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Neue VerkehrsstudieDiese Folgen hat das Coronavirus für die Bahn

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Volle Züge wird es laut einer DLR-Studie auch nach Corona vorerst nicht geben

Köln – Der öffentliche Nahverkehr in Deutschland wird länger an den Folgen der Corona-Pandemie leiden als bisher angenommen. Mehr als ein Drittel der Menschen, die früher mit Bahn und Bus zur Arbeit gefahren sind, werden das künftig seltener tun, zwölf Prozent wollen ganz darauf verzichten.

Das ist das Ergebnis der vierten Erhebung im Rahmen einer repräsentativen Panel-Studie des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

„Die Mobilitätsmenge hat den Wert aus dem Jahr 2019 wieder erreicht, aber das Nutzerverhalten hat sich verändert“, sagte Studienleiterin Barbara Lenz bei einem Pressegespräch des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Das Auto wird wieder deutlich häufiger genutzt

Das Auto werde deutlich häufiger genutzt als vor der Pandemie. Ein großer Teil der Menschen, die früher öfter zwischen Bahn und Auto gewechselt seien, sei nunmehr ausschließlich mit dem Auto unterwegs. Sie gehen davon aus, dass das längerfristig der Fall sein wird. „Die Menschen sitzen jetzt im Pkw und kommen vorläufig nicht mehr zurück“, so Lenz. Das sei ein schwerer Rückschlag für das Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung.

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Pendler fühlten sich in Verkehrsmitteln, die sie mit anderen teilen müssen, weiterhin unwohl, die Furcht vor Ansteckung sei hoch. „Einer der Hauptgründe ist die Maske, die entweder gar nicht oder falsch getragen wird“, so Lenz. Bemängelt werde auch die geringe Zahl der Kontrollen.

Mehr als die Hälfte der Befragten wolle nach der Pandemie zumindest an einzelnen Tagen der Arbeitswoche im Homeoffice arbeiten. Das Online-Shopping werde für ein Drittel ein wichtiger Einkaufskanal bleiben. Der Wunsch, möglichst nah am Wohnort zu arbeiten, sei nicht mehr so ausgeprägt.

Für den VDV, der im Juni 2020 die Kampagne „#BesserWeiter“ gestartet hatte, die in der zweiten und dritten Corona-Welle unterging, sind das keine guten Nachrichten. „Wir können die Klimaziele im Verkehrssektor erreichen“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann. Dafür müssten das ÖPNV-Angebot bis 2030 um 60 und die Fahrgastzahlen um 20 Prozent steigen, „weil mehr in die Fläche gehen müssen“. Dadurch erhöhten sich die Betriebskosten um 90 Prozent. Das bedeute ein Finanzloch von elf Milliarden Euro pro Jahr ab 2030, so Wortmann. Das könnten die Kommunen den Querfinanzierung beispielsweise über Stadtwerke nicht mehr stemmen.

Scheuer will Strukturdebatte nach der Bundestagswahl

Man werde nach der Bundestagswahl eine Strukturdebatte über die Finanzierung führen müssen, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Es blutet mir das Herz. Vor anderthalb Jahren hatten wir Fahrgastrekorde bei der Bahn. Die Menschen wollten umsteigen.“ Der ÖPNV sei „der zentrale Schlüssel für eine moderne und klimafreundliche Mobilität“. Der Bund habe im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden zur Stützung des Nahverkehrs ausgegeben, 2021 werde es noch einmal eine Milliarde sein.

Der Bundesverband Schienen-Nahverkehr, unter dem alle versammelt sind, die den Regionalverkehr auf der Schiene in Deutschland bestellen und organisieren, hat in dieser Woche seine Vorschläge für die Finanzierung des Betriebs von Bahnen und Bussen vorgestellt.

Dienstwagenprivileg abschaffen, Maut einführen

Er schlägt die Abschaffung „fehlsteuernder Subventionen“ mit das Dienstwagenprivileg und die Einführung einer Pkw-Maut vor, deren Einnahmen ausschließlich für Verkehrsprojekte verwendet werden sollen. Überdies müssen die Regionalisierungsmittel jedes Jahr erhöht werden. Langfristig schlägt der Verband vor, einen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild zu schaffen.

„Ohne eine nachhaltige Ausstattung des SPNV mit den für Ausbau und Modernisierung notwendigen Mitteln, werden eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 und die zum Erreichen der Klimaziele notwendige Verkehrswende nicht möglich sein“, sagte Susanne Hendel, Präsidentin des Bundesverbands.

Für den VDV sind darüber hinaus die Abschaffung des Steuervorteils beim Diesel, der Abbau der Pendlerpauschale und ein bessere Bewirtschaftung des Parkraums in den Großstädten erforderlich. Ob das den Trend zum Auto stoppen kann? Man habe vor der Pandemie mal untersucht, ob ein Nulltarif bei Bus und Bahn Autofahrer zum Umsteigen bewegen könne, sagt DLR -Studienleiterin Lenz. Die Zahl ist nicht sehr ermutigend. Ganze zehn Prozent wären bereit, aufs Auto zu verzichten.