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Fluglärmgegner am Airport Köln/Bonn„Wir fordern ein Drittel weniger Flüge bis 2030“

Lesezeit 4 Minuten

Flugzeug über einem Wohnhaus (Symbolbild)

  1. Die Corona-Pandemie hat den Flugverkehr auch in der Region massiv einbrechen lassen.
  2. Die Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn fordert, dass es keine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau geben darf.
  3. Der deutsche Staat habe Druckmittel, um sowohl die Starts zu verringern als auch die Umweltverträglichkeit des Fliegens zu erhöhen, sagt Fluglärmgegner Wolfgang Hoffmann im Interview.

Herr Hoffmann, der Flugverkehr in Düsseldorf und teilweise auch in Köln/Bonn ist auf einen Bruchteil der Zahl der Starts und Landungen vor der Corona-Krise zurückgegangen. Ist das die Entlastung, die Sie sich als lärmgeplagter Anwohner erhofften?

Das ist sicher ein Ausnahmezustand, der von den Betroffenen beim Tagflug auch wahrgenommen wurde. In Köln/Bonn hat sich das beim Nachtflug leider nicht so bemerkbar gemacht! Viel wichtiger ist uns aber: Der Flugverkehr kann und darf nicht wieder auf das Niveau von vor der Corona-Krise zurückgebracht werden. Dieses Niveau sollte erst gar nicht mehr angestrebt werden. Die Welt der Luftfahrt wird und muss sich – veranlasst durch die aktuelle Wirtschaftskrise – nicht zuletzt wegen ihrer hohen Klimaschädlichkeit grundsätzlich verändern.

Airlines und Flughafen streben etwas anderes an. Wie wollen Sie es schaffen, dass künftig insgesamt weniger Flüge stattfinden?

Ganz einfach: Nachhaltigkeit muss vor Wachstum kommen. Da werden schon jetzt von der Politik die ersten Fehler gemacht. Wenn man die Lufthansa schon mit Milliarden von Steuergeldern rettet, dann muss man ihr im Gegenzug auch vorschreiben, die Klimaschädlichkeit eklatant zu reduzieren. Das muss zwar weltweit geschehen, zumindest aber auf europäischer Ebene, und das unmittelbar. Die Nachbarn in Österreich machen doch prima vor, wie es gehen kann. Die österreichische Regierung macht der dortigen Lufthansa-Tochter Austrian Airlines für das 600-Millionen-Euro-Rettungsparkt ökologische Auflagen. So verpflichtet sich die Fluglinie, Kurzstreckenflüge auf die Bahn zu verlagern, sofern eine adäquate Infrastruktur bereitsteht und die direkte Fahrt zum Wiener Flughafen weniger als drei Stunden dauert.

Außerdem: Der innerösterreichische CO2 -Ausstoß soll bis zum Jahr 2030 halbiert werden. Austrian Airlines sichert zu, die Treibstoffeffizienz um 1,5 Prozent pro Jahr zu steigern und den durchschnittlichen CO2 -Ausstoß pro 100 Passagierkilometer über die gesamte Austrian-Flotte von 9,55 auf 8,5 Kilogramm bis 2030 zu reduzieren. Im Vergleich zu 2005 soll der CO2 -Ausstoß bis 2030 um 30 Prozent reduziert werden. So etwas vermisse ich in Deutschland.

„Slots jährlich reduzieren“

Ich fürchte der Zug ist abgefahren, das Rettungspaket der Lufthansa ist nach schweren Verhandlungen abgeschlossen…

Der deutsche Staat hat aber noch ganz andere Möglichkeiten, den klimaschädlichen Flugverkehr zu bremsen. Die Slots, also die Start- und Landegenehmigungen, werden vom Bund erteilt. Das ist ein einfacher Hebel. Ich schlage vor, zehn Jahre lang die Zahl der Slots jedes Jahr um drei Prozent abzusenken. Dann hätten wir im Jahr 2030 ein Drittel weniger Flüge mit allen daraus resultierenden negativen Begleiteffekten wie Lärm und Umweltverschmutzung. Ich glaube auch, dass es dafür eine Akzeptanz in der Bevölkerung gibt. Außerdem könnte pro Flugkilometer eine Mindestgebühr vorgeschrieben werden, dann würde es aufhören, etwa für Taxigeld nach Mallorca fliegen zu können.

Wie beurteilen Sie die Lage in Köln/Bonn konkret?

Flughafenchef Johan Vanneste betont stets, dass man mit Fliegen kein Geld verdienen kann; warum, weil die Gebühren zu niedrig sind. Dann verstehe ich das Geschäftsmodell nicht. Wenn Flüge so begehrt sind, dass sie sogar in der Nacht stattfinden müssen, dann sollte man als Unternehmenslenker die Gebühren so weit erhöhen, dass es sich wieder lohnt. Sonst macht das betriebswirtschaftlich doch gar keinen Sinn. Wenn die Flughäfen das nicht wagen, sollte der Gesetzgeber einen Mindestpreis setzen, der nicht unterboten werden darf; was ja auch für die Flugpreise gelten sollte.

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Das heißt dann im Umkehrschluss aber auch, dass Flugreisen wieder etwas Exklusives für Reiche und Superreiche wird, wie vor 40 Jahren. Das ist der Abschied von Fernreisen und Warmwasserurlauben für Normalverdiener…

Das ist doch dummes Zeug. Ich kann mir auch keinen Maserati leisten. Wer wenig Geld hat, muss auf etwas Besonderes – wie eben eine Flugreise – halt so lange sparen, bis er es sich leisten kann. In meiner Generation fuhren viele etwa drei oder mehr Jahre nicht in den Urlaub, wenn sie sich ein Haus gekauft haben. Was ist schlimm daran? Es kann doch nicht das Ziel sein, alles möglichst billig zu machen, das aber dann auf Kosten von Allen, denn die Umweltfolgen der Fliegerei schaden allen Menschen, auch denen, die nie fliegen.

Gilt Ihre Forderung zur Reduzierung der Slots auch für Fracht- beziehungsweise Nacht-Flüge?

Selbstverständlich und sogar in besonderer Weise. Würde auch der Nachtflug auf 70 Prozent heruntergefahren, dann hätten wir in Köln/Bonn „nur noch“ ca. 30.000 statt 44.000 nächtliche Flugbewegungen. Das ist längst überfällig. Was viele nicht wissen: Nachtflüge sind deshalb besonders gesundheitsschädlich, weil der Lärm Menschen auch schädigt, wenn sie dadurch nicht direkt wach werden.

Ab einem Geräusch von ca. 33 Dezibel am Ohr wacht man nicht auf, allerdings wird jedes Mal auch im tiefen Schlaf Adrenalin ausgeschüttet. Das ist purer Stress und im höchsten Grade ungesund, weil bei Häufung derartiger Vorgänge insbesondere das Herz-Kreislaufsystem geschädigt wird, aber auch andere Körperfunktionen können beeinträchtigt werden. Das muss aufhören!