Nach Spekulationen hat RTL Deutschland nun einen massiven Stellenabbau angekündigt. Auch Köln ist betroffen. Die wichtigsten Fragen und ihre Antworten.
Bertelsmann-KonzernDas Wichtigste zum massiven Stellenabbau bei RTL
Wochenlang wurde um die Zukunft des Zeitschriftenangebots des Hamburger Verlags Gruner + Jahr spekuliert. Am Dienstag fand nun ein Meeting für alle Angestellten des Kölner Medienunternehmens RTL Deutschland statt, das erst 2021 G+J übernommen hatte. Verkündet wurde in dem Meeting, dass im Zuge einer Neuausrichtung der Zeitschriften-Sparte bis 2025 massiv Stellen abgebaut werden. Insgesamt sind 1000 Stellen betroffen, 300 von rund 4000 in Köln am Hauptsitz und 700 von 1900 am Hamburger Standort, wo G+J sitzt.
Außerdem werden 23 Zeitschriftentitel des Verlags eingestellt – darunter zum Beispiel die Magazine „Guido“ um den Designer Guido Maria Kretschmer und „Barbara“ um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger. 13 Marken bleiben weiter im Portfolio, in sie soll sogar in Millionenhöhe investiert werden. Zu den sogenannten Kernmarken gehören „Stern“, „Geo“, „Capital“, „Brigitte“, „Gala“ und acht weitere Titel sowie die digitalen Bereiche von „Eltern“ und „Chefkoch“.
Das Wichtigste im Überblick.
Welche Stellen werden gestrichen?
Der weit überwiegende Teil des Stellenabbaus betrifft den Standort Hamburg, wo die Print-Produktion stattfindet. Rund 700 von bislang 1900 Stellen werden gestrichen. Circa 500 davon werden klassisch abgebaut. Etwa 200 weitere werden durch den geplanten Verkauf von Titeln auf neue Eigentümer übergehen. Betroffen seien nicht der redaktionelle Bereich, sondern die Verwaltungsbereiche.
Wie stark ist Köln betroffen?
Auch am Kölner Standort sollen zusätzlich 300 von rund 4000 bestehenden Stellen abgebaut werden. Jährlich sollen jeweils circa 100 Jobs aus allen Bereichen des Medienunternehmens gestrichen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Geschäftsführung zuversichtlich, dass dies durch Fluktuation, Einzelansprachen, Vorruhestand und Altersteilzeit erfolgen kann, wie ein Sprecher RTL Deutschlands dem Kölner Stadt-Anzeiger mitteilte.
Welche Stellen in Köln genau betroffen sind, möchte das Unternehmen nicht mitteilen, so der Sprecher. Es seien durchweg alle Bereiche von Produktion bis Verwaltung betroffen. Im Hauptsitz in Deutz liegen aber die TV-, Radio- und Online-Redaktionen der Mediengruppe.
Womit begründet der Konzern den Stellenabbau?
Grund für den Stellenabbau ist eine Neuaufstellung des Zeitschriften-Segments als Reaktion auf das drohende Abrutschen der rückläufigen Publishing-Geschäfte in die Verlustzone. „Vor dem Hintergrund der sich rasch verändernden Medienlandschaft und der herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Lage haben wir in den vergangenen Monaten das Publishing-Geschäft von RTL Deutschland eingehend überprüft“, sagte Thomas Rabe, Vorsitzender der Geschäftsführung von RTL Deutschland. So sollen Kosten in allen Bereichen gesenkt werden, insbesondere bei den Corporate-Funktionen, der Corporate-IT, den Räumlichkeiten, im Publishing und den Redaktionen.
Die 13 Kernmarken – „Stern“, „Geo“, „Capital“, „Brigitte“, „Gala“ und acht weitere Titel – machen nach Unternehmensangaben etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Diese will der Konzern deshalb entgegen dem Sparkurs mit Inventionen bis 2025 weiterentwickeln. Etwa 80 Millionen Euro sind dafür angesetzt. Allein 30 Millionen Euro sollen in das Bezahlangebot „Stern+“ investiert werden, heißt es. „Unser Ziel ist es, die führende Position und publizistische Relevanz von RTL Deutschland weiter zu stärken“, so Rabe, der auch Bertelsmann-Chef ist.
Alle weiteren Titel – 23 an der Zahl – haben hingegen keine Zukunft. Sie würden eingestellt oder verkauft. Bei einem Großteil handelt es sich um Ableger der Kernmarken. Diese könnten nicht verkauft werden, wenn die Kernmarken behalten werden. „Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich“, teilte Thomas Rabe der Deutschen Nachrichtenagentur mit. Der Verkauf der restlichen Magazine würde derzeit überprüft, so auch die Beteiligung am Fußball-Magazin „11 Freunde“.
Der zusätzliche Stellenabbau in Köln ist laut einem Sprecher RTL Deutschlands auf hohe Inventionen in Zukunftsprogramme zurückzuführen. So wurden 2022 beispielsweise 190 Millionen Euro in das Streamingangebot RTL+ investiert. Zugunsten dieser Transformation müssten Ressourcen umgeschichtet werden. Um die Investitionen stemmen zu können, müssen also an anderen Stellen Kosten eingespart werden. Ein Bereich davon sein der Stellenabbau.
Wie ist die RTL-Übernahme von Gruner + Jahr entstanden? Und was hat Bertelsmann damit zu tun?
2021 kam es zur Fusion der Kölner TV-Gruppe RTL Deutschland mit dem Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr. Erhofft wurden sich Synergien. Beide Bereiche gehören zum Bertelsmann-Konzern. An der börsennotierten RTL Group hält Bertelsmann mit 75 Prozent die Mehrheit.
Thomas Rabe ist bereits seit 2012 Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann. 2019 wurde er CEO der RTL Group und 2022 auch Vorsitzender der Geschäftsführung von RTL Deutschland. Danach waren im September 2022 Pläne öffentlich geworden, nach denen einige der von Gruner + Jahr mit in die Medienehe gebrachten Print-Magazine zur Disposition gestellt wurden.
Was sagen die Arbeitnehmervertreter?
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der bereits vergangene Woche vor einem Stellenabbau warnte, bezeichnete den RTL-Plan als einen „verheerenden Aderlass.“ „Diese Entscheidung ist durch nichts begründet als durch gewissenlose Profitmaximierung“, kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das sei die Abwicklung des Medienhauses Gruner + Jahr, welches jahrzehntelang zu den mächtigsten Verlagshäusern Europas zählte. Es sei zu befürchten, heißt es weiter, dass sich RTL mittelfristig doch von den verbleibenden Titeln trennen wolle und bis dahin nicht mehr investiere.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sprach von einer „Zerschlagung“ und von „fehlgeleiteter Strategie“ des Bertelsmann-Konzerns aus Gütersloh. Die Gewerkschaft verwies zudem darauf, dass man wegen der verbreiteten Teilzeit im Verlag von deutlich mehr Personen ausgehe, die von Kündigungen betroffen sein werden.
Hamburgs Mediensenator Carsten Brosda (SPD) sprach am Dienstag vor protestierenden Verlags-Mitarbeitern am Rathaus und kritisierte die Pläne. Zugleich bekräftigte er, dass die Politik sich weiter stark machen wolle für den Medienstandort Hamburg. Verlagsmitarbeitende übergaben dem Politiker eine Unterschriftenliste gegen einen Arbeitsplatzabbau.