- Am Flughafen Köln/Bonn brodelt ein Streit zwischen dem Sicherheitsdienst Securitas und der Gewerkschaft Verdi.
- 29 seiner 181 Mitarbeiter hat Securitas hier gekündigt – doch die Begründung wirft Fragen auf.
- Es ist nicht der erste Streit um die Sicherheitsfirmen am Flughafen.
Michael Rudolf arbeitet immer noch hier. Er kontrolliert noch immer täglich Hunderte Menschen, die den Sicherheitsbereich des Flughafens hier jeden Tag zum Arbeiten betreten, er bewacht Dienstleister, die das Gelände nicht alleine betreten dürfen, hält Wache an den Sicherheitsschleusen des Flughafens Köln/Bonn. Er heißt eigentlich anders, doch er will nicht erkannt werden. Denn eigentlich hat ihm die Sicherheitsfirma Securitas, die am Flughafen für Personal- und Warenkontrollen zuständig ist, längst gekündigt, in wenigen Wochen muss er ganz gehen.
Das ist eine richtig emotionale Belastung gerade, arbeiten zu gehen in dem Wissen, dass mir schon gekündigt wurde", sagt Familienvater Rudolf. „Die Kollegen gucken mich so mitleidig an, als hätte ich Krebs.“ Dabei ist Rudolf längst nicht der einzige. Ganzen 29 Mitarbeitern hat Securitas seit Ende Mai gekündigt, angeblich allerdings nicht wegen der Corona-Pandemie, sondern wegen geringerer Auftragslage bei gleichzeitigem Personalüberhang, der noch im vergangenen Jahr begründet liege.
„Überhang ist vorgeschoben“
Die Gewerkschaft Verdi hat an dieser Erzählung allerdings erhebliche Zweifel. „Noch Anfang des Jahres sind hier Mitarbeiter unbefristet eingestellt worden – warum denn, wenn es angeblich zu viel Personal gab?“, fragt Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim. „Aus unserer Sicht ist dieser vermeintliche Überhang vorgeschoben, weil sich die Corona-Pandemie vor dem Arbeitsgericht nur schwer rechtfertigen ließe.“
Die Erzählung der Gewerkschaft geht anders: Ende März habe Securitas klar gestellt, dass für die Mitarbeiter am Flughafen Köln/Bonn die Kurzarbeit mit den gesetzlich vorgeschriebenen 60 Prozent des Nettoentgelts beziehungsweise 67 Prozent für Beschäftigte mit Kind alternativlos sei – und als Verhandlungsdruckmittel gleichzeitig fünf mögliche betriebsbedingte Kündigungen in den Raum gestellt, ein „einseitiges Diktat“, meint Tarim. Seine Gewerkschaft hatte dagegen auf 85 Prozent bestanden. Nach langwierigen Verhandlungen habe Securitas dann Ende April tatsächlich ein Kurzarbeitergeld in Höhe von 85 Prozent des Nettolohns sowie den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen akzeptiert, wenn auch zunächst nur für April und Mai. „Da haben wir uns zunächst sehr gefreut“, sagt Tarim. Bis Securitas zwei Tage später die Vereinbarung für nichtig erklärt habe, was das Unternehmen mit Verweis darauf, dass es gar keine derartige Regelung gegeben habe, bestreitet.
Fest steht: Kurz nach den Verhandlungen legte Securitas nacheinander erst 17, dann wenig später noch einmal zwölf betriebsbedingte Kündigungen vor, "scheibchenweise", wie Tarim meint. Denn ab 18 betriebsbedingten Kündigungen wäre die Maßnahme anzeigepflichtig gewesen. Weil Securitas die darauf folgenden zwölf Kündigungen nicht innerhalb von 30, sondern von 31 Kalendertagen aussprach, blieb das Unternehmen ein zweites Mal knapp unter der Schwelle zur Anzeigepflicht.
Viele Mitarbeiter sind wütend
Was bleibt, ist die Wut bei vielen gekündigten Securitas-Mitarbeitern auf ihren Arbeitgeber. Von manchen Mitarbeitern heißt es aber auch, Verdi habe möglicherweise zu hart verhandelt und hätte sich stattdessen mit den Vorgaben von Securitas zufriedengeben sollen. Allerdings soll das Sicherheitsunternehmen Kötter, das am Flughafen Köln/Bonn für die Fluggastkontrollen zuständig ist, im Gegensatz zu Securitas diskussionslos ein 85-prozentiges Kurzarbeitergeld und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis Ende des Jahres akzeptiert haben, argumentiert Verdi.
Dabei ist es längst nicht das erste Mal, dass es um eine Sicherheitsfirma am Flughafen Ärger gibt. Innerhalb der vergangenen Jahre stand Kötter vermehrt in der Kritik, nachdem das Unternehmen am Düsseldorfer Flughafen offenkundig zu wenig Personal in der Fluggastkontrolle einsetzte. Nach anhaltenden Problemen zog sich Kötter aus Düsseldorf zurück, versuchte dasselbe für den Flughafen Köln/Bonn. Doch hier wurde ihnen der Rückzug verwehrt.„Dass die Hoheitsaufgabe Luftsicherheit gewinnorientiert ist, geht nicht nur zulasten von Mitarbeitern, sondern auch von Fluggästen“, bilanziert Gewerkschaftssekretär Tarim. Seit Jahren gehe es in der Branche mehr um Kostenersparnisse als um Sicherheit.
In einem als Verschlusssache markierten Dokument aus dem Oktober 2018, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, werden die Securitas-Mitarbeiter angewiesen, anders als bisher nur noch bei 30 Prozent des zu kontrollierenden Flughafen-Personals dezidierte Körper- und Taschenkontrollen durchzuführen. In 70 Prozent der Fälle sollen nunmehr lediglich Sprengstoffabstriche gemacht werden.
„Völliger Quatsch“
Dabei sieht die Durchführungsverordnung der EU-Kommission für solche Mitarbeiterkontrollen vor, dass solche Sprengstoffkontrollen „nur als zusätzliches Mittel der Kontrolle“ oder in „unvorhersehbarem Wechsel mit der Durchsuchung von Hand, mit der Kontrolle durch Metalldetektorschleusen oder mit der Kontrolle durch Sicherheitsscanner eingesetzt werden“ dürfen. Dabei gehe es darum, den Sicherheitsstandard „deutlich zu erhöhen“, heißt es in dem vertraulichen Securitas-Dokument.
Das sei „völliger Quatsch“, meinen mehrere Securitas-Mitarbeiter übereinstimmend. Stattdessen gehe es darum, jeden Tag möglichst schnell möglichst viele Mitarbeiter in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu bekommen, um Kosten zu sparen. Securitas erklärt dazu, dass man lediglich „Kundenvorgaben“ umsetze. „Das geht dann aber definitiv auf Kosten der Sicherheit“, sagt ein Mitarbeiter. Er erzählt auch davon, in einem Monat teils achtmal in wechselnden Schichten habe arbeiten müssen. Dann sei er oft müde zur Arbeit gekommen, habe sich nur noch schwer auf die anstehenden Sicherheitskontrollen konzentrieren können.
Securitas bestreitet diesen Vorwurf, es würde auf „gleichmäßige Verteilung der Schichten geachtet.“ Zur Wahrheit gehört aber auch: Im Branchenvergleich werden Sicherheitsmitarbeiter am Flughafen grundsätzlich überdurchschnittlich gut bezahlt, rund 17 Euro pro Stunde oder mehr sind normal.
„Ordnungsgemäße Sozialauswahl“
„Deshalb habe ich den Beruf immer gerne gemacht“, sagt der Securitas-Mitarbeiter Rolf Bauer, der ebenfalls eigentlich anders heißt. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren am Flughafen Köln/Bonn, immer an der Personalkontrolle. Weil hier die Dienstleister regelmäßig wechselten, wurde auch er immer übernommen. Doch nun hat Securitas auch ihm gekündigt. Ihm, den sie hier alle als einen der Dienstältesten kennen.
„Die Stimmung bei uns sieht jetzt so aus: Wenn es mich treffen kann, kann es quasi jeden treffen“, sagt Bauer. Warum ausgerechnet einem gekündigt wurde, der hier schon überdurchschnittlich lange tätig ist, kann sich sein Anwalt, der ebenfalls nicht erkannt werden will, um seinen Mandanten nicht identifizierbar zu machen, nicht erklären. „Aus meiner Sicht ist da ganz klar ein Fehler gemacht worden, offensichtlich gab es hier keinen korrekten Sozialplan“, sagt er.
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Verdi sieht das genauso, Securitas dagegen gibt an, einen „ordnungsgemäße Sozialauswahl„ vollzogen zu haben. Nun liegt der Fall von Bauer und seinen Kollegen beim Arbeitsgericht – genauso wie mehr als zehn andere Klagen von Securitas-Mitarbeitern aus dem Vorjahr, in denen es um vermeintlich fehlende Lohn-Eingruppierungen geht. Auch Bauer hat hier geklagt. Einen Zusammenhang zwischen Klage und Kündigung will sein Anwalt nicht ausschließen.