Digitaler Vertrieb in der ChemieLanxess-Tochter Chemondis wächst in der Krise
- Der durchschnittliche Warenkorb hat bei Chemondis einen Wert von bis zu 50.000 Euro.
- Die starke Nachfrage macht sich vor allem bei Vorprodukten von Desinfektionsmitteln bemerkbar. Die können jetzt nicht mehr nur Fachfirmen auf Chemondis kaufen.
- Covestro verfolgt unterdessen einen ganz anderen Ansatz beim digitalen Vertrieb.
Köln – „Der durchschnittliche Wert einer Bestellung liegt bei 40.000 bis 50.000 Euro“, sagt Sebastian Brenner, Chef von Chemondis. Selbst die erfolgreichsten Profiteure der Corona-Krise können trotz ausgeklügelter E-Commerce-Strategien keine vergleichbaren Warenkörbe vorweisen. Chemondis betreibt zwar einen Online-Shop, verkauft aber keine Produkte des täglichen Privatbedarfs: „Wir betreiben den größten und am schnellsten wachsenden Marktplatz für Industriechemikalien in Europa“, sagt Brenner.
Chemondis ist eine hundertprozentige Tochter des Kölner Spezialchemiekonzerns Lanxess. 2018 im Rahmen der Digitalisierungsinitiative des MDax-Unternehmens gegründet, operiert es heute unabhängig aus einem Büro am Olivandenhof, mitten in der Kölner Innenstadt, mit einem Team von 35 Angestellten aus 15 Ländern.
50.000 Produkte auf der Plattform
Lanxess selbst nutzt die Plattform zwar auch für den Vertrieb seiner Produkte, doch soll Chemondis mehr als ein Marketingkanal nur für die Muttergesellschaft sein. So gebe es aktuell fast 1800 teilnehmende Firmen, die über 50.000 Produkte auf Chemondis anbieten, sagt Brenner: „2019 wurde ein Warenwert von mehr als 200 Millionen Euro über Chemondis gehandelt“. Für das aktuelle Jahr erwartet Brenner eine Vervielfachung des Umsatzes: „Das Potenzial ist da: Der Markt für Industriechemikalien in Europa hat ein jährliches Volumen von rund 800 Milliarden Euro“.
Der Chemondis-Chef betont, dass das Unternehmen weder Händler noch Hersteller sei: „Chemondis ist eine Softwarefirma“, so Brenner. „Chemieherstellern und Distributoren geben wir einen Online-Vertriebskanal. Das sorgt bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen für eine Sichtbarkeit, die vorher überhaupt nicht da war.“ Darüber hinaus habe sich die Rolle von Käufer und Verkäufer geändert: „Jetzt sucht nicht mehr der Verkäufer nach Abnehmern, sondern der Käufer nach Anbietern“, so Brenner.
„Kundenbedürfnisse verändern sich“
Auch der Leverkusener Kunststoffkonzern Covestro setzt im Vertrieb neben den altbewährten Kanälen auf eine digitale Plattform. Für die Entwicklung von dessen Covestro Direct Store wurde Anfang 2019 Asellion gegründet. Die Software-Firma ist eine hundertprozentige Covestro-Tochter mit Sitz in Amsterdam, die sowohl für den Mutterkonzern als auch für andere Hersteller digitale Vertriebsplattformen programmiert.
„Durch die Digitalisierung verändern sich Kundenbedürfnisse und Verkaufsprozesse nachhaltig“, sagt Andrea Maier-Richter, Leiterin Central Marketing bei Covestro: „Wir müssen sicherstellen, dass wir die erste Wahl unserer Kunden sind und die Interaktion mit uns möglichst angenehm ist“, beschreibt sie die Intention hinter der digitalen Vertriebsstrategie: „Wir können einen digital-affinen Kunden, der wiederholt das gleiche Produkt kauft, viel besser bedienen.“
Warenhaus vs. Ein-Marken-Shop
Während sich Chemondis mit Amazon oder auch einem Warenhaus vergleichen lässt, ist der Covestro Direct Store ein Ein-Marken-Shop. Die Ziele ähneln sich aber: „Wir streben einen Umsatz von mehreren Hundert Millionen Euro jährlich über den Covestro Direct Store an“, sagt Maier-Richter.
Wie zunehmend wichtig digitale Plattformen für die Chemie-Industrie sind, zeigt sich auch und insbesondere in der Corona-Krise: „In den letzten Wochen registrieren wir ein fünf- bis sechsmal höheres Aufkommen auf der Seite als vor der Corona-Krise“, sagt Chemondis-Geschäftsführer Brenner. Insbesondere die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln und Ausgangsstoffen wie Isopropanol sei erheblich gestiegen. Bei einer Suche nach der Chemikalie findet Chemondis aktuell 133 Anbieter, einige habe das stark nachgefragte Produkt sogar auf Lager.
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Sind im Regelfall nur Fachunternehmen für den Einkauf auf Chemondis zugelassen, haben die Kölner in der Krise diese Regel gelockert: „Wir haben die Plattform schließlich auch für Krankenhäuser und Apotheken geöffnet, damit diese schnell und effizient Rohstoffe über uns beziehen können, sagt Brenner. Der Manager erwartet, dass Chemie-Einkäufer nach der Krise stärker die Online-Shops nutzen werden als zuvor: „Das wird sich auf einem hohen Niveau einpendeln.“
Covestro-Managerin Maier-Richter teilt diese Einschätzung: „Die Plattformen zeigen in der Krise attraktive Lösungen auf. Diesen Vorteil werden Kunden auch danach noch schätzen.“