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Digitale HauptversammlungenBayer macht es als erstes – Was das für Aktionäre bedeutet

Lesezeit 3 Minuten

Bayer-Chef Werner Baumann bei seiner Rede auf der Hauptversammlung des Konzerns im Jahr 2019

  1. Am 28. April ist das Aktionärstreffen von Bayer das erste, das komplett im virtuellen Raum stattfindet.
  2. Präsenzveranstaltungen sind aktuell keine Option – dennoch müssen wichtige Unternehmensentscheidungen getroffen werden.
  3. Was bedeutet das für die Aktionäre? Welche Kritik äußern Stimmvertreter?

Köln – Es ist bald ein Jahr her, dass sich Bayer-Chef Werner Baumann bei der Hauptversammlung des Leverkusener Konzerns der Wut der Aktionäre ausgesetzt sah. Spät am Abend entschieden sich die anwesenden Bayer-Anleger im Bonner World Congress Center gegen die Entlastung des Vorstandschefs. Das hatte es bei einem Dax-Unternehmen vorher nie gegeben.

Ein Jahr später schreibt Bayer mit seiner Hauptversammlung erneut deutsche Wirtschaftsgeschichte: Am 28. April ist das Aktionärstreffen der Leverkusener das erste, das komplett im virtuellen Raum stattfindet. Wegen der Corona-Krise sind Präsenzveranstaltungen aktuell keine Option, zu groß ist die Ansteckungsgefahr. Dennoch müssen Aktionäre wichtige Unternehmensentscheidungen treffen.

Rechtliche Voraussetzungen für Online-Hauptversammlungen geschaffen

„Die Entlastung der Vorstände etwa, Beschlüsse über die Dividende oder mögliche Kapitalerhöhungen“, erläutert Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka Investment.

Der Gesetzgeber hat deshalb Ende März die rechtlichen Voraussetzungen für Online-Hauptversammlungen geschaffen. Bayer nutzt diese Möglichkeit als erstes Unternehmen, auch der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall macht von ihr Gebrauch. Am Mittwoch verkündete auch die Allianz-Versicherung, ihre anstehende Hauptversammlung ausschließlich online abzuhalten.

Forderung: Mehr Spielraum für Aktionäre

Aktionärsvertreter fordern nun für den Fall von Online-Veranstaltungen mehr Spielraum für Aktionäre, damit diese ihre bereits beschnittenen Rechte ausüben können. So hat Bayer seinen Aktionären eine Frist zur Einreichung von Fragen bis zum 25. April gesetzt – die neue gesetzliche Mindestfrist von zwei Tagen wird also eingehalten.

Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, fordert, dass die Unternehmen im Gegenzug den Aktionären entgegenkommen: „Wir erwarten, dass die Redebeiträge des Vorstands und des Aufsichtsrats einige Tage vor dem Ende des Fragerechts den Aktionären zur Verfügung gestellt werden. Dass Fragen auf Basis der Beiträge gestellt werden, ist der übliche Ablauf, den wir auch bei virtuellen Hauptversammlungen beibehalten wollen.“

Diskurs zwischen Aktionären, Aufsichtsrat und Vorstand sei wichtig

Gerade jetzt hätten Aktionäre viele Fragen, sagt Tüngler: „Diesem Umstand müssen die Unternehmen gerecht werden.“ Das Unternehmen möge manche Aktionärsfragen für lapidar halten, ergänzt Deka-Experte Speich, „aber der Diskurs zwischen Aktionären einerseits und Aufsichtsrat und Vorstand andererseits ist wichtig“.

Darüber hinaus nutzen Aktionärsvertreter wie Tüngler und Speich, die oft Hunderttausende Stimmen bei Hauptversammlungen vertreten, ihre Auftritte regelmäßig, um Strategien zu kommentieren oder Zahlen zu bewerten. Sie beschränken sich nicht auf das Fragen, sondern geben gleichsam eine Meinung ab. Das fällt nun weg. Marc Tüngler will deshalb besonders an den Fragen feilen: „Schon bei der Formulierung der Fragen soll klar werden, wie wir ein Thema bewerten.“

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Während die einen jetzt schon auf die digitale Lösung setzen, halten andere am Präsenztermin fest, nur halt verschoben in die zweite Jahreshälfte. RWE, die Deutsche Post oder auch Evonik wählen diesen Weg. Für Aktionäre bringt das andere Nachteile mit sich. „Die Auszahlung der Dividende verzögert sich um Monate. Und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese bei einer Verschärfung der Krise gestrichen oder reduziert wird“, sagt Speich.

Bislang ist eine Verschiebung der Hauptversammlung bei deutschen Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien nur bis Ende 2020 möglich. „Eine virtuelle Hauptversammlung darf kein Automatismus werden. Präsenzhauptversammlungen sollten im nächsten Jahr wieder die Regel, nicht die Ausnahme sein“, sagt Speich.

„Ein Zeichen von Stärke“

Auch DSW-Geschäftsführer Tüngler ist besorgt, dass die Online-Treffen zur Regel werden könnten. Sie seien unausgewogen, sagt er, das Pendel schlage bei der neuen Gesetzeslage „stark zum Vorteil der Unternehmen aus“.

Bei aller Kritik zollt Tüngler den Unternehmen, die wie Bayer sowohl am Termin als auch der Auszahlung der Dividende in ursprünglicher Höhe festhalten, Respekt: „Wenn Unternehmen in diesen Zeiten die volle Dividende auszahlen, ist das auch ein Zeichen von Stärke.