, und dadurch wertvoll.