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Corona-KriseKreta hat sich auf Touristen vorbereitet – aber kaum jemand kommt

Lesezeit 6 Minuten

In der Küstenstadt Rethymno sind Mitte Juli nur vereinzelt Touristen unterwegs.

  1. Die Corona-Pandemie hat Kreta bislang weitgehend verschont.
  2. Der Tourismus auf der Insel hat sich mit verschiedenen Konzepten auf Urlauber vorbereitet.
  3. Noch aber kommt kaum jemand. Die wirtschaftlichen Folgen dürften dramatisch sein.

Heraklion – Ritsa Moulianaki kennt sie, die Händler und Ticketverkäufer rund um den Palast von Knossos. Sie grüßt und winkt, während sie an ihnen vorüber in Richtung Eingang läuft: „Hallo, Liebes!“, sagt sie, und „wie geht es dir“ und „gute Saison!“

Gute Saison – das sagt sie häufiger. Dabei wissen hier alle, das die Tourismus-Saison für die Kreter keine gute mehr werden kann. Auf der Straße vor dem Palast herrscht Stille. Die meisten Geschäfte haben geöffnet, in den Auslagen stapeln sich Sonnenhüte, Silberschmuck, Magneten. Nur die Touristen, die fehlen. Die Ruinen des minoischen Palasts zählen normalerweise rund 5000 Besucher täglich, in diesen Tagen sind es gerade mal etwa 100. Man kann den Wind durch die mächtigen Pinien streichen hören. „Es ist eine Katastrophe“, sagt Moulianaki und steckt sich in einer kurzen Pause eine Zigarette an. Für April und Mai hat sie insgesamt 800 Euro Kurzarbeitergeld bekommen. Sie rechnet nicht damit, dass für den Juni noch etwas dazukommt. „Wie soll man davon leben?“

Erster Arbeitstag der Saison

Es ist Mitte Juli – und die freiberufliche Fremdenführerin absolviert gerade den ersten Arbeitstag in dieser Saison. Erst seit Anfang Juli sind die Flughäfen wieder für den internationalen Reiseverkehr geöffnet. Während Moulianaki durch die Ruine führt, trägt sie die ganze Zeit über eine Maske, und weil noch Sonnenbrille und Hut dazukommen, ist von ihrem Gesicht nicht viel zu erkennen. Dafür sprechen ihre Arme. Sie beschreiben große, lebendige Gesten, wenn sie von den Minoern erzählt, die einst diesen Palast bauten; von dem Theater, in dem noch keine klassischen Tragödien gespielt wurden, weil es die vor 4000 Jahren schlicht noch nicht gab. Und eben auch dann, wenn es um die Corona-Krise geht. „Wir brauchen Unterstützung“, sagt Moulianaki. „Das Land ist jetzt offen für Touristen, die Saison hat begonnen, aber für uns Fremdenführer ist die Frage: Werden sie auch Ausflüge machen? Werden wir arbeiten können?“

Reisen in Corona-Zeiten

Bei Reisen in Corona-Zeiten müssen Auflagen beachtet werden. Reisende mit dem Ziel Griechenland müssen zum Beispiel bis spätestens 48 Stunden vor Einreise ein Online-Anmeldeformular ausfüllen. Tun sie das nicht, drohen ihnen vor Ort 500 Euro Geldbuße. Mindestens zwei Deutsche mussten diese bereits zahlen. Wer zu einem Corona-Test verpflichtet wird, muss Kontaktdaten und einen genauen Reiseplan hinterlegen.

In den Flugzeugen gilt eine Maskenpflicht, verschiedene Abläufe wurden angepasst. Bei der Condor betreten und verlassen die Reisenden das Flugzeug zum Beispiel in kleineren Gruppen. Der Bordverkauf entfällt. Die Fluggesellschaft lässt den Mittelplatz in den Sitzreihen nach Möglichkeit frei – allerdings nur, wenn das die Auslastung des Fluges zulasse. Auch an den Flughäfen gelten Maskenpflicht und Abstandsregeln, auch wenn Letztere in der Praxis schwieriger umzusetzen sind. Viele gastronomische Angebote bleiben zu.

In den Hotels gelten ebenfalls besondere Regeln. Neben Abstand und Maske wird in den Hotels der Zugang zu Pools und Fitnessräumen beschränkt, Sportprogramme sind mit Anmeldung möglich. Das Buffet wird mit Scheiben abgeschirmt, nicht jeder Tisch darf besetzt werden.

Bei der Reise handelte es sich um eine Pressereise des Reiseveranstalters Alltours mit Condor als Partner. (elb)

Auf Kreta arbeiten rund 100.000 der 635.000 Einwohner im Tourismus, etwa 50 Prozent des Insel-Brutto-Inlandsprodukts werden hier erwirtschaftet. Der Tourismusbeauftragte für die Region, Kyriakos Kotsoglou, geht davon aus, dass in diesem Jahr 70 Prozent davon wegbrechen werden. In dieser Zahl sind all die, die indirekt am Tourismus hängen, noch gar nicht mit eingerechnet. „Wir hatten eigentlich ein Rekordjahr erwartet“, sagt er in einem Besprechungsraum des Alltours-Hotels „Zorbas Village“ in der Nähe des Dorfes Cheronissos. Hinter der Scheibe glänzt in der Ferne das Mittelmeer. Im Moment, sagt Kotsoglou, hielten die meisten noch durch. „Wir können die Sommerbrise spüren – niemand meldet jetzt Insolvenz an. Aber der Winter wird eine schwierige Zeit für uns.“

Nur wenige Corona-Fälle

Dabei ist Kreta bislang gut durch die Pandemie gesteuert. Bis Ende Juni gab es nur 19 bestätigte Corona-Infektionen mit zumeist leichten Symptomen und einem aus Deutschland eingereisten Mann, der an Corona auf der Insel starb. Ansteckungen der Inselbevölkerung hatte es zuletzt nicht mehr gegeben. Die letzten bestätigten Fälle stammten von Touristen, die bei ihrer Einreise auf das Virus getestet wurden. Zurzeit müssen alle Ankömmlinge 48 Stunden vor der Einreise nach Griechenland ein Anmelde-Formular ausfüllen, etwa 20 Prozent anschließend bei Ankunft einen Corona-Test absolvieren. „Im Moment können wir unsere Reisen guten Gewissens anbieten“, sagt Alltours-Sprecher Thomas Daubenbüchel. Griechenland ist nach Spanien das zweitwichtigste Sommerreiseziel des Reiseveranstalters, der in der Krise 50 Prozent weniger Buchungen als im Vorjahr verzeichnet. „Wir machen keinen Hehl daraus, dass es Einschränkungen gibt. Aber wir glauben auch, dass Urlaub möglich ist.“

Fremdenführerin Ritsa Moulianaki auf dem Gelände des Palasts von Knossos

Man hat vorgesorgt auf der Insel, um den Urlaub im herausfordernden Jahr 2020 möglich zu machen. Die 100 000 Angestellten im Tourismus mussten besondere Schulungen absolvieren. In den Hotels hängen besondere Hinweisschilder in der Art, wie man sie auch aus Deutschland kennt: Da wird auf die geforderten 1,5 Meter Abstand hingewiesen, auf maximale Pool-Belegungen, auf Hygieneregeln. In geschlossenen, öffentlichen Räumen gilt die Maskenpflicht.

In „Zorbas Village“ lösen sie das Buffet-Dilemma, in dem Angestellte das hinter Glas präsentierte Essen nach Wunsch auf die Teller packen. Im Essensraum darf nicht jeder Tisch besetzt werden. Das Hotel hat seine Kapazitäten auf 60 Prozent heruntergeschraubt, statt 650 dürfen nur 390 Gäste hinein, die sich auf dem 57 000 Quadratmeter großen Areal im Dorfstil verteilen. Kurz nach der Öffnung Mitte Juli liegt nur eine Handvoll Gäste am Pool. „Gewinn werden wir in diesem Jahr nicht machen, das ist klar“, sagt Hoteldirektor Daniel Bart. „Wir versuchen, so rentabel wie möglich zu arbeiten.“ Zu diesem Zeitpunkt hat er etwa 50 Prozent seiner Mitarbeiter zurück aus der Kurzarbeit geholt, mehr lohnt sich nicht, weniger ist im Hotelbetrieb nicht möglich.

Buhlen um die wenigen Kunden

Die Touristen, die bereits gekommen sind, haben Kreta noch weitgehend für sich. Szenen wie auf Mallorca, wo zuletzt die Bars an den Partymeilen am Ballermann geschlossen werden mussten, gibt es hier kurz nach der Öffnung für Touristen nicht. Stattdessen buhlen in der Küstenstadt Rethymno die vielen Café-, Tavernen- und Shopbesitzer um die wenigen Kunden. So leer, hört man es dort in den Geschäften, sei es sonst nur im März. Wie der Rest des Jahres laufen wird? Niemand weiß es.

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Diese Krise wird schlimmer als die Finanzkrise. Da sind sich hier alle einig, Moulianaki und Kotsoglou und die Ladenbesitzer in Rethymno. Der Tourismus-Beauftragte Kotsoglou befürchtet vielmehr eine Krise, die sich in drei Stufen zuspitzt: erst kam die Gesundheitskrise, dann folgt die ökonomische und schließlich die soziale. „Während der Finanzkrise sind unsere Besucherzahlen gestiegen“, sagt er. „Aber dieses Mal ist ganz Europa betroffen. Das ist schwieriger. Die Leute haben jetzt andere Probleme.“ Und da steht Urlaub nicht ganz oben auf der Liste – egal, wie viel Platz noch wäre.