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„Einschneidende Maßnahmen“Bayer streicht zahlreiche Arbeitsplätze – Leverkusen wohl stark betroffen

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Leverkusen Wiesdorf. Feierabendverkehr, Pendler, Pendlerströme. Rheinbrücke im Bau Foto: Ralf Krieger

Bayer-Kreuz am Standort der Konzernzentrale in Leverkusen

Die Leverkusener verpassen sich eine neue Organisationsstruktur – und brauchen dafür zahlreiche Stellen künftig nicht mehr. Das sind die Details.

Der Leverkusener Bayer-Konzern gibt sich eine neue Organisationsstruktur und baut in Deutschland zahlreiche Arbeitsplätze ab. Betroffen sind vor allem Angestellte in Führungspositionen oder mit Koordinationsaufgaben. Das teilte das kriselnde Dax-Unternehmen in einer Erklärung gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung am Mittwochabend (17. Januar) mit.

Bayer beschäftigt in Deutschland derzeit nach eigenen Angaben etwa 22.200 Angestellte – 6675 davon in Leverkusen. Der Konzernsitz, an dem viele Verwaltungsaufgaben gebündelt werden, dürfte damit besonders stark von den Kürzungen betroffen sein. In Berlin sind rund 5000 Menschen für Bayer tätig. Weltweit waren es zuletzt gut 101.000 Angestellte.

Stellenabbau bei Bayer: Hierarchien werden abgebaut, Bürokratie beseitigt

„Bayer befindet sich derzeit aus unterschiedlichen Gründen in einer schwierigen Lage“, sagte Bayers Arbeitsdirektorin Heike Prinz. „Um die Leistungsfähigkeit unserer Organisation und unseren Handlungsspielraum schnell und nachhaltig zu verbessern, sind jetzt einschneidende Maßnahmen notwendig. Wir wollen Bayer zügig wieder in die Erfolgsspur bringen“. Prinz betonte, es sei „von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmensführung und Arbeitnehmervertretung an einem Strang ziehen und sich über die für die Zukunft des Unternehmens notwendigen Schritte einig sind“. Diese Einigkeit drücke die gemeinsame Erklärung aus. „Nur wenn wir jetzt gemeinsam und entschlossen handeln, können wir alle internen Hemmnisse beseitigen und Bayer so wieder für zukünftiges profitables Wachstum aufstellen“, sagte Prinz.

Das Leverkusener Unternehmen, das seit dem vergangenen Sommer vom US-Pharmamanager Bill Anderson geführt wird, hat der Mitteilung zufolge begonnen, „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) als Organisationsmodell einzuführen. Dies beinhalte, Hierarchien abzubauen, Bürokratie zu beseitigen, Strukturen zu verschlanken und Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, heißt es von Bayer. Überraschend kommt dieser Schritt samt Stellenabbau nicht, Bill Anderson hatte ihn im vergangenen November angekündigt. „Entscheidungen werden viel näher am Kunden getroffen, und anstelle der Planung rückt das Handeln in den Mittelpunkt“, hatte Anderson erklärt.

In den meisten Unternehmen beschäftigten sich die verschiedenen Managementebenen monatelang mit Dingen wie Budgetierung, Leistungsbewertung und Zielvorgaben, führte der Vorstandchef aus und sagte: „Bayer ist da keine Ausnahme.“ Künftig solle „praktisch jeder im Unternehmen in kleinen, selbstverwalteten Teams arbeiten, die sich auf einen Kunden oder ein Produkt konzentrieren – so wie es ein Kleinunternehmer tun würde“, sagte Anderson. „Alles, was nicht zum Erreichen der Mission beiträgt, wird verschwinden. Wir werden den Fortschritt in schnellen 90-Tage-Zyklen messen, was zu einer viel schnelleren Reaktion auf Kundenwünsche führen und Produktinnovationen beschleunigen wird.“

Bayer-Konzern kämpfte mit zahlreichen Rückschlägen

Schließlich führe dieses System, so Anderson, auch zu einer erheblichen Kostenreduzierung, da ein Großteil der Management- und Koordinierungsaufgabe „einfach nicht mehr benötigt werden“. Diese seien bloß „Kästchen auf Organigrammen, die sich in großen Unternehmen über Jahrzehnte angesammelt haben“. Der Neue an der Spitze von Bayer sagte, er habe das schon einmal erlebt, „und ich kann sagen: Diese Veränderungen sind wirklich effektiv – sie setzen die ganze Energie, das Tempo und das Engagement unserer Mitarbeiter frei.“

Zuletzt kämpfte Bayer mit zahlreichen Rückschlägen, seit dem Monsanto-Kauf von 2018 kriselt es zunehmend. Immer wieder drückten verlorene Gerichtsprozesse um vermeintliche Krebsrisiken von Bayers Glyphosat-Produkten auf das Gemüt der Aktionäre, obwohl auch viele Prozesse gewonnen wurden. Dann liefen die Geschäfte mit Pflanzenschutzmitteln deutlich schlechter als in der Vergangenheit. Und die Pharma-Sparte muss bald das Patent-Aus milliardenschwerer Umsatzbringer verkraften, scheiterte aber zuletzt mit einer Studie zu einem Medikament, von dem sich die Bayer-Chefs Milliarden-Erlöse erhofft hatten.

„Wir sehen mit dem neuen Betriebsmodell eine große Chance, unsere wirtschaftliche Situation deutlich zu verbessern“, sagte Heike Hausfeld, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats. „In der angespannten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens reichen die bereits laufenden Programme und Maßnahmen jedoch nicht aus, weshalb wir schweren Herzens weiteren Einschnitten zugestimmt haben“. In den Verhandlungen mit Bayer sei es gelungen, den bevorstehenden Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. „Außerdem konnten wir durchsetzen, dass die allgemeine Beschäftigungssicherung um ein weiteres Jahr bis Ende 2026 verlängert wird“, sagte Hausfeld.

Bayer-Betriebsrat will drei Divisionen erhalten

Die Betriebsratschefin schickte zudem eine Nachricht an Anderson, der zuletzt den Verkauf des Geschäfts mit rezeptfreien Medikamenten oder der Agrarchemie öffentlich diskutiert hatte: „Als Arbeitnehmervertretung setzen wir uns energisch für den Fortbestand des Konzerns mit allen seinen drei Divisionen ein“, sagte Hausfeld.

Barbara Gansewendt, die im Unternehmen als Vorsitzende des Konzernsprecherausschusses die Interessen der Leitenden Angestellten vertritt, nannte die Entscheidung „eine überaus bittere Entwicklung, zu der es unter den gegebenen Voraussetzungen aber keine gangbare Alternative gibt“.

Francesco Grioli, Mitglied des Aufsichtsrats der Bayer AG und des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG Bergbau, Chemie, Energie, sagte, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werde sich vieles verändern: „Wir werden gemeinsam daran arbeiten, dass alle sicher neue Pfade beschreiten können.“

Dass es für veränderungsunwillige Bayer-Angestellte ungemütlich werden könnte, hatte Bill Anderson kürzlich dem „Handelsblatt“ erklärt: „Es gibt Leute, bei denen sich alles um ihr Ego dreht oder die keine Lust auf Veränderung haben. Sie können vielleicht in einer traditionellen Arbeitsumgebung effektiv sein, aber sicher nicht in unserer. Wer für diese Veränderung nicht offen ist, wird es bei Bayer schwer haben.“

Stellenabbau bei Bayersoll Ende 2025 abgeschlossen sein

Der Stellenabbau soll der Mitteilung zufolge spätestens Ende 2025 abgeschlossen sein, Bayer sprach von einer zügigen Umsetzung in den kommenden Monaten. Wie viele Jobs gestrichen werden, sei vorerst nicht zu beziffern, da Arbeitsplätze nach dem Prinzip von DSO dezentral abgebaut würden.

In Deutschland bietet Bayer den Beschäftigten nach Lebensalter gestaffelte Aufhebungsverträge an. „Das Unternehmen bietet Mitarbeitern, deren Stelle entfällt, zudem eine bis zu sechsmonatige Bedenkzeit an“, steht in der Mitteilung. In dieser Zeit sollen sie dabei unterstützt werden, eine ihren Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechende neue Beschäftigung außerhalb des Konzerns zu finden. „Bei Bedarf können betroffene Beschäftigte außerdem bis zu zwölf Monate lang individuelle Qualifizierungsmaßnahmen für den externen Arbeitsmarkt erhalten“, heißt es weiter. Eine „Future Skills Akademie“ soll zudem zukunftsrelevante Fähigkeiten identifizieren und die Mitarbeiter bei deren Erwerb unterstützen.

Beschäftigte, deren Arbeitsplatz entfällt, die sich aber nicht entscheiden, Abfindungsangebote anzunehmen, sollen frühestens zum 31. Dezember 2026 betriebsbedingt gekündigt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt verlängern Unternehmen und Arbeitnehmervertretung die Beschäftigungssicherung mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Diese Regelung soll den Betroffenen laut Bayer Zeit und Sicherheit für die Neuorientierung und Qualifizierung geben.

„Dass die Beschäftigungssicherung nur um ein Jahr verlängert wird, macht deutlich, dass wir uns in einer außergewöhnlich ernsten Lage befinden“, sagte die Betriebsratsvorsitzende Heike Hausfeld. „Die seit 27 Jahren eher theoretische Gefahr von betriebsbedingten Kündigungen am Ende einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung ist damit zu einer realen Option geworden. Das zu akzeptieren ist uns trotz der schwierigen Situation äußerst schwergefallen. Wir sind uns aber mit dem Arbeitgeber einig, dass betriebsbedingte Kündigungen auch künftig nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollen.“