Toyota-Chef André Schmidt über den Jobabbau bei Ford, das stetige Wachstum des Importeurs und für wen E-Autos Sinn machen.
Deutschlandchef André Schmidt im Interview„Bei Toyota werden Fachkräfte gebraucht“
Herr Schmidt, bei Ford, dem zweiten großen Autokonzern am Standort Köln, werden massiv Stellen abgebaut. Wie bewerten Sie das?
Mich persönlich hat die Nachricht bewegt, weil meine Eltern Ford-Händler waren. Ford stellt sich offenbar in Europa strategisch neu auf und verfolgt dabei eine andere Strategie als die, die Toyota hier in Europa hat.
Inwiefern?
In den globalen Regionen, in denen wir vertreten sind, versuchen wir immer Good Corporate Citizen zu sein, und uns auch als Teil der Gesellschaft einzubringen. Wichtig ist dabei, auf die jeweiligen Marktbedürfnisse einzugehen. Deshalb betreiben wir beispielsweise ein großes Entwicklungszentrum in Brüssel.
Außer für den Motorsport hat Toyota in Köln ja keine Produktion oder Entwicklung, aber Zentralen für Deutschland und Europa sitzen hier. Steht Ähnliches zu befürchten?
Nein, bei uns ist die Lage stabil und wir wachsen sogar leicht mit unseren rund 1100 Mitarbeitenden am Standort. Das Schöne ist zudem, dass immer mehr europäische Funktionen nach Köln kommen. Wir haben hier neben der Vertriebszentrale auch unsere Bank, die Leasing Gesellschaft, unsere Versicherung, das große Zentrallager, unsere Marke für Mobilitätslösungen KINTO und das Rennsport-Team, mit dem wir gerade drei FIA-Weltmeisterschaften gewonnen haben. Ford wird viele hoch qualifizierte Kräfte abbauen.
Hätten Sie Bedarf?
Ich gehe davon aus, dass wir in Köln weitere Arbeitsplätze schaffen können und wir sind immer offen für neue Talente. Natürlich ändert sich der Arbeitsmarkt auch mit den neuen Anforderungen der Kunden. Wir müssen die Mobilitäts-Bedürfnisse der jüngeren Generation verstehen und sie dann in Angebote umsetzen. Auf diesem Weg werden natürlich auch bei Toyota gute Fachkräfte gebraucht.
2022 war wirtschaftlich sehr schwierig, auch für die Autoindustrie. Wie ist es für Toyota gelaufen?
Insgesamt hatten wir ein gutes Jahr, das wir zusammen mit unseren Lieferanten und Händlern sehr gut gemeistert haben. Wir sind gegen den Trend gewachsen. Mit neun Prozent mehr Neuzulassungen haben wir unseren Marktanteil von 2,7 auf drei Prozent gesteigert. Natürlich hatten auch wir die eine oder andere Lieferschwierigkeit und mussten agil reagieren. Aber wir sind auch deshalb besser durch die schwierige Zeit gekommen, weil wir nachhaltig und langfristig denken, planen und agieren.
Wie verteilen sich die Neuzulassungen auf die Antriebsarten?
Toyota hat bereits vor über 25 Jahren auf Hybridtechnik gesetzt und damit ist ein Großteil unserer Modelle immer wieder elektrisch unterwegs. Diese Antriebsarten machen mittlerweile 70 Prozent unseres gesamten Verkaufs aus. Im Jahr 2015 waren es zum Vergleich um die 23 Prozent. Damit konnten wir bereits eine große CO₂-Reduktion unserer Flotte erreichen und haben deshalb auch nie die Vorgaben der EU verletzt.
Wann wird sich denn Toyota vom Verbrenner verabschieden?
Als globales Unternehmen bieten wir weltweit mehr als hundert unterschiedliche Produkte für alle Länder an. Blicken wir auf einen Kontinent wie etwa Afrika, so wird dort eine komplette Elektrifizierung aufgrund der fehlenden Infrastruktur auf längere Zeit nicht möglich sein. Deshalb verfolgt Toyota das Ziel – und nicht nur in Afrika – eine sehr breite Palette von Antriebsarten anzubieten, um jedem das für ihn passende Mobilitätsangebot zu machen. Batteriebetriebene Pkw sind für kurz- und mittlere Strecken und in Städten sinnvoll. Für längere Fahrten setzt Toyota auf Wasserstoff.
Die EU hat entschieden, dass ab 2035 keine Verbrenner-Pkw mehr neu zugelassen werden dürfen.
Dieses Ziel werden wir erfüllen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass in Deutschland immer noch 60 Prozent des Ladestroms aus Kohle gewonnen werden und dies schadet der Atmosphäre. Darüber hinaus ist eine wichtige Frage: Was geschieht mit den Verbrennern, die noch Jahre auf den Straßen fahren? Wir verfolgen den Ansatz, auch alte Fahrzeuge durch Umrüstung auf Wasserstoffantrieb oder die Nutzung von E-Fuels umweltfreundlicher zu machen. Sonst werden wir die CO₂-Neutralität in Deutschland bis 2045 nicht erreichen.
Die Förderung von E-Mobilität ist zusammengestrichen worden. Wie viel Geschäft wird Sie das kosten?
Wir hatten kein großes Volumen im Bereich Plug-In, aber natürlich im Markt die Vorzieh-Effekte registriert. Grundsätzlich sollte gelten, dass ein Kunde ein Fahrzeug kauft, von dem er überzeugt ist und das seinen Mobilitätsbedürfnissen entspricht und nicht nur, weil es dafür eine Unterstützung gibt. Sicherlich gibt es bei solchen Programmen einen psychologischen Effekt. Das hat man bereits bei der Abwrackprämie gesehen. Es wurden neue Autos gekauft und viele hochwertige verschrottet, weil es Geld vom Staat gab. Ob das in der Form ökologisch und ökonomisch sinnvoll war, ist fraglich.
Toyota bringt jetzt mit dem bZ4X den ersten Stromer raus. Der Start verlief wegen Sicherheitsproblemen etwas holprig. Wie sind die Erwartungen und wie lange muss man warten?
Alle Probleme sind gelöst und ich gehe von insgesamt rund 4.000 Neuzulassungen in diesem 2023 in Deutschland aus. Wir haben das Auto jüngst im Zillertal der Presse vorgestellt und es sozusagen einem Wintertest unterzogen. Es war wirklich fantastisch, was das Modell auch im Schnee kann. Aktuell müssen die Kunden auf das Modell etwa vier bis fünf Monate warten. Wir versuchen, mehr Volumen nach Deutschland zu holen, um die Lieferzeiten zu verkürzen.
Warum hat sich Toyota für so einen sperrigen Namen entschieden?
Darüber ist schon viel geschrieben worden (lacht). „bZ“ steht für unsere Nachhaltigkeitsstrategie Beyond Zero. Übersetzt heißt das, weniger als Null. Pate stand hier unser Wasserstofffahrzeug Mirai, welches nicht nur keine Emissionen verursacht, sondern aus der Luft zusätzlich noch Partikel herausfiltert. Die Luft ist final also sauberer. Die „4“ steht für die Größenklasse und das X für die Crossover, beziehungsweise SUV-Form.
Tesla hat die Preise deutlich gesenkt. Rechnen Sie jetzt mit einer Preis-Abwärtsspirale?
Wir beobachten das aufmerksam. Die Ankündigung kam vor wenigen Wochen und es ist noch zu früh für eine fundierte Einschätzung. In Europa ist der Vorstoß mit Blick auf die sich verschärfenden EU-Flottengrenzwerte bei gleichzeitiger Erhöhung der Rohmaterialkosten interessant. Hersteller, die diese Grenzwerte nicht einhalten können, drohen Strafzahlungen.
Deshalb könnten sie motiviert werden, in einen Preiskampf zu gehen, weil es eventuell sinnvoller sein kann, Volumen mit noch mehr Nachlass in den Markt zu drücken und Verluste zu akzeptieren. Diese wären unter Umständen geringer als die drohenden Strafen. Wir als Toyota müssen uns daran nicht beteiligen.
Toyota ist Partner von Special Olympics Deutschland und Mobilitätspartner der Weltspiele. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement?
Die Special Olympics Weltspiele für geistig und mehrfachbehinderte Menschen in diesem Sommer in Berlin sind nicht nur die größte inklusive Sportveranstaltung, die in Deutschland je stattgefunden hat, sondern sie sind auch insgesamt das größte Sportevent nach den Olympischen Spielen 1972. Dort werden rund 7.000 Sportlerinnen und Sportler aus 190 Nationen erwartet, die in 26 Disziplinen gegeneinander antreten.
Wir sind Mobilitätspartner der Spiele und des Teams Deutschland, das Athletinnen und Athleten auf dem Weg zu den World Games 2023 in Berlin begleitet. Vor Ort unterstützen wir mit einigen Hundert Fahrzeugen und Volunteers aus den eigenen Reihen. Außerdem unterstützen wir die Stadt Köln, die im Rahmen des Host Town Programms die belgische Delegation im Vorfeld der Spiele beherbergt und machen unter anderem unsere Collection von historischen Fahrzeugen zur Begegnungsstätte.
Im Rahmen des Konzeptes Unified Sports, in dem gemischte Teams aus Behinderten und Nicht-Behinderten zusammenspielen, haben wir Fußballturniere mit Mitarbeitern organisiert. Es geht mir persönlich darum, Barrieren im Kopf zu überwinden und die Inklusion in Deutschland gemeinsam voranzutreiben.
André Schmidt ist seit 2021 Präsident von Toyota Deutschland. Zuvor arbeitete er für das japanische Unternehmen in den USA, war Präsident von Toyota Schweden sowie Marketing Direktor von Toyota Deutschland und davor unter anderem bei Mitsubishi. Der gebürtige Bad Kissinger ist Bank- und Diplomkaufmann, verheiratet und hat drei Kinder.