Die chinesische KI-Neuheit DeepSeek rüttelt die Tech-Branche gehörig auf. Nun stellt sich die Frage nach der Zukunft der bisherigen Platzhirsche wie OpenAI.
US-Techkonzerne sind nervösDeepSeek – Was bereutet die KI aus China für ChatGPT?
Der Start von DeepSeek hätte kaum besser geplant werden können. Oder schlechter – je nachdem, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Nur wenige Tage nachdem US-Präsident Donald Trump zusammen mit OpenAI-Chef Sam Altman und anderen Akteuren das KI-Monsterprojekt „Stargate“ angekündigt hatte, erblickte das Sprachmodell des chinesischen Hedgefonds-Milliardär Liang Wenfeng das Licht der Welt - und löste umgehend ein Beben an den Aktienmärkten aus.
Der Knackpunkt: DeepSeek beherrscht nahezu alles, was das US-amerikanische Pendant ChatGPT von OpenAI auch beherrscht, vielleicht sogar ein bisschen mehr - arbeitet dabei aber nach eigenen Angaben sehr viel effizienter. Bisher galt in der KI-Branche die Annahme, dass bessere Künstliche Intelligenz auch mehr Rechenleistung erfordert. Mit der Veröffentlichung von DeepSeek ist diese Annahme ins Wanken geraten, was insbesondere Chipunternehmen wie Nvidia zu spüren bekamen. Der Aktienkurs des Unternehmens brach am Montag um nahezu 20 Prozent ein.
Unklar allerdings ist noch, was die neue Konkurrenz aus China nun für den KI-Markt generell bedeuten wird. Bislang galten die USA mit ihren Big-Tech-Unternehmen als kaum einholbarer Marktführer in dem Bereich, der laut Trump mit Rieseninvestitionen noch ausgebaut werden sollte. Ist der Siegeszug nun vorbei? Und stehen OpenAi und Co. damit vor einem handfesten Problem?
DeepSeek: KI-Entwickler in den USA sind nervös
Zumindest in den Büros der US-Techkonzerne scheint dieser Tage Nervosität in der Luft zu liegen. Sam Altman, CEO von OpenAI, gab sich in einem offiziellen Statement auf der Plattform X, noch recht zuversichtlich: „DeepSeeks R1 ist ein beeindruckendes Modell“, schrieb er dort. „Wir werden offensichtlich viel bessere Modelle liefern und außerdem ist es wirklich belebend, einen neuen Konkurrenten zu haben!“ Intern allerdings wählt Altman offenbar andere Worte, wie die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ erfahren haben will.
Gegenüber Beschäftigten des US-Unternehmens sagte Altman demnach, die Veröffentlichung von DeepSeek bedeute für OpenAI „einen großen Wandel“. Die Agentur beruft sich auf mit dem Unternehmen vertraute Personen. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien nun mit der Frage beschäftigt, wie DeepSeek ein solches Modell überhaupt veröffentlichen konnte. Im Unternehmen herrsche das Gefühl, dass man die chinesische Konkurrenz „sehr ernst nehmen“ müsse. Vor allem aber auch, da sie eine Gelegenheit zur Innovation und Verbesserung der eigenen bestehenden Modelle böte.
Auch im Meta-Konzern von Mark Zuckerberg wurde laut dem Bericht ein Team eingerichtet, das sich auf die Analyse von DeepSeek konzentrieren soll. Ziel sei, besser zu verstehen wie es aufgebaut ist und was es kann. Meta setzt solche Tasksforces auch ein, um andere Konkurrenzmodelle zu bewerten, etwa das von OpenAI oder Googles Gemini. Die neue chinesische Konkurrenz DeepSeek ist ein Open-Source-Modell: Das Unternehmen hatte seine Programmcodes veröffentlicht, damit die Angaben zur Leistungsfähigkeit des KI-Modells überprüft werden können.
Die DeepSeek-Technik ist nicht exklusiv
Ob der Start von DeepSeek den großen US-Unternehmen aber unmittelbar schaden wird, steht auf einem anderen Blatt Papier. Der frühere Chefredakteur des Branchenmagazins „Tech Crunch“ Darrell Etherington, der heute beim Tech-Investor Omers Ventures arbeitet, beschwichtigt in seinem Newsletter: „DeepSeek ist beeindruckend, weil es ein Meisterstück darin ist, Beschränkungen durch nichtlineares Denken und orthogonale Ansätze zur Problemlösung zu überwinden.“ Aber: „Die darin enthaltenen technischen Verbesserungen und Vorteile sind jedoch nicht auf dieses eine Unternehmen (...) beschränkt.“
Soll heißen: Von der Innovation des chinesischen Modells könnten langfristig auch die US-Produkte profitieren. „Unternehmen wie OpenAI, Anthropic und andere (sowie ihre Open-Source-Äquivalente wie Metas Llama) können und werden diese Erkenntnisse in ihre eigenen Ansätze integrieren, und das Ergebnis werden massive Ressourceneinsparungen in bestehenden Teilen des technischen Stacks sein“, schreibt Etherington.
Das DeepSeek-Modell sei nur eine andere Art der Ressourcenzuweisung. Am Ende komme es aber darauf an, Kundinnen und Kunden mit einem KI-Modell einen grundlegenden Mehrwert zu bieten, der ihre spezifischen Probleme löse. Darauf sollten sich auch Risikokapitalgeber fokussieren, schreibt der Tech-Experte weiter.
Vorsprung der USA gerät ins Wanken
Und dennoch dürfte das chinesische Modell den Markt ordentlich aufrütteln und die Vorherrschaft der USA beim Thema Künstliche Intelligenz ins Wanken bringen. Insbesondere ein Wort ist dieser Tage immer wieder aus der Branche zu hören, und zwar eines, das die meisten wohl nicht in einen Zusammenhang mit China bringen würden: Demokratisierung.
War man lange davon ausgegangen, dass nur diejenigen leistungsfähige KI-Modelle bauen können, die das Geld und die Kapazitäten für riesige Rechenzentren haben, räumt der neue Ansatz von DeepSeek auch ganz anderen Akteuren Chancen ein.
Ein anderer Vorteil von DeepSeek ist, dass es sich um ein Open-Source-Modell handelt, bei dem der Quellcode offen ist. Dieser lässt sich auch von Unternehmen abseits der großen US-Tech-Giganten einsetzen - übrigens, ohne sich an ein chinesisches Unternehmen zu binden. Der Code selbst ist unabhängig von der Plattform DeepSeek.
Eine Chance für kleinere Entwickler
Mark Hawtin, Kopf der britischen Fondsverwaltungsgesellschaft Liontrust Asset Management spricht gegenüber dem US-Sender CNBC von einem „großen Geschenk der Menschheit“, nun ein solches Open-Source-Modell zu haben. „Die Demokratisierung von KI ist absolut fantastisch für all die kleineren Unternehmen, die ihre eigenen kleinen Modelle bauen und ihre eigenen kleinen Geschäfte führen wollen.“
Für Hawtin ist die Veröffentlichung von DeepSeek so so etwas wie ein „fairer Reset“, der nun zwischen den Entwicklern von Künstlicher Intelligenz und den Nutzerinnen und Nutzern stattgefunden habe - auch was die Risiken der Technologie betrifft.
Ali Ghodsi, CEO von Databricks Inc., sagte „Bloomberg“: „Die Herstellung dieser Modelle, die logisch denken können, ist so viel billiger, dass wir eine Demokratisierung erleben werden. Wir werden Innovationen aus unerwarteten Ecken der Welt erleben.“
Auch Europa könnte profitieren
Spinnt man den Gedanken weiter, könnte der Start von DeepSeek auch den KI-Sektor in Europa noch einmal beflügeln. Innerhalb der EU gibt es mehr als 6000 KI-Startups, rund 670 davon sind im Bereich der generativen KI tätig. 20 Prozent davon wiederum stammen laut einer Studie des appliedAI Institute for Europe aus Deutschland - das wäre nach absoluten Zahlen der Spitzenplatz in der EU. Dahinter folgen Frankreich, die Niederlande und Schweden. Blickt man über die EU hinaus hat das Vereinigte Königreich in Europa die Nase vorn.
Besonders viel Beachtung finden unter anderem das Unternehmen Aleph Alpha aus Heidelberg und Mistral AI aus Frankreich. Im Vergleich zu den großen Namen aus den USA sind diese aber dennoch vergleichsweise unbekannt. Ein Umstand, der sich nach dem Durchbruch von DeepSeek ändern könnte.
Für Walter Goodwin, CEO des britischen KI-Startups Fractile, ist der Start von DeepSeek ein „Weckruf“, der beweise, „dass auch Europa es sich leisten kann, an der Spitze der KI mitzuspielen“, wie er dem belgischen Tech-Magazin „EE-News“ sagte. Mit DeepSeek habe erneut ein Unternehmen gezeigt, dass „ein hochtalentiertes Team mit den führenden und kapitalstärksten KI-Modellunternehmen mithalten kann“. Auch Europa verfüge über eine hohe Talentdichte, die sich nutzen lasse.
Trump zeigt sich siegessicher
Dass die großen US-Entwickler nun unmittelbar in den Ruin getrieben werden, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Mark Hawtin von Liontrust Asset Management meint: „Ich glaube nicht, dass DeepSeek den großen KI-Unternehmen die Geschäftsmodelle wegnimmt. Ich glaube auch nicht, dass es Nvidia zerstören wird.“ Natürlich werde Rechenleistung auch in der Zukunft gebraucht, vermutlich mehr denn je.
Der neue US-Präsident Donald Trump gab sich nach dem Marktstart des chinesischen Models zunächst gelassen: Es sei „gut, weil man nicht so viel Geld ausgeben muss“, so Trump. Auch der Chiphersteller Nvidia selbst lobte DeepSeek in einer Erklärung am Montag als „exzellenten Fortschritt in der KI“.
Zugleich gab sich Trump allerdings auch kämpferisch: „Die Veröffentlichung von DeepSeek AI durch ein chinesisches Unternehmen sollte für unsere Branchen ein Weckruf sein und dafür sorgen, dass wir uns voll und ganz auf den Wettbewerb konzentrieren, um zu gewinnen.“
Welche Gefahr birgt die neue Situation?
Genau darin wiederum sehen andere Tech-Fachleute allerdings eine Gefahr. Casey Newton, der den „Platformer“-Newsletter herausgibt, schreibt in der Ausgabe von Dienstag: „Je mehr die Menschen glauben, dass KI ein existenzieller Wettstreit gegen China ist, desto unsicherer wird sie aufgebaut.“ Die amerikanischen KI-Konzerne hatten zuletzt Methoden etabliert, damit ihre Modelle nicht für kriminelle Machenschaften missbraucht werden können. DeepSeek hingegen spricht kaum über solche Sicherheitsmechanismen.
„Die könnte ein Grund für US-Unternehmen sein, ihre Sicherheitsbemühungen aufzugeben – oder zumindest künftige Investitionen in sie zu reduzieren“, befürchtet der Autor.
Soll heißen: Der Wettlauf im Künstliche Intelligenz ist neu eröffnet und die Karten werden neu gemischt. Er birgt aber auch neue Risiken.