Lernen aus CoronaWie Bargeld durch die Krise rasant an Bedeutung verliert
- Die Corona-Pandemie verändert unser Leben nachhaltig. Das bietet aber auch die Chance, bisherige Gewohnheiten zu hinterfragen.
- Jetzt haben wir die Möglichkeit auf einen Neustart. Wir zeigen in einer Serie, wie es gehen könnte.
- In diesem Teil geht es darum, wie rasant Bargeld in der Krise an Bedeutung verliert.
Köln – Online-Banking ist keineswegs ein neues Phänomen. Früher wurde es meist Homebanking genannt. Zu den Pionieren gehörte die Postbank, die in den 1980er Jahren zunächst mit dem Bildschirmtext begann. Diese Technik setzte sich nicht wie erwartet durch und wurde 2001 eingestellt, wobei das Programm selbst noch bis 2007 weiterbetrieben wurde. Die Sparda-Bank nutzte ab 1996 die von dem in Ostdeutschland aufgewachsenen Jungunternehmer Jozsef Bugovics entwickelte Hardwarelösung MeChip. Doch auch mangels technologischer Wege wie Telefax für Überweisungen wuchs das elektronische Banking langsam. 1998 nutzten gerade acht Prozent der Deutschen Online-Banking, zehn Jahre später waren es 38 Prozent. Besonders ältere Kunden waren und blieben skeptisch.
Die Corona-Krise hat dem Zahlungsverkehr in Deutschland nun einen unverhofften und enormen Schub in diese Richtung gegeben. „Die Digitalisierung im Bankgeschäft gewinnt durch die Corona-Krise an Bedeutung: Kontoauszüge und Überweisungen finden zunehmend im Online-Banking statt. Fast 90 Prozent der Deutschen nutzen Online-Banking. Selbst das Kreditgeschäft ist heute digital möglich, Beratungsgespräche per Video vom heimischen Computer aus sind wegen der Kontaktbeschränkungen häufiger“, sagt Andre Carls, Vorsitzender des Bankenverbandes Nordrhein-Westfalen. Das persönliche Beratungsgespräch werde es zwar weiterhin geben, aber wahrscheinlich nur noch bei komplexeren Finanzierungsfragen.
Nicht nur Toilettenpapier und Nudeln, auch Bargeld wurde gebunkert
Zu Beginn der Krise setzten die Deutschen vor allem darauf, neben Toilettenpapier und Nudeln auch Bargeld zu horten. Die Bankkunden hatten scheinbar Sorge, im Zweifel nicht mehr an ihr Erspartes zu kommen. Wer damals stark bunkerte, dürfte heute noch mit Hundertern in der Tasche herumlaufen. Denn die Nutzung von Bargeld ist, vielleicht auch aus Hygienegründen und weil der Handel um Kartenzahlung bittet, rapide gesunken. Laut Bundesbank lag der Anteil der Barzahlungen nach Umsatz für das Jahr 2017 noch bei 52 Prozent. In einem Referenzszenario kommt die Münchner Unternehmensberatung Oliver Wyman nun zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Barzahlungen bis 2025 um 20 Prozentpunkte auf 32 Prozent abfallen wird.
Und Grund zur Sorge vor Bargeldknappheit war nie angebracht. Die Bundesbank betonte stets: „Unsere Tresore sind voll“. Ähnlich heißt es von den privaten Banken. „Die Bargeldversorgung ist gesichert, es gibt keinen Grund, Geld zu hamstern. Es gibt mehr als 60 000 Geldautomaten in Deutschland, auch in 20 000 Supermärkten sowie Tankstellen ist eine Bargeldverfügung jederzeit möglich. Das Geld wird auch nicht knapp – es zuhause zu horten, ist auf jeden Fall wegen der Diebstahlsgefahr mit Risiko verbunden“, warnt Banker Andre Carls.
Eisdielen ohne Kasse: In den Niederlanden längst Realität
Viele glauben jetzt bereits an ein Ende des Bargelds in Deutschland oder der Eurozone. Klar ist: Die Corona-Krise hat die Akzeptanz von bargeldlosen Zahlungen erhöht. Getränkemärkte und Tankstellen oder Supermärkte bitten Kunden zur Kontaktminimierung heute oft explizit darum, unbar statt mit Münzen und Scheinen zu zahlen. In den Niederlanden gab es schon vor Jahren Eisdielen, die sich weigerten, Bares für eine Kugel Vanille anzunehmen, weil sie gar keine Kasse hatten.
In diese Richtung entwickelt sich auch Deutschland. „Ob durch die Corona-Krise das Bargeld an Bedeutung verliert oder gar verschwindet, entscheiden letztlich die Kunden“, sagt Carls. Derzeit nehme der Bargeldbedarf aus den genannten Gründen ab. „Schon jetzt zahlen fast 60 Prozent der Verbraucher bargeldlos. Seit Beginn der Krise sehen wir Zuwachsraten von mehr als 50 Prozent bei den Girocard-Transaktionen“, so der Banker. Die Corona-Krise beschleunigt auf jeden Fall den Wechsel zum kontaktlosen Bezahlen, ob das aber ein langfristiger Trend sei, hänge vom weiteren Verhalten der Kunden ab. „Eine Abschaffung des Bargelds erwarten wir nicht, Bargeld hat gegenüber digitalen System auch einige Vorteile: Keine Datenspeicherung, ständige Verfügbarkeit, für viele auch die bessere Übersicht über ihre Ausgaben, nicht zuletzt gilt Bargeld als gefühlte Freiheit“, sagt Carls.
Goldpreis fiel gegen den Trend
Bei den Firmen beobachten die Banker gerade ein wieder anderes Phänomen. Dort ist Liquidität das oberste Maß aller Dinge. „Die Bankeinlagen sind schlagartig angestiegen, Liquidität ist Trumpf in der Krise“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, dem Wertpapierhaus der deutschen Sparkassen. Dieser Drang der Investoren nach flüssigen Mitteln treibt seltsame Blüten. „Sonst gilt Gold als sicherer Hafen in der Krise, doch diesmal mussten wir beobachten, dass zum Höhepunkt der Krise zwischen Anfang und Mitte März der Goldpreis von über 1600 auf fast 1400 Dollar gegen den Trend fiel“, sagt Kater. Goldbesitzer machten schlicht Kasse. Inzwischen hat sich der Preis des Edelmetalls aber wieder erholt.
Auch der Geldmarktzins, gemessen etwa am Interbankenzinssatz Euribor, zu dem sich Kreditinstitute gegenseitig Geld leihen, stieg überraschend an. Kater geht aber nicht davon aus, dass das ein Phänomen ist, was lange beobachtet wird. „Das sind alles Folgen des Krisenmodus, keine dauerhaften Trends“, sagt Kater.
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Im Firmenkundengeschäft gehört digitales Banking bereits schon zum Tagesgeschäft. „Hier werden zum Beispiel individuelle Lösungen mit künstlicher Intelligenz, die per Sensor Nutzungsdaten zwischen Unternehmen und Bank zur flexiblen Festsetzung der Tilgungsraten austauschen, genutzt“, sagt Bankenpräsident Carls.