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Digital X in KölnSo würde Telekom-Chef Tim Höttges die Wirtschaft umbauen

Lesezeit 4 Minuten
Telekom-Chef Tim Höttges spricht auf der Digital X im Kölner Mediapark.

Telekom-Chef Tim Höttges spricht auf der Digital X im Kölner Mediapark.

Auf der Digital X in Köln präsentieren hunderte Unternehmen ihre Innovationen. Zwischen Robotern, Drohnen und Sprachassistenten war der Auftritt von Telekomchef Tim Höttges ein beliebter Programmpunkt.

Wenn Telekomchef Tim Höttges auf der Bühne steht, könnte man meinen, da stünde Apple-Legende Steve Jobs. Nicht nur in den Ideen sind sich die beiden ähnlich, auch im Auftreten. Beide haben das, was man „akustisches Charisma“ nennt: Stimme und Sprechweise kommen beim Publikum gut an. Das ist kein subjektiver Eindruck, sondern wurde sogar wissenschaftlich bewiesen. Ein Team von Forschern der Universität Süddänemark hat einen Algorithmus mit Feedback von 10.000 Zuhörern gefüttert, denen Stimmproben vorgespielt wurden. Auf einer Skala von 0 bis 100 kam Jobs am besten weg, Höttges lag bei 93,6.

Höttges rechnet mit der deutschen Wirtschaft ab

Höttges spricht anlässlich der Digital X, einer Digitalkonferenz, die von der Deutschen Telekom in Köln ausgerichtet wird. Die Ränge sind ausnahmslos gefüllt, die Zuschauer lauschen gebannt und applaudieren immer wieder. Im Innovationszelt neben der Bühne spielen Kinder Drohnenfußball, der KI-Avatar Judy beantwortet in Menschengestalt Fragen, und Roboter führen stündlich einen Tanz auf. Höttges derweil stellt nichts Geringeres vor als seine Abrechnung mit der deutschen Wirtschaft: „Wir stehen nicht im Stau, wir sind der Stau“, sagt er direkt zu Beginn seiner Keynote. „Wir sollten uns nicht so viel über die Politik beschweren, über die Chinesen, die Amerikaner. Wir sind diejenigen, die die Verantwortung für die Dinge haben.“

Was er damit meint, illustriert er am Beispiel der Deutschen Telekom. Während er qua seines Amtes kaum anders sprechen kann, hat seine Vorgehensweise bei Deutschlands größten Telekommunikationsanbieter jedoch Symbolcharakter: Die Telekom steht sehr gut da, 43 Milliarden Euro sollen in diesem Jahr unterm Strich übrigbleiben. Vor allem das Geschäft in den USA floriert. Im Mobilfunk ist die Telekom nahezu weltweit die Nummer Eins, im Rennen um den Glasfaserausbau hat das Unternehmen in Europa die Nase vorn. Der Konzern ist so viel wert wie alle Telekommunikationsunternehmen in Europa zusammen, sagt Höttges. Warum also etwas verändern?

Deutsche Telekom reinvestiert 19 Milliarden Euro

In den kommenden Jahren will die Deutsche Telekom Höttges zufolge 19 Milliarden Euro investieren, davon sechs Milliarden in Deutschland. Damit will sie noch mehr Haushalte an Glasfaser anschließen, durch einen Tech-Fonds in Start-ups investieren, ihre Weiterempfehlungsrate deutlich steigern und durch Künstliche Intelligenz Kosten senken sowie effizienter werden. „Ich könnte jetzt sagen: Ich bin elf Jahre hier, ich lasse den Laden so. Läuft doch.“

Höttges Anspruch ist, sein Unternehmen weiterzuentwickeln, Risiken einzugehen, Strukturen zu ändern, neue Leute reinzuholen, um auch künftig erfolgreich zu sein. Das, was bei der Telekom funktioniert, könnte auch bei der deutschen Wirtschaft gelingen, ist Höttges überzeugt: „Jeder Politiker wird sagen, was du da bei der Telekom machst, ist deine Sache. Aber Staat und Demokratie funktionieren anders. Das weiß ich, aber es gibt Analogien.“

Drei Punkte zur Transformation

Für die Transformation hat Höttges einen Plan aufgestellt. Erstens: Wir sollten alle mehr arbeiten. „In keinem anderen Land arbeiten die Menschen weniger als wir. Wenn ich in Asien oder in Amerika bin und sehe, wie diese Wirtschaftsnationen in die Hände spucken, wird mir für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes hier in Deutschland Angst und Bange.“ Damit wir mehr Zeit mit Erwerbsarbeit verbringen können, müsse der Staat entsprechende Rahmenbedingungen schaffen - von Kinderbetreuung bis Pflege von Angehörigen.

Zweitens: Wir müssen künstliche Intelligenz nutzen. Rund ein Drittel der Unternehmen sagt einer Bitkom-Studie zufolge, dass KI für sie aufgrund der dahinterliegenden Bürokratie nicht interessant ist. „Ohne KI, ohne Digitalisierung, ohne die Nutzung von unseren Daten, werden wir uns nicht transformieren.“ Jeder sollte lernen, mit KI umzugehen. „Lernen Sie prompting anstatt googeln“, sagt der Telekomchef.

Wertschöpfung zurück nach Deutschland holen

Drittens: Um mit steigenden Kosten für Logistik, Personal und Energie umzugehen und wieder mehr Wertschöpfung nach Deutschland zu holen, schlägt Höttges hochautomatisierte Produktion vor - mit hochleistungsfähigen Chips, Künstlicher Intelligenz, die Daten in Echtzeit verarbeitet, Datencentern, die die Daten vor Ort verfügbar machen und Robotern, die die Steuerung übernehmen. „Wenn ich es schaffe, diese vier Wertschöpfungsstufen zu kontrollieren, kann ich den Kostennachteil aus der Logistik, geopolitischen Spannungen und Lohnkosten aufwiegen.“