AboAbonnieren

Staatshilfen in der Corona-KriseWo soll das ganze Geld bloß herkommen?

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Wo soll es herkommen, das ganze Geld?

  1. Die Corona-Krise bürdet dem Staat einen gigantischen Schuldenberg auf.
  2. Doch wo soll das ganze Geld herkommen? Steuern, Gold? Oder sollte man gar Geld drucken?
  3. Eine Analyse zeigt: Theoretisch gibt es mehrere Möglichkeiten, wie sich der Staat Geld zurückholt. Manche klingen verrückt, andere sind realistischer.

Köln – Der Schuldenberg, den die Corona-Krise dem Staat aufbürdet, ist gigantisch. 3,4 Billionen Euro sollen es in der EU sein. Und da ist noch nicht miteingerechnet, wie viele Staatsbürgschaften überhaupt gezogen werden. In Deutschland beläuft sich die Summe an Staatshilfen von Bund, Ländern und Kommunen allein auf 260 Milliarden – ebenfalls ohne Bürgschaften, bei denen es sicherlich zu Ausfällen kommen wird. Da stellt sich die Frage: Wo soll das ganze Geld bloß herkommen?

Wirtschaftskrisen sind kein neues Phänomen. Bereits 1637 platzte in Europa die Tulpenmanie genannte Blase am Blumenmarkt und stürzte die Wirtschaft in eine Rezession. Weltwirtschaftskrise 1929, zwei Weltkriege, Ölkrise in den 1970ern, Dotcom-Blase, Finanzkrise 2008, immer wieder gab es heftige Einbrüche. Irgendwie sind wir da immer wieder rausgekommen. Auch in dieser Krise gibt es Hoffnung. Aber wie geht man mit dem riesigen neuen Schuldenberg um? Geschichte und Ökonomen kommen in ihren Analysen zu ganz unterschiedlichen Ansätzen. Manches ist realistisch, manches aber nur Theorie.

Schulden Schulden sein lassen

Klingt komisch, kann man aber machen, sagt der Düsseldorfer Volkswirtschaftsprofessor und frühere Vorsitzende der die Bundesregierung beratenden Monopolkommission, Justus Haucap. „Zumindest in der Theorie könnte man die alten Schulden durch neue Schulden immer wieder ersetzen“, sagt Haucap. Solange das Zinsniveau da ist, wo es heute ist, also im negativen Bereich, würde der Staat damit sogar Gewinne machen. Die Staatsanleihen haben eine negative Rendite. Die Anleger zahlen auch in der Corona-Krise Geld dafür, ihr Kapital beim deutschen Staat zu parken.

Und wenn die Zinsen nun steigen? Erstens spricht im Moment rein gar nichts dafür. Zweitens: „Selbst wenn der Zins stiege, etwa auf heute unvorstellbar hohe ein Prozent, wäre das stemmbar“, sagt Haucap. Denn der deutsche Staat hat schon ganz andere Zinssätze gestemmt. In den frühen 1980er Jahren lagen die Renditen deutscher Bundesanleihen bei zehn Prozent und mehr. Kritisch wird das nur, wenn die Zinslast staatliche Investitionen hemmt, wie heute bei einigen Kommunen. Ist also auf Dauer keine gute Lösung. Beleuchten wir, wie wir die Schulden wieder los werden.

Steuern erhöhen

Klingt unpopulär, aber nicht unwahrscheinlich. Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Die Frage ist, welche Steuern der Fiskus erhöht. Da kommt der Staat in Sachen Gerechtigkeit schnell an seine Grenzen. „Rein aus Staatssicht machte es Sinn, die Grundsteuer zu erhöhen, denn mit Immobilien kann man schlecht das Land verlassen und der Steuer ausweichen“, sagt Haucap. Ähnlich wäre das bei einer Besteuerung von Arbeitseinkommen, denn Arbeitnehmer, so zynisch das klingt, sind wenig mobil. Kapital dagegen ist hochflüchtig. Steigen die Steuern, wandert es ins Ausland.

Auch eine Vermögenssteuer wäre in der Theorie denkbar, auch wenn es da rechtliche Probleme gibt. Zu sehr an der Einkommenssteuer zu drehen, sei dagegen gefährlich, sagt Ökonom Haucap: „Irgendwann arbeiten die Menschen weniger und Unternehmer gehen kein unternehmerisches Risiko mehr ein.“ Wohlgemerkt, alles in der Theorie. Gar nicht so unrealistisch wäre dagegen eine höhere Besteuerung von Strom oder Mineralöl. Das würde sogar Klima und Umwelt nutzen.

Ausgaben senken

Geht, ist aber höchst unpopulär. Im Wahlvolk am einfachsten durchsetzbar wären laut Haucap Einsparungen im Rüstungsbereich. Das ist zwar angesichts der von allen Nato-Staaten versprochenen Erhöhungen der Ausgaben fürs Militär konfliktreich. Doch davon bekommen die Bürger am wenigsten mit. Und die Zahl der schimpfenden Soldaten ist verglichen mit der Zahl schimpfender Eltern (bei Schulen sparen) oder Bauern (Subventionen streichen) gering – aus Politikersicht also kein schlechter Deal. Natürlich könnte man an Bildung sparen oder bei Hartz IV oder bei Renten. Wirtschaftsprofessor Haucap aber hält das für nicht realistisch oder zielführend.

Geld drucken

Geht in der Theorie auch. „Schulden sind auf einen nominalen Betrag ausgestellt. Drucken Staaten respektive Notenbanken Geld, verringert das per Inflation die Schuldenlast“, sagt Haucap. Mit immer mehr Geld wird dann die immer weniger wertvolle Schuld getilgt. Klingt nach 1923, aber es gibt durchaus Staaten, die auch heute so verfahren. Bei lateinamerikanischen Ländern sieht man es immer wieder. Chile macht es gefühlt alle paar Jahre. Und auch die EZB kauft ja Anleihen vor allem der EU-Südländer, was dem Drucken von Geld entspricht. „Ankäufe von deutschen Staatsanleihen im größeren Stil wären aber ein schlechtes Signal an die Märkte“, sagt Martin Beznoska vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

Die Holzhammermethode wäre falsch und unrealistisch. Denn die sozialen Verwerfungen wären enorm. Menschen, die ein Haus finanziert oder ein Auto auf Pump gekauft haben, wären von heute auf morgen auch schuldenfrei, während die kleinen Sparer ihre Vermögen verlören und die Kunden von Lebensversicherungen um ihre Altersvorsorge gebracht würden. Arme würden ärmer, Reiche reicher.

Staatsbeteiligungen verkaufen

Die Lufthansa gehört bald zum Teil dem Staat, die Commerzbank seit zehn Jahren, Spielcasinos auch, VW sowieso. Sollte die Krise überstanden sein, könnte der Staat diese Beteiligungen gewinnbringend verkaufen. Ist aber auch eher theoretisch, denn das Beispiel Commerzbank zeigt, dass es nicht klappt. Die Politik verpasst oft den günstigsten Zeitpunkt zum Ausstieg. Oder das Investment kommt, wie die Commerzbank, nie mehr auf seinen alten oder einen höheren Wert. Außerdem gibt es ordnungspolitische Bedenken. Der Staatsforst hat genauso seinen Sinn wie eine vom Staat gelenkte Deutsche Bahn. Also eher Beiwerk, keine Lösung der Schuldenprobleme.

Bundesbank-Gold verkaufen

Einen riesigen Goldschatz hat die Deutsche Bundesbank. 3300 Tonnen sollen in den Tresoren liegen. Fast 51.000 Euro kostete ein Kilogramm am Freitag dieser Woche. Ergibt rein rechnerisch die Zahl 168.300.000.000 Euro oder grob 168,3 Milliarden Euro. Reicht nicht für die ganzen Schulden, hat aber ohnehin zwei gravierende Nachteile. Denn dann wäre das ganze Gold auf einmal weg und was gravierender ist: „Würde die Bundesbank auf einmal so viel Gold auf den Markt werfen, würde der Goldpreis kollabieren“, sagt Haucap. Und damit wäre nicht nur das Gold futsch, der Staat hätte auch viel weniger erlöst.

Den Selbstheilungskräften vertrauen

Nach Einschätzung der führenden Forschungsinstitute wie etwa dem IW das realistischste Szenario. Deutschland hat in den vergangenen Jahren gut gehaushaltet. 2019 lag die Schuldenquote unter 60 Prozent, war damit EU-konform. Mit allen geplanten Hilfen ohne Bürgschaften liegt sie voraussichtlich gerade mal bei 80 Prozent, sagt IW-Experte Beznoska. „Die Schuldenquote ist nicht dramatisch, wenn Deutschland schnell wieder zu alter wirtschaftlicher Stärke zurückkehrt.“ Auch den hohen Schuldenstand nach der Finanzkrise habe man gut verkraftet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bis 2021 werde es nach der Vollbremsung Aufholprozesse geben – das wäre das beste Szenario für eine Rückkehr auf den alten Wachstumspfad. Weder Steuererhöhungen noch -senkungen seien wohl nötig. „Mit den aktuellen Steuersätzen kann man die Krise ohne Probleme finanzieren“, sagt Beznoska.